Nachfolgend ein Beitrag vom 19.6.2018 von Werner, jurisPR-BKR 6/2018 Anm. 4

Orientierungssatz zur Anmerkung

Widerruft ein Miterbe eine für ein Konto vom Erblasser erteilte widerrufliche Vorsorgevollmacht, kann der Bevollmächtigte ohne seine Zustimmung keine Zahlungsaufträge veranlassen.

A. Problemstellung

Die Entscheidung setzt sich mit zwei rechtlichen Aspekten auseinander: dem Widerruf einer (widerruflichen) Vorsorgevollmacht durch nur einen von mehreren Miterben und dem Erstattungsanspruch, wenn ein Zahlungsauftrag durch einen Bevollmächtigten erteilt worden ist, dessen Vollmacht vor der Erteilung widerrufen worden ist.
Beim ersten Thema geht es um die Frage, ob und mit welchen Konsequenzen einer von mehreren Erben eine vor dem Todesfall vom Erblasser erteilte Vollmacht widerrufen kann; insbesondere, ob die Vollmacht auch namens und für die anderen Erben widerrufen werden kann, oder ob nur ein gemeinschaftlicher Widerruf in Betracht kommt. Der zweite Aspekt beschäftigt sich mit dem Thema, ob und ggf. zwischen welchen Beteiligten welche Ansprüche in Betracht kommen, wenn ein ehemals Bevollmächtigter einen Zahlungsauftrag erteilt und der kontoführende Zahlungsdienstleister den Widerruf unbeachtet lässt.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Im vorliegenden Fall macht eine Miterbin gegen eine Bank Ansprüche auf Rückerstattung von zulasten des Nachlasskontos ausgeführter Überweisungsaufträge geltend.
Der Erblasser hatte einem der Erben eine über seinen Tod hinaus wirksame Vorsorgevollmacht erteilt. Nach dem Tod des Erblassers widerrief die Klägerin die Vollmacht und unterrichtete darüber auch die beklagte kontoführende Bank des Erblassers. Gleichwohl wurden zulasten des Nachlasskontos danach Zahlungen ohne Mitwirkung der Klägerin ausgeführt. Deshalb machte die Klägerin gegenüber der Beklagten die Wiedergutschrift der ohne ihre Zustimmung abgebuchten Beträge auf dem Nachlasskonto geltend.
Das LG Aachen hat die beklagte Bank antragsgemäß zur Wiedergutschrift der abgebuchten Beträge verurteilt und diesen Anspruch mit § 675u Satz 2 BGB – der Haftung des Zahlungsdienstleisters für nicht autorisierte Zahlungsvorgänge – begründet.
Nach dieser Regelung muss der Zahlungsdienstleister einen Zahlungsbetrag unverzüglich erstatten, wenn die Belastung nicht ordnungsgemäß autorisiert worden ist. Die Autorisierung setzt gemäß § 675j Abs. 1 Satz 1 BGB die Zustimmung des Zahlungsdienstnutzers voraus, wobei diese ggf. auch durch einen Bevollmächtigten erteilt werden kann. Gemäß § 2040 Abs. 1 BGB können Erben über einen Nachlassgegenstand nur gemeinschaftlich verfügen. Allerdings sollte die Vollmacht über den Tod des Erblassers hinaus weitergelten, sodass diese nicht mit dem Tod des Kontoinhabers erloschen ist. Im vorliegenden Fall waren die Zahlungen zwar vom Bevollmächtigten veranlasst worden; da die Vorsorgevollmacht zwar über den Tod hinaus gelten sollte, jedoch nicht unwiderruflich war, konnte die Klägerin sie gemäß § 168 Satz 2 BGB widerrufen. Rechtlich zerfällt die Vollmacht allerdings mit dem Tod des Erblassers in Einzelvollmachten für jeden Miterben, d.h. sie gilt für jeden Erben so, als habe er selbst die Vollmacht erteilt, d.h. der Bevollmächtigte vertritt jeweils jeden Erben einzeln in seiner Miterbenposition. Widerruft ein Miterbe, bedeutet dies, dass der Bevollmächtigte nur den einen Erben nicht mehr vertritt, die anderen Erben aber auch weiterhin (BGH, Urt. v. 24.09.1959 – II ZR 46/59; Schubert in: MünchKomm BGB § 168 Rn. 54). Folglich hatte im vorliegenden Fall der Widerruf der Klägerin zur Folge, dass der Bevollmächtigte zwar Aufträge im Namen aller anderen Miterben erteilen konnte, aber für eine wirksame Autorisierung zusätzlich die Zustimmung der Klägerin brauchte. Da diese nicht vorlag, fehlte eine wirksame Autorisierung, weshalb die Beklagte die Zahlungen nicht hätte ausführen dürfen und folglich verpflichtet war, die abgebuchten Beträge wieder dem Nachlasskonto gutzuschreiben.
Dem Anspruch der Klägerin standen auch keine evtl. Gegenansprüche der Beklagten aus der Pflicht zur ordnungsgemäßen Verwaltung eines Nachlasses gemäß § 2038 Abs. 1 Satz 2 BGB entgegen. Entsprechende Ansprüche stehen nur den Miterben, nicht aber einer kontoführenden Bank zu (Löhring in: Staudinger, BGB, § 2038 Rn. 11). Deshalb waren die entsprechenden Einwendungen unerheblich.
Da die Klägerin auch ausdrücklich die Vorsorgevollmacht widerrufen hatte, konnte die Bank nicht von einer konkludenten Zustimmung oder einer Rechtfertigung der Zahlungen unter dem Gesichtspunkt der GoA ausgehen.

