Nachfolgend ein Beitrag vom 20.12.2016 von Korff, jurisPR-BKR 12/2016 Anm. 4
Orientierungssätze
1. Für eine unternehmerische Betätigung und gegen eine Verwaltung eigenen Vermögens spricht es, wenn
– eine BGB-Gesellschaft nach dem Inhalt des Darlehensvertrages eine Immobilie nicht lediglich erwerben soll, sondern plant, mit erheblichem Kostenaufwand (hier: 340.000 Euro) Baumängel zu beheben, mit einem weiteren Kostenaufwand (hier: 640.000 Euro) Büroetagen zu Wohnungen auszubauen und weiterhin erhebliche Projektkosten (hier: 220.000 Euro) vorgesehen sind,
– mit dem Erwerb und der Sanierung des Objekts Risiken übernommen werden, die so erheblich sind, dass die Immobilie selbst für einen Bauträger mit untragbaren Verwertungsrisiken verbunden gewesen wäre,
– die Darlehensaufnahme nicht bereits vorhandenes Vermögen der Gesellschaft oder ihrer Gesellschafter lediglich ergänzen soll und
– mit Rücksicht auf die Anzahl der in dem Objekt befindlichen 23 Wohn- und 2 Geschäftseinheiten sowie den Umfang der damit verbundenen Geschäfte und des damit verbundenen Verwaltungsaufwands keine private Vermögensverwaltung vorliegt.
2. Sind die Gesellschafter in einer weiteren GbR verbunden, die ein zunächst ebenfalls über den Darlehensgeber finanziertes Objekt mit 49 Wohn- und 2 Gewerbeeinheiten unterhält, so ist dieser Umstand wertend mit heranzuziehen.
A. Problemstellung
Das OLG Hamm musste sich vorliegend mit der Verbrauchereigenschaft einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) auseinandersetzen. Aus der rechtlichen Einordnung ergeben sich bedeutsame Konsequenzen, gerade auch wirtschaftlicher Art; für eine als Verbraucher gemäß § 13 BGB qualifizierte GbR eröffnen sich Möglichkeiten, die Verbraucherschutznormen – wie bspw. die Möglichkeit des Widerrufs im Falle einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung beim Abschluss eines Darlehensvertrages – zur Anwendung zu bringen.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Klägerin war im vorliegenden Verfahren eine GbR. Diese hatte zwei Darlehensverträge im Jahr 2003 sowie im Jahr 2009 geschlossen, die der Finanzierung des Erwerbs, der Sanierung sowie des Um- und Ausbaus eines Wohn- und Geschäftshauses mit 23 Wohn- und 2 Gewerbeeinheiten diente. Die im Zusammenhang mit der Sanierung erforderlichen Planungsarbeiten erbrachte eine GmbH, deren alleinige Gesellschafter und Geschäftsführer die Gesellschafter der Klägerin waren. Die Sanierungsarbeiten selbst wurden von einer weiteren Firma der Gesellschafter der Klägerin ausgeführt. Die klagende GbR erklärte am 11.09.2014 den Widerruf der beiden von ihr mit der Beklagten geschlossenen Darlehensverträge unter Verweis darauf, dass die ihr erteilten Widerrufsbelehrungen fehlerhaft seien. Sie meinte, dass sie bei Abschluss der Darlehensverträge als Verbraucherin gehandelt habe. Auch sei der Widerruf weder durch die Ablösung der Darlehen Ende 2013 noch durch einen Ende 2013 erklärten Verzicht ausgeschlossen.
Das erstinstanzlich mit der Sache befasste LG Münster hat die Klage abgewiesen und ausgeführt, dass die Klägerin kein Widerrufsrecht habe, weil keine Verbraucherdarlehensverträge vorlägen. Das zweitinstanzlich mit der Angelegenheit befasste OLG Hamm hat die Berufung der Klägerin gegen das erstinstanzliche Urteil zurückgewiesen, da kein wirksamer Widerruf mangels Verbrauchereigenschaft gegeben sei. Die Klägerin habe die Darlehensverträge nicht zu einem Zweck abgeschlossen, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden könne.
C. Kontext der Entscheidung
Nach § 13 BGB in der hier gemäß Art. 229 § 32 Abs. 1 EGBGB anzuwendenden, bis zum 13.06.2014 geltenden Fassung ist Verbraucher jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, das weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Als Unternehmer ist demgegenüber gemäß § 14 Abs. 1 BGB eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft (§ 14 Abs. 2 BGB) anzusehen, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit handelt.
