Nachfolgend ein Beitrag vom 19.6.2018 von Altenhofen, jurisPR-BKR 6/2018 Anm. 3
Orientierungssätze
1. Im Rahmen der prospektarischen Vorstellung eines sog. Blind-Pool-Fonds, der gegründet worden war, um Patentrechte aufzukaufen und sie gewinnbringend zu verwerten, ist es geboten, aber auch ausreichend, wenn der Prospekt deutlich macht, dass eine wirtschaftliche Beteiligung vorliegt, der Erfolg derselben allein von den noch zu erwerbenden Objekten abhängt und über konkrete Investitionsziele noch keine Entscheidung getroffen wurde (was hier der Fall ist) (Anschluss BGH, Beschl. v. 03.02.2015 – II ZR 52/14).
2. Aus dem Misserfolg eines Fonds kann nicht per se auf die Ungeeignetheit des Konzepts geschlossen werden. Vielmehr ist zum einen zu berücksichtigen, dass es nur auf die ex-ante-Sicht bei Prospekterstellung ankommt. Zum anderen ist maßgeblich, ob eine Prognose über den Erfolg eines Fonds von vornherein nicht vertretbar war, da erst dann ein Prospektfehler vorliegt (was hier nicht gegeben ist) (Anschluss BGH, Urt. v. 23.04.2012 – II ZR 75/10 – WM 2012, 1293).
A. Problemstellung
Die Entscheidung des OLG Frankfurt, die im Rahmen eines Verfahrens nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) erging, betrifft die Frage, wann ein Prospekt i.S.d. § 13 VerkProspG a.F. i.V.m. den §§ 44 ff. BörsG a.F. und § 8g VerkProspG i.V.m. der Vermögensanlage-Verkaufsprospektverordnung (VermVerkProspV) fehlerhaft ist.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Gegenstand der Entscheidung war die Klage eines Anlegers im Rahmen eines Musterverfahrens nach dem KapMuG auf Schadensersatz wegen Unrichtigkeit der Angaben im Verkaufsprospekt.
Hintergrund war die Gründung eines Fonds durch die Musterbeklagte und eine ihrer Partnergesellschaften. Der Fonds wurde herausgegeben, um Patentrechte aufzukaufen und gewinnbringend zu verwerten. Bei der Ermittlung geeigneter Patente wurde die Musterbeklagte von einer weiteren Gesellschaft, der IP B AG unterstützt, die sich auf die Identifizierung verwertbarer Patente spezialisiert hatte und die zum Zeitpunkt der Prospektherausgabe 43 – wenige Monate zuvor aber lediglich 27 Mitarbeiter – hatte.
Der Vorstand der IP B AG erklärte in einem Zeitungsinterview, dass der Fonds nicht als sog. Blind Pool gestaltet werde, weil andernfalls die Akquisitionskosten nicht überschaubar seien. Bei der Gründung des Fonds waren bereits vier Patente erworben worden. Im Übrigen handelte es sich entgegen des zuvor vom Vorstand Erklärten um einen sog. Blind Fonds, was der Prospekt auch auswies. Hinsichtlich der IP B AG machte der Prospekt folgende Angaben: „Die IP B AG ist eine der führenden Patentbewertungs- und Beratungsgesellschaften in Europa. […] Kunden der IP B AG sind unter anderem DAX-, MDAX-, TECDAX- und STOXX 50-Unternehmen. Die Mitarbeiter der IP B AG verfügen überwiegend über ein naturwissenschaftliches oder ingenieurwissenschaftliches Studium und decken daher die wesentlichen naturwissenschaftlich-technischen Spektren der zu beurteilenden Patente […] ab. Seit Gründung der IP B AG im Jahr 2001 war die IP B AG bei über 130 Patenttransaktionen auf der Kauf- oder Verkaufsseite beteiligt – unter anderem bei den beiden Patentverwertungsfonds Patent Select I und Patent Select II. […] Aufgrund der Kürze des Zeitraums können noch keine Aussagen zum Ergebnisverlauf von Patent Select I und Patent Select II gemacht werden. […]“. Ansonsten wurde in dem Prospekt auf sämtliche Risiken hinsichtlich der Beteiligung am Fond hingewiesen.
Bis zum Ende der Vermarktungsphase konnte ein Kapital von 130 Mio. Euro eingeworben werden, wovon für ca. 21 Mio. Euro Patente erworben wurden. Ende 2015 wurde der Fonds liquidiert, wobei davon ausgegangen wird, dass weniger als die Hälfte des Beteiligungskapitals der Anleger an diese zurückgezahlt werden kann. Über das Vermögen der IP B AG wurde ein Insolvenzverfahren eröffnet – die Gesellschaft wurde 2017 wegen Vermögenslosigkeit gelöscht. Der Musterkläger klagte daraufhin auf Schadensersatz wegen Unrichtigkeit der Angaben im Verkaufsprospekt.
Das OLG Frankfurt hat die Klage als unbegründet abgewiesen.
Hinsichtlich der klägerseitig (hauptsächlich) vorgebrachten Prospektfehler hat es wie folgt entschieden:
1. Zunächst wurde vom Kläger vorgebracht, dass der Vorstand dem „Blind Pool“-Konzept schon vor der Prospektherausgabe kritisch gegenüberstand – eine Tatsache, die auch im Prospekt hätte Erwähnung finden müssen, was nicht geschehen ist. Der Anleger ist aufgrund des Interviews davon ausgegangen, dass zuerst die Assets ausgewählt werden, sodann die Fondshülle kapitalisiert wird und erst im Anschluss die Patente erworben werden. Ein sog. Blind Pool führt hingegen zu umgekehrter Reihenfolge. Daher sei der Prospekt nach Ansicht des Klägers unvollständig.