C. Kontext der Entscheidung

I. Die Entscheidung steht im Zusammenhang mit den Ansprüchen aus nicht autorisierten Zahlungen gegen das kontoführende Institut. Anknüpfungspunkt dafür ist im vorliegenden Fall die Autorisierung gemäß § 675j Abs. 1 Satz 1 BGB, denn ein Auftrag ist gegenüber dem (vermeintlichen) Zahler nur wirksam, wenn er ihn autorisiert hat, wobei die Autorisierung sowohl vor als auch nach der Zahlung – dann als Genehmigung – erklärt werden kann.
Im vorliegenden Fall ging es um die Wirksamkeit von durch einen Bevollmächtigten erteilten Zahlungen. Der (verstorbene) Kontoinhaber hatte einem Dritten eine Vollmacht gemäß § 164 BGB erteilt, die über den Tod hinaus Geltung haben sollte und die gemäß § 168 BGB deshalb auch nicht erloschen war (vgl. zur Weitergeltung einer Vollmacht über den Tod des Vollmachtgebers hinaus Ellenberger in: Palandt, BGB, § 168 Rn. 4). Da es sich beim Zahlungsauftrag gemäß § 675f Abs. 4 Satz 2 BGB um keine unvertretbare Handlung handelt, ist grundsätzlich auch der Bevollmächtigte berechtigt, entsprechende Aufträge im Namen des Vollmachtgebers zu erteilen. In dem der besprochenen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt war der Kontoinhaber zum Zeitpunkt der streitigen Aufträge bereits verstorben. Zwar ließ dies die Wirksamkeit der Vollmacht, die nicht auf die Lebenszeit des Kontoinhabers beschränkt war, unberührt, jedoch hatte eine der Miterbinnen die Vollmacht widerrufen.
Gemäß § 2040 Abs. 1 BGB können Erben über einen Nachlassgegenstand nur gemeinsam verfügen, doch folgt daraus nicht, dass eine vom Erblasser erteilte Vollmacht auch nur gemeinsam widerrufen werden kann. Vielmehr führt der Tod des Erblassers dazu, dass der Bevollmächtigte jeden Erben einzeln vertritt, d.h. dessen Rechte innerhalb der Erbengemeinschaft wahrnimmt. Folglich kann der einzelne Miterbe zwar nicht die Vollmacht in ihrer Gesamtheit widerrufen, wohl aber seine Vertretung. Davon hat hier die Klägerin Gebrauch gemacht. Da gemäß § 2040 Abs. 1 BGB nur alle Erben gemeinschaftlich verfügen können, hatte der Widerruf der Klägerin zur Folge, dass der Bevollmächtigte zwar befugt blieb, die anderen Miterben zu vertreten, nicht mehr aber sie. Da sie den entsprechenden Transkationen weder zugestimmt noch sie genehmigt hatte, erfolgten die Zahlungen ohne wirksame Autorisierung gemäß § 675j Abs. 1 Satz 1 BGB. Fehlt eine wirksame Autorisierung, muss der Zahlungsdienstleister gemäß § 675u Satz 2 BGB das Konto wieder auf den Stand bringen, den es ohne die nicht autorisierten Zahlungen gehabt hätte. Die Klägerin konnte diesen Anspruch zugunsten der Erbengemeinschaft geltend machen.
II. Auch wenn sich das Landgericht nicht mit der weiteren Frage beschäftigen musste, ob und ggf. gegenüber wem das beauftragte Institut Ansprüche geltend machen kann, stellt sich die weitere Frage, wie die betroffene Bank weiter vorgehen könnte. Dem Versuch der Beklagten, dem gegen sie gerichteten Anspruch die Einrede der unzulässigen Rechtsausübung gemäß § 242 BGB entgegenzuhalten, hat das Landgericht eine Absage erteilt. Selbst wenn die Zahlungen auf bestehende rechtliche Verbindlichkeiten erfolgt sein sollten, ergab sich nicht aus den Mitwirkungspflichten des Erben gemäß § 2038 Abs. 1 Satz 2 BGB, dass die Klägerin die Aufträge hätte genehmigen müssen, denn dieser Anspruch steht nur Miterben, nicht aber Dritten zu, weshalb die Beklagte nicht die Möglichkeit hatte, diesen Einwand vorzubringen.
III. Allerdings folgt aus der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Rückabwicklung nicht autorisierter Zahlungsvorgänge, dass das Zahlungsinstitut berechtigt ist, seine Ansprüche direkt gegen den Empfänger der Zahlung aus Nichtleistungskondiktion geltend zu machen (BGH, Urt. v. 02.06.2015 – XI ZR 327/14 und BGH, Urt. v. 16.06.2015 – XI ZR 243/13). Nach dieser Rechtsprechung ist der Vorrang der Leistungskondiktion aufgegeben und der Bank ein unmittelbarer Anspruch der Bank gegen den Empfänger gewährt worden, unabhängig davon, ob es sich aus der Sicht des Zahlungsempfängers um eine Leistung des vermeintlichen Zahlers handelt. Im vorliegenden Fall hätte dies zur Folge, dass das Zahlerinstitut seine Ansprüche gegen den jeweiligen Zahlungsempfänger unabhängig davon geltend machen kann, ob diesem im Valutaverhältnis ein Anspruch auf Zahlung gegen die Zahler, hier also der Erbengemeinschaft, zusteht.

D. Auswirkungen für die Praxis

Die unmittelbaren Auswirkungen der Entscheidung dürften eher gering sein, da darin keine grundsätzlichen Themen behandelt werden. Das entscheidende LG Aachen hat letztlich die Regelungen zur fehlenden Autorisierung und zur Erstattung bei nicht autorisierten Zahlungen konsequent angewendet. Auch die Auslegung von § 2040 Abs. 1 BGB im Zusammenhang mit dem Widerruf einer Vollmacht ist nicht neu. Hilfreich dürfte für das betroffene Institut die neuere höchstrichterliche Rechtsprechung zur Rückabwicklung von nicht autorisierten Zahlungsvorgängen sein, die in diesem Fall dem kontoführenden Institut einen Direktanspruch gegen den jeweiligen Zahlungsempfänger unter dem Gesichtspunkt der Nichtleistungskondiktion