Nachfolgend ein Beitrag vom 20.12.2016 von Salger, jurisPR-BKR 12/2016 Anm. 3 zu einem aktuell sehr umstrittenen Thema. Der BGH wird dazu – wenn auch in anderer Konstellation – am 21.2.2017 voraussichtlich ein klarstellendes höchstrichterliches Urteil verkünden.
Orientierungssatz zur Anmerkung
Einlagengeschäfte der Bausparkassen sind nicht von der Kündigungsmöglichkeit nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB ausgeschlossen.
A. Problemstellung
Gegenstand der vorliegenden Entscheidung des OLG Koblenz ist einer der mittlerweile zahlreich entschiedenen Fälle der Kündigung von Bausparverträgen durch Bausparkassen, in denen die Bausparer die Bauspardarlehen auch mehr als zehn Jahre nach eingetretener Zuteilungsreife des Bausparvertrages nicht in Anspruch genommen haben. Im Vordergrund der Rechtsstreitigkeiten steht die Rechtsfrage, ob sich die Kündigungen der Bausparverträge durch die Bausparkassen auf § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB stützen lassen. Nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB kann der Darlehensnehmer einen Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang des Darlehens unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten ganz oder teilweise kündigen. In dem besprochenen Urteil setzt sich das OLG Koblenz insbesondere mit der vom OLG Stuttgart (Urt. v. 04.05.2016 – 9 U 230/15) vertretenen Auffassung auseinander, wonach die Bestimmung des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB auf Kündigungen von Bausparverträgen durch Bausparkassen schon grundsätzlich keine Anwendung finden soll. Darüber hinaus ist für die Wirksamkeit der Kündigung auch in diesem Fall erheblich, ob der Bausparer das Darlehen i.S.d. § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB vollständig empfangen hat.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Parteien schlossen im Jahr 1977 auf der Grundlage der Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge (ABB) der beklagten Bausparkasse einen Bausparvertrag über eine Bausparsumme von 30.000 DM und vereinbarten im Jahr 2000 eine Erhöhung auf 160.000 DM. Die ABB sahen eine jährliche Verzinsung des Bausparguthabens von 2,5% vor. Trotz mehr als zehn Jahre währender Zuteilungsreife nahm der klagende Bausparer das Bauspardarlehen nicht in Anspruch. Im September 2014 kündigte die Bausparkasse den Bausparvertrag nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zum 31.03.2015. Mit der Klage begehrt der Kläger u.a. die Feststellung, dass der Bausparvertrag über den 31.03.2015 hinaus fortbesteht.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Bausparvertrag sei wirksam gekündigt worden. Bei unterbliebenem Abruf des Bauspardarlehens auch mehr als zehn Jahre nach Zuteilung könne die Bausparkasse den Bausparvertrag gemäß den §§ 488 Abs. 3, 489 Abs. 1 Nr. 2 HS. 1 BGB kündigen. Die Anwendung des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB sei nicht auf Verbraucher beschränkt, sondern diene auch dem Schutz der Bausparergemeinschaft vor einer Bindung an einen nicht mehr zeitgemäßen Zinssatz.
Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers hat das OLG Koblenz zurückgewiesen. Das OLG Koblenz hat die Wirksamkeit der Kündigung des Bausparvertrages ebenfalls bejaht und ausgeführt, dass die Bestimmungen des allgemeinen Darlehensrechts auch auf Bausparverträge Anwendung finden. Daher stünden die darin vorgesehenen Kündigungsrechte grundsätzlich auch Darlehensnehmern zu, die nicht Verbraucher sind. Ein Kündigungsrecht nach § 488 Abs. 3 BGB bestehe allerdings nicht, da nach herrschender Meinung dieses Kündigungsrecht erst bei vollständiger Ansparung der Bausparsumme in Anspruch genommen werden könne. Andernfalls würde der mit dem Bausparvertrag verfolgte Zweck der Erlangung eines Bauspardarlehens unterlaufen. Dagegen sei die Kündigungsmöglichkeit des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB auch für Einlagengeschäfte der Bausparkassen zu bejahen. In seinen Ausführungen hat sich das OLG Koblenz eingehend mit der vom OLG Stuttgart (Urt. v. 04.05.2016 – 9 U 230/15) vertretenen gegenteiligen Auffassung auseinandergesetzt.
Ein Ausschluss des Einlagengeschäfts der Bausparkassen vom Anwendungsbereich dieser gesetzlichen Regelung ergebe sich nicht aus der Gesetzessystematik, da Bausparverträge nach allgemeiner Meinung in der Ansparphase als Darlehensverträge mit der Bausparkasse als Darlehensnehmerin angesehen würden. Die Kündigungsregelung in § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB sei weder auf Bankgeschäfte beschränkt, noch enthalte sie eine Differenzierung zwischen Aktiv- und Passivgeschäften.
Auch folge eine solche einschränkende Auslegung nicht aus der Gesetzgebungshistorie. Mit der Aufhebung des § 247 BGB a.F. und der Einführung des § 609a BGB a.F. habe der Schuldnerschutz dort auf ein angemessenes Maß zurückgeführt werden sollen, wo er sich in der Vergangenheit als besonders störend erwiesen habe. Dies sei jedoch nicht so zu verstehen, dass nur die von den professionellen Kreditgebern ausgereichten Kredite dem geänderten Kündigungsrecht unterfallen sollten. Durch die Neuregelung habe für die Zukunft ein scharfer Widerspruch zwischen der beiderseitigen vertraglichen Bindung einerseits und der Risikozuweisung andererseits vermieden werden sollen. Zwar seien derartige Widersprüche in der Vergangenheit bei festverzinslichen Krediten aufgetreten, die von professionellen Kreditgebern ausgereicht wurden. Diese seien zwar Auslöser für die Neuregelung gewesen. Den Gesetzesmaterialien sei allerdings nicht zu entnehmen, dass die Neuregelung auf solche Kredite beschränkt bleiben und auf andere Vertragskonstellationen, bei denen die gleichen Widersprüche auftreten können, keine Anwendung finden sollten. Der in den Gesetzesmaterialien erwähnte „scharfe Widerspruch“ sei wegen der seit längerem andauernden Niedrigzinsphase mittlerweile auch bei den in Rede stehenden Passivgeschäften der Bausparkassen in der Ansparphase gegeben.
Bausparkassen seien auch in den Schutzbereich der Norm einbezogen, durch die der Gesetzgeber den Darlehensschuldner von der Verpflichtung zur Zahlung eines nicht marktgerechten Zinssatzes schützen wollte. Das Argument, mit der Einführung des § 609a BGB a.F., der Vorgängervorschrift des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB habe ein wesentliches und wirksames Gegengewicht gegen das Zinsbestimmungsrecht des Gläubigers geschaffen werden sollen, greife nicht. Ein Zinsbestimmungsrecht stehe den Bausparkassen weder bei Vertragsschluss noch zu irgendeinem Zeitpunkt während der Ansparphase zu. Die Verzinsung des Bausparguthabens sei bei Vertragsschluss durch die ABB von vornherein festgelegt. Der Schutzzweck entfalle auch nicht deshalb, weil das Bausparsystem innerhalb eines in sich geschlossenen Marktes funktioniere und deshalb ein Bedürfnis nach Langzeitkongruenz von Aktiv- und Passivgeschäften nicht bestehe, da eine Bausparkasse auch in Ertragsschwierigkeiten kommen könne, wenn sie die geschuldete Verzinsung der Bauspareinlagen mangels ausreichender Nachfrage an Bauspardarlehen nicht in vollem Umfang über das Aktivgeschäft erwirtschaften könne. Es seien keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich, dass der Gesetzgeber einen Schutz der Bausparkassen davor nicht bezweckt habe, sondern davon ausgegangen sei, dass die Soll- und Habenzinsen marktunabhängig seien. Beide Schutzziele der gesetzlichen Regelung, nämlich sowohl der Schutz des Darlehensnehmers vor der Verpflichtung zur Zahlung eines nicht marktgerechten Zinssatzes als auch die Sicherung der Refinanzierung der Aktivgeschäfte, erfassten auch die Passivgeschäfte der Bausparkassen während einer länger andauernden Niedrigzinsphase, die bei Vertragsabschluss noch nicht absehbar war.
Die Kündigung des Bausparvertrages sei auch nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang des Darlehens erfolgt. Ein vollständiger Empfang i.S.d. § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB sei aufgrund der strukturellen Eigenheiten des Bausparvertrages mit dem Eintritt der erstmaligen Zuteilungsreife anzunehmen. Mit dem Eintritt der Zuteilungsreife werde das gemeinsame Ziel der Vertragsparteien erreicht, dass der Bausparer einen Rechtsanspruch auf Gewährung eines Bauspardarlehens erwirbt. Es liege dann allein beim Bausparer, seinen Anspruch auf Erhalt der Bausparsumme zu begründen. Aufgrund der Ausgestaltung des Bausparvertrages erlange der Bausparer mit dem Eintritt der Zuteilungsreife die Option, die Ansparphase fortzusetzen. In diesem einseitigen Bestimmungsrecht des Darlehensgebers liege nur dann kein nach § 489 Abs. 4 BGB unwirksamer Ausschluss des zwingenden Kündigungsrechts, wenn der vollständige Empfang der Valuta schon mit dem erstmaligen Eintritt der Zuteilungsreife vorliegt.
C. Kontext der Entscheidung
Das Vertragsziel des Bausparvertrages ist, wie dem Wortlaut des § 1 Abs. 2 Satz 1 BauSparkG zu entnehmen ist, der Erwerb eines Rechtsanspruchs auf Gewährung eines Bauspardarlehens durch Leistung von Bauspareinlagen. Solange die Bausparsumme in der Ansparphase nicht erreicht wird, ist die Möglichkeit der Kündigung nach § 488 Abs. 3 BGB ausgeschlossen, da anderenfalls der mit dem Abschluss eines Bausparvertrages verfolgte Zweck unterlaufen würde (OLG Stuttgart, Beschl. v. 14.10.2011 – 9 U 151/11 – WM 2013, 508; OLG Frankfurt, Beschl. v. 02.09.2013 – 19 U 106/13 Rn. 2; OLG Köln, Beschl. v. 23.03.2015 – 13 U 104/14; Weber, ZIP 2015, 961, 962; Bergmann, WM 2016, 2153, 2155). Es kann auch nicht angenommen werden, dass der Bausparer, der die Zuteilung auch zehn Jahre nach Zuteilungsreife nicht angenommen hat, die Absicht, ein Darlehen zu wohnungswirtschaftlichen Maßnahmen zu erlangen, aufgegeben habe (a.A. Edelmann/Suchowerskyj, BB 2015, 1800, 1805). Es mag gute Gründe, etwa im persönlichen und familiären Bereich, eines Bausparers geben, ein Bauspardarlehen nicht in dem bei Vertragsschluss ohnehin ungewissen Zeitpunkt der Zuteilungsreife in Anspruch zu nehmen, ohne dass hieraus der Schluss gezogen werden könnte, der Bausparer habe seine Absicht, ein Bauspardarlehen zu erhalten, aufgegeben und leiste seine Bausparbeiträge nur noch in der Erwartung, damit eine gewinnbringende Kapitalanlage zu unterhalten.
Soweit Gerichte die Anwendbarkeit des Kündigungsrechts des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB für Bausparkassen bejaht haben, beschränkte sich die Begründung bislang in aller Regel darauf zu verweisen, dass nach allgemeiner Auffassung in der Ansparphase die Bausparkasse die Rolle des Darlehensnehmers innehat und die Kündigungsvorschrift des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB aufgrund ihrer systematischen Stellung im allgemeinen Darlehensrecht nicht Verbrauchern vorbehalten ist (OLG Hamm, Beschl. v. 30.12.2015 – 31 U 191/15 Rn. 21; OLG Koblenz, Beschl. v. 18.01.2016 – 8 U 1064/15 Rn. 20 ff.; OLG Köln, Beschl. v. 27.01.2016 – 13 U 279/15 – WM 2016, 738, 740, 741; OLG Celle, Beschl. v. 29.02.2016 – 3 U 196/15 – WM 2016, 738 f.). Nachdem das OLG Stuttgart in zwei Entscheidungen (Urt. v. 23.09.2015 – 9 U 31/15 Rn. 106 ff., allerdings noch offenlassend, ob dies auch für Bausparverträge gilt, Rn. 110; Urt. v. 04.05.2016 – 9 U 230/15 Rn. 44 ff.) mit ausführlicher Begründung die Auffassung vertreten hat, § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB sei auf das Einlagengeschäft der Banken nicht anwendbar, nahm das OLG Koblenz die Gelegenheit wahr, sich hiermit eingehend auseinanderzusetzen.
Mit überzeugenden Gründen ist das OLG Koblenz der vom OLG Stuttgart befürworteten teleologischen Reduktion bei der Auslegung des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB entgegengetreten. Das OLG Stuttgart (Urt. v. 04.05.2016 – 9 U 230/15 Rn.65 ff.) stützt seine einschränkende Auslegung wesentlich auf den Gesichtspunkt der Schutzbedürftigkeit und die Feststellung, der Gesetzgeber habe weder in der Vergangenheit noch im Zusammenhang mit der Aufhebung des § 247 BGB a.F. und Einführung des § 609a Abs. 1 Nr. 3 BGB a.F. ein Schutzbedürfnis zugunsten der Kreditinstitute als Schuldner bei der Durchführung von Passivgeschäften wahrgenommen. Das überzeugt indes nicht. Verbraucherschutzgesichtspunkte waren für die gesetzliche Neuregelung nicht ausschlaggebend. Anderenfalls hätte es nahegelegen, die Kündigungsregelung des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB systematisch in dem Verbraucherdarlehensrecht, also etwa in § 500 BGB zu verorten. Weder Wortlaut noch Gesetzessystematik stützen die Auffassung des OLG Stuttgart. Überzeugend hat das OLG Koblenz dargelegt, dass sich auch den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen lässt, dass der Gesetzgeber ausschließlich das Aktivgeschäft der Kreditinstitute regeln wollte. Dies ergibt sich weder aus der Verlagerung der schuldrechtlichen Norm des § 247 BGB a.F. in das Darlehensrecht, noch aus der Verlagerung der für Realkredite geltenden Regelung des § 18 Abs. 2 HypBG a.F. zu § 609a Abs. 1 Nr. 3 BGB a.F.
Bei seinen Erwägungen zum Schutzbedürfnis berücksichtigt das Oberlandesgericht letztlich nicht hinreichend den Kollektivgedanken des Bausparens. Die Sparleistungen, die die Bausparer in Form von Einlagen der Bausparkasse zur Verfügung stellen, stellen nach § 1 Abs. 6 BauSparkG einen Teil der zweckgebundenen Zulassungsmasse dar, aus der anderen Bausparern Bauspardarlehen gewährt werden. Insofern trifft zu, dass das Bausparsystem ein in sich geschlossenes und grundsätzlich vom Kapitalmarkt unabhängiges kollektives System bildet (vgl. hierzu insbesondere Freise/Bonke, ZBB/JBB 2016, 196, 197 f.). Das bedeutet allerdings nicht, dass Bausparkassen nicht auch durch große Schwankungen des Kapitalmarktes und, wie es gegenwärtig der Fall ist, durch langandauernde Niedrigzinsphasen in erheblichem Maße wirtschaftlich nachteilig betroffen sein können. Auch wenn der Gesetzgeber bei Einführung des § 609a BGB a.F. mit den Kündigungsvorschriften ein „wesentliches und wirksames Gegengewicht gegen das Zinsbestimmungsrecht des Gläubigers“ schaffen wollte (BT-Drs. 10/4741, S. 22), kann daraus nicht abgeleitet werden, dass sich der Bausparer gegenüber der Bausparkasse in einer schwächeren und daher schutzbedürftigen Position befindet. Zutreffend weist das OLG Koblenz darauf hin, dass einer Bausparkasse im Rahmen des bestehenden Vertragsverhältnisses zu keinem Zeitpunkt ein Zinsbestimmungsrecht zusteht und ihr aufgrund der nach § 6 BauSparkG vorgegebenen Zweckbindung Möglichkeiten, Ertragsminderungen in Niedrigzinsphasen durch Verlagerung auf andere Geschäftstätigkeiten zu kompensieren, nicht gegeben sind. Es bleibt ihnen die Möglichkeit der Einführung neuer Tarife, die jedoch lediglich zeitversetzt wirkt. Vor diesem Hintergrund lässt sich die Schutzbedürftigkeit der Zweckgemeinschaft der Bausparer im Verhältnis zum einzelnen Bausparer, nicht übermäßig lange an einen Zins gebunden zu sein, nicht überzeugend verneinen. Der Zweck der Regelung des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB beruht – anders als etwa die Kündigungsvorschriften im Verbraucherdarlehensrecht – nicht auf dem Gedanken des Schutzes des schwächeren Vertragspartners, sondern darauf, einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Interesse des einen Vertragspartners an der Vertragsbindung und dem Interesse des anderen Vertragspartners, nicht übermäßig lange an nicht marktgerechten Konditionen festgehalten zu werden, zu finden. Der so definierte Schutzzweck der Norm erfasst auch die Bausparkassen. Eine teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs dieser Regelung verfehlt deren Zweck. Es kann daher nicht angenommen werden, dass das Passivgeschäft der Banken vom Anwendungsbereich dieser Regelung ausgeklammert bleiben sollte.
Überzeugend hat das OLG Koblenz auch die weiteren Voraussetzungen der Kündigung bejaht und ist der Auffassung gefolgt, dass der Kläger das Darlehen i.S.d. § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB mit Erreichen der Zuteilungsreife des Bausparvertrages vollständig empfangen hat. Diese, von der überwiegenden Meinung geteilte Auffassung (OLG Hamm, Urt. v. 30.12.2015 – 31 U 191/15 Rn. 24; OLG Koblenz, Beschl. v. 18.01.2016 – 8 U 1064/15 Rn. 27; OLG Köln, Beschl. v. 27.01.2016 – 13 U 279/15 – WM 2016, 740; OLG Celle, Beschl. v. 29.02.2016 – 3 U 196/15 – WM 2016, 738; OLG Frankfurt, Urt. v. 17.08.2016 – 19 U 3/16 – WM 2016, 2070, 2072; Mülbert in: Staudinger, BGB, Bearb. 2015, § 488 Rn. 550; a.A. OLG Stuttgart, Urt. v. 30.03.2016 – 9 U 171/15 m. Anm. Salger, jurisPR-BKR 7/2016 Anm. 3; OLG Bamberg, Urt. v. 10.08.2016 – 8 U 24/16 – WM 2016, 2067, 2068 f.) rechtfertigt sich zum einen aus dem Zweck des Bausparvertrages, der darin liegt, durch Sparleistungen ein Recht auf Gewährung eines zinsgünstigen Bauspardarlehens zu erlangen, und des Umstands, dass dieser Zweck mit der Zuteilungsreife des Bausparvertrages erreicht ist. Zum anderen würde der zwingende Charakter der gesetzlichen Regelung (§ 489 Abs. 4 Satz 1 BGB) unterlaufen werden, wenn es der Darlehensnehmer durch Einstellung der Zahlung seiner Sparbeiträge in der Hand hätte, den Eintritt des Empfangs des Darlehens auf unabsehbare Zeit hinauszuzögern.
D. Auswirkungen für die Praxis
Sowohl das OLG Stuttgart als auch das OLG Koblenz haben wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Auslegung des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB sowohl hinsichtlich der Frage der teleologischen Reduktion als auch der Frage des vollständigen Empfangs des Darlehens und wegen des Vorliegens divergierender Entscheidungen die Revisionen gegen ihre Urteile zugelassen. Beim BGH sind mittlerweile mehrere „Bausparkassenkündigungsfälle“ anhängig, so dass die Branche alsbald mit einer höchstrichterlichen Klärung dieser Fragen rechnen kann. Nachdem mit einem zeitnahen Ende der Niedrigzinsphase nicht zu rechnen ist, hat die Beantwortung dieser Fragen für das Bauspargeschäft erhebliche Auswirkungen.