Nach ganz herrschender Meinung in Schrifttum und Rechtsprechung ist als Verbraucher nicht nur eine einzelne natürliche Person zu qualifizieren, sondern auch eine Mehrzahl von natürlichen Personen, die sich zu einer GbR zusammengeschlossen haben und in Verfolgung ihres nicht kommerziellen Gesellschaftszweckes ein Darlehen aufnehmen (vgl. nur BGH, Urt. v. 23.10.2001 – XI ZR 63/01 – BGHZ 149, 80, 84; OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.04.1997 – 10 U 123/95 – OLGR Düsseldorf 1997, 185; Saenger in: Erman, BGB, 12. Aufl. 2008, § 13 Rn. 6; Kremer, RNotZ 2004, 239, 242; Rieger, MittBayNot 2002, 325, 327; Philippsen, NotBZ 2003, 137). Sofern die Verwaltung eigenen Vermögens vorliegt, kommt es richtigerweise nicht auf die Höhe der verwalteten Werte an; es liegt hierbei keine gewerbliche Tätigkeit vor (vgl. BGH, Urt. v. 23.10.2001 – XI ZR 63/01 – BKR 2002, 26).
Nach einer anderen Ansicht, die in der Literatur vertreten wird, kann die GbR kein Verbraucher i.S.d. § 13 BGB sein, da es sich bei einer Außen-GbR nicht um eine natürliche Person handelt (Elßner/Schirrnbacher, VuR 2003, 247; Krebs, DB 2002, 517; K. Schmidt, JuS 2006, 1, 4; Fehrenbacher/Herr, BB 2002, 1006, 1010; Mülbert, WM 2004, 905, 914; diff. Wunderlich, BKR 2002, 304 ff. und Kessal-Wulf in: Staudinger, BGB, 2004, § 491 Rn. 27).
In einer aktuellen Entscheidung hat der BGH zudem ausgeführt, dass auch eine Wohnungseigentümergesellschaft dem Verbraucherbegriff unterfallen kann, sofern dieser Gemeinschaft mindestens ein Verbraucher angehört (BGH, Urt. v. 25.03.2015 – VIII ZR 243/13 – NJW 2015, 3228). Der BGH bestätigt mit dieser Entscheidung die Ansicht der instanzgerichtlichen Rechtsprechung sowie der herrschenden Meinung im Schrifttum (OLG München, Beschl. v. 25.09.2008 – 32 Wx 118/08 – NJW 2008, 3574; LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 23.06.2008 – 14 T 1462/08 – ZMR 2008, 831, 832 f.; Matusche-Beckmann in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2013, § 474 Rn. 10; Kannowski in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2013, § 13 Rn. 37 i.V.m. Rn. 35 f.; Schmidt-Räntsch in: BeckOK-BGB, Stand 01.11.2014, § 13 Rn. 6; Saenger in: Erman, BGB, 14. Aufl., § 13 Rn. 7 i.V.m. Rn. 6; Armbrüster, Grundeigentum 2007, 420, 424; Derleder, ZWE 2010, 10, 11; Lehmann-Richter, AnwZert MietR 22/2012, Anm. 1 unter B.II; Ball in: jurisPK-BGB, 7. Aufl., § 474 Rn. 22; Bärmann/Pick, Wohnungseigentumsgesetz, 19. Aufl., § 10 Rn. 38; Bub, ZWE 2010, 246, 250; Commichau in: MünchKomm BGB, 6. Aufl., § 10 WEG Rn. 87; Dötsch in: BeckOK-WEG, Stand 01.01.2015, § 10 Rn. 452; Gottschalg, NZM 2009, 217, 219; Greiner, Wohnungseigentumsrecht, 3. Aufl., § 10 Rn. 1416; Ellenberger in: Palandt, BGB, 74. Aufl., § 13 Rn. 2 f.; Jennißen in: Jennißen, WEG, 4. Aufl., § 10 Rn. 61c; Kümmel in: Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 11. Aufl., § 10 Rn. 79; Martinek in: jurisPK-BGB, 7. Aufl., § 13 Rn. 18; Spielbauer in: Spielbauer/Then, WEG, 2. Aufl., § 26 Rn. 40; Timme in: BeckOK-WEG, § 1 Rn. 66; jeweils m.w.N.). In dieser Entscheidung führt der BGH aus, dass eine natürliche Person ihre Schutzwürdigkeit als Verbraucher nicht dadurch verliere, dass sie Mitglied einer Wohnungseigentümergemeinschaft wird. Die Wohnungseigentümergemeinschaft wiederum handelt beim Abschluss von Rechtsgeschäften mit Dritten in der Regel zum Zwecke der privaten Vermögensverwaltung ihrer Mitglieder und damit nicht zu gewerblichen Zwecken.
Das OLG Hamm verkennt die herrschende Rechtsprechung nicht. Es verweist zudem darauf, dass es für die Qualifizierung maßgeblich darauf ankomme, ob die Verwaltung eigenen Vermögens gewerblichen Zwecken dient und/oder den für eine auch nur partielle unternehmerische Tätigkeit erforderlichen zeitlichen und organisatorischen Aufwand erfordert (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 21.02.2013 – 28 U 224/11). Dies sei im Einzelfall zu beurteilen. Hierbei komme es nicht auf den inneren Willen, sondern auf die äußeren Umstände im gesamten Kontext des Lebenssachverhaltes an (vgl. Lang, ZfIR 2003, 2, 6, 7; BGH, Urt. v. 15.11.2007 – III ZR 295/06 – NJW 2008, 435).
Im vorliegenden Fall spreche für eine unternehmerische Betätigung und gegen eine Verwaltung eigenen Vermögens schon, dass die Klägerin das Objekt nicht lediglich erwerben, sondern auch ausbauen wollte. Hierbei spiele auch eine Rolle, dass die Arbeiten von Gesellschaften verrichtet werden sollten, deren geschäftsführende Gesellschafter auch die Gesellschafter der GbR sind. Zudem sprächen die Risiken, die mit dem Erwerb und der Sanierung des Objekts einhergingen, für eine unternehmerische Betätigung. Das OLG Hamm führt aus, dass die Klägerin diese Risiken gleichwohl sehenden Auges übernommen habe; es lasse sich nur so erklären, dass ihre Gesellschafter vor dem Hintergrund ihrer Ausbildung, ihrer jahrelangen beruflichen Erfahrung mit vergleichbaren Projekten und mit Rücksicht auf die von ihnen betriebenen Planungs- und Bauträgerunternehmen davon ausgegangen seien, das Risiko einschätzen und tragen zu können. Sodann heißt es: „Ein Privatmann ohne den vorgenannten beruflichen Hintergrund und ohne die gewerblichen Ressourcen, über die die Gesellschafter der Klägerin verfügten, wäre die mit dem Projekt verbundenen Risiken sicher nicht eingegangen, sondern hätte sich eine unverfänglichere Möglichkeit gesucht, um sein Vermögen anzulegen.“ Später heißt es noch einmal, dass die Anlage von Vermögen durch einen Verbraucher in der Regel andere Strukturen aufweise. Ein weiteres Indiz ist für das OLG Hamm die Anzahl der Mieteinheiten, so dass es aus der Tatsache, dass die Klägerin mit der Verwaltung eine Hausverwaltung beauftragt hat, folgert, dass keine private Vermögensverwaltung vorliege. Auch, dass die Gesellschafter der Klägerin in einer weiteren GbR verbunden sind, würdigt das Oberlandesgericht als Indiz gegen die Verbrauchereigenschaft.
D. Auswirkungen für die Praxis
Die Ausführungen des OLG Hamm zeigen, dass die rechtliche Einordnung von BGB-Gesellschaften gemäß § 705 BGB Schwierigkeiten bereitet. Eine pauschale Einordnung der GbR als Verbraucher ist nicht möglich, da die Bandbreite der in der Praxis vorkommenden BGB-Gesellschaften sehr weit ist. So sind die sog. Gelegenheitsgesellschaften des täglichen Lebens BGB-Gesellschaften (LG Detmold, Urt. v. 08.07.2015 – 10 S 27/15 – NJW 2015, 3176 m. Anm. Hippeli, NJW 2015, 3177), also bspw. die in der juristischen Ausbildungsliteratur häufig als Beispiel genannte gemeinsame Urlaubs- und Wohngemeinschaftskasse. Gesellschaften nach § 705 BGB liegen aber auch z.B. bei Zusammenschlüssen von Freiberuflern zu einer Gemeinschaftspraxis bzw. Sozietät vor, oder bei einem Zusammenschluss von Bauunternehmen zur gemeinsamen Durchführung eines Bauvorhabens (Arbeitsgemeinschaft, Joint-Venture). Es ist daher klar ersichtlich, dass jeweils eine differenzierte, den Einzelfall würdigende Entscheidung hinsichtlich der Verbrauchereigenschaft zu fällen ist. Schließlich dient das Verbraucherschutzrecht nicht dazu, gewinnorientierten, wirtschaftlich tätigen Zusammenschlüssen den gleichen Schutz zu unterstellen, wie er nach der gesetzgeberischen Intention für Verbraucher i.S.d. § 13 BGB notwendig ist.
Eine entsprechende Problemkonstellation wie bei der GbR gibt es auch beim eingetragenen Verein. Richtigerweise ist § 13 BGB unter bestimmten Voraussetzungen auch auf Idealvereine anwendbar. Dies ist dann der Fall, wenn sie von ihrer Stellung im Wirtschaftsleben her eher als Verbraucher zu behandeln sind. Idealvereine sollen nach dem Willen des Gesetzgebers jedenfalls dann erfasst sein, wenn es sich um Organisationen mit wenigen Mitgliedern ohne organisatorischen Apparat handelt (Micklitz in: MünchKomm BGB, 6. Aufl. 2012, § 13 Rn. 13).
Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die vom OLG Hamm vorgenommene Würdigung dahingehend kritisch zu untersuchen ist, ob nach dem Sinn und Zweck des § 13 BGB hier eine Verbrauchereigenschaft der GbR gegeben ist. Eine gewerbliche Tätigkeit im Sinne des Verbraucherschutzrechts stellt die planmäßige und auf Dauer angelegte wirtschaftlich selbstständige Tätigkeit unter Teilnahme am Wettbewerb dar (vgl. BGH, Urt. v. 23.10.2001 – XI ZR 63/01 – BKR 2002, 26). Angesichts des vom OLG Hamm festgestellten und umfassend gewürdigten Umfangs der wirtschaftlichen Betätigung der vorliegenden BGB-Gesellschaft ist das Urteil nachvollziehbar und gut begründet, da ein kommerzieller Zweck gegeben ist. Eine Anwendung der Verbraucherschutznormen in diesem Fall würde deren Zwecke untergraben und ein zu weitgehendes, ausuferndes Verständnis des § 13 BGB bedeuten. Dies wird auch dadurch untermauert, dass die Gesellschafter in weiteren Gesellschaften miteinander verbunden sind, wodurch hier der kommerzielle Zweck des gesellschaftsrechtlichen Zusammenschlusses noch deutlicher wird.
E. Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung
Unabhängig von der Frage der Verbrauchereigenschaft der GbR sieht das OLG Hamm den Anspruch der Klägerin schon deshalb als nicht gegeben an, weil aufgrund der Ende 2013 erfolgten Ablösung der Darlehen ein Verzicht erfolgt sei, der als wirksamer Vergleich zu qualifizieren sei. Nach der herrschenden Auffassung ist ein Vergleich möglich, sofern zugunsten des Verbrauchers ein sachliches Interesse besteht und der Verbraucher durch einen solchen Vergleich nicht einseitig benachteiligt wird (Habersack in: MünchKomm BGB, 6. Aufl., § 779 Rn. 11 m.w.N.). Diese Voraussetzungen waren nach Ansicht des Oberlandesgerichts hier gegeben. Selbst wenn man die Wirksamkeit verneint, würde sich die Klägerin widersprüchlich und treuwidrig i.S.d. § 242 BGB verhalten. Ungeachtet der von den Darlehensgebern gleichsam formelhaft vorgetragenen falschen Argumentation, jeder Widerruf eines Darlehens verstoße gegen § 242 BGB, ist in der vorliegenden Konstellation ausnahmeweise eine Treuwidrigkeit tatsächlich naheliegend, weil die Beklagte im Zuge der getroffenen Vereinbarung gegenüber der anwaltlich vertretenen Klägerin deutlich gemacht hat, dass sie eine Vereinbarung („selbstverständlich“) nicht treffen würde, sofern sie befürchten müsste, dass die Klägerin nach der Ablösung noch Zahlungsansprüche gegen sie erhebt. Jedenfalls angesichts der anwaltlichen Vertretung hätte der Klägerin bewusst sein müssen, dass damit jedwede Ansprüche, auch aus einem Widerruf, wegfallen sollten.