Hiergegen wendet das Oberlandesgericht ein, dass zum einen nicht feststünde, dass der Vorstand auch bei Herausgabe des Prospekts diese Ansicht noch vertrat. Zum anderen liege in der Äußerung des Vorstands kein Umstand, der zu einer Vereitelung des Vertragszwecks führen könnte. Diesbezüglich fehle es an einem Vortrag des Musterklägers dazu, dass sich aus der Konzeption des Fonds als sog. Blind Pool ein negativer Einfluss auf den Fonds ergeben habe.
2. Des Weiteren trifft es laut Oberlandesgericht – entgegen dem Klägervortrag – nicht zu, dass der Prospekt falsche Angaben hinsichtlich der Mitarbeiterzahl bzw. Mitarbeiterqualifikation der IP B AB enthält, die ohne weiteren Hinweis einen falschen Eindruck von der Größe und Erfahrung der IP B AG erweckten, weil Monate zuvor eine wesentlich geringe Mitarbeiterzahl bestanden hatte. Die Anzahl der Mitarbeiter sei unstreitig. Darüber hinaus hätte der Musterkläger darlegen müssen, dass die Gesellschaft mit ihren aktuellen Kapazitäten nicht in der Lage war, ihren Aufgaben nach dem Fondskonzept nachzukommen. Schließlich enthalte der Prospekt auch keine konkreten Angaben hinsichtlich Vorbildung oder Erfahrungen der Mitarbeiter der IP B AG, so dass auch diesbezüglich kein Schluss auf die Unrichtigkeit des Prospekts gezogen werden könne.
3. Entgegen der Ansicht des Musterklägers enthalte der Prospekt auch hinsichtlich der weiteren im Prospekt genannten Patent-Fonds „Patent Select I“ und „Patent Select II“, die als Referenz für die Tätigkeit der IP B AG herangezogen wurden, keine unrichtigen Angaben. Der Prospekt stelle ausdrücklich fest, dass aufgrund der kurzen Laufzeit der Vorgängerfonds noch keine Rückschlüsse auf deren Erfolg gezogen werden könnten.
4. Auch trifft es nach Ansicht des OLG Frankfurt nicht zu, dass der Prospekt den Eindruck vermittelt, dass nach dem Konzept des Fonds nur die werthaltigsten Patente erworben werden sollten. Der Prospekt formuliere gerade keine Garantie. Vielmehr mache der Prospekt hinreichend deutlich klar, dass das Risiko bestehe, dass die Fondsgesellschaft nicht genügend als geeignet erscheinende Patente erwerben kann. Außerdem stelle der Prospekt klar, dass unter dem Begriff der „Werthaltigkeit“ nicht nur die von vornherein verwertbaren Patente zu verstehen seien, sondern auch die Patente subsumiert werden können, die erst noch verwertbar gemacht werden müssen.
5. Schließlich sei der Prospekt auch nicht deshalb fehlerhaft, weil er mögliche Interessenkonflikte der IP B AG verheimliche. Entgegen der Ansicht des Musterklägers mache der Prospekt deutlich, dass die IP B AG auch für andere Unternehmen tätig sei und daher nicht exklusiv für den in Streit stehenden Fonds tätig wurde.
C. Kontext der Entscheidung
In seiner Telekom III-Entscheidung (BGH, Beschl. v. 21.10.2014 – XI ZB 12/12) hat der BGH Leitlinien vorgegeben, nach denen die Fehlerhaftigkeit von Prospekten zu beurteilen ist. Danach muss der Prospekt „[…] alle für die Beurteilung der Anlage wichtigen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse möglichst zeitnah erfassen und durch seine Aussagen von den Verhältnissen und der Vermögens-, Ertrags- und Liquidationslage des Unternehmens, dessen Papiere zum Kauf angeboten werden, dem interessierten Publikum ein zutreffendes Bild vermitteln. Dazu gehört eine Aufklärung über Umstände, die den Vertragszweck vereiteln können. Diese Aufklärungsplicht erstreckt sich auf solche Umstände, von denen zwar noch nicht feststeht, die es aber wahrscheinlich machen, dass sie den vom Anleger verfolgten Zweck gefährden. Für die Frage, ob ein Emissionsprospekt nach diesen Grundsätzen unrichtig oder unvollständig ist, kommt es dabei nicht allein auf die darin wiedergegebenen Einzeltatsachen an, sondern wesentlich auch darauf, welches Gesamtbild der Prospekt dem Anleger von den Verhältnissen des Unternehmens vermittelt. Hierbei sind solche Angaben wesentlich, die ein Anleger eher als nicht bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigen würde.“
Wann die Aussagen des Prospekts zu den Verhältnissen des Unternehmens, dessen Papiere zum Kauf angeboten werden, dem interessierten Publikum ein zutreffendes Bild vermitteln, erfordert stets eine Prüfung im Einzelfall, was anhand der hier zu besprechenden Entscheidung deutlich wird.
D. Auswirkungen für die Praxis
Für die Praxis entscheidend ist die Tatsache, dass der Schadensersatzanspruch wegen fehlerhaftem oder unvollständigem Prospekt nicht ein Einfallstor für Klagen unzufriedener Anleger darstellt, die ihre (schlechten) Investitionsentscheidungen auf diesem Wege wieder rückgängig machen wollen. Der Musterkläger verfügte über alle notwendigen Informationen. Die Bewertung eines sich daraus ergebenden Risikos obliegt dann ihm.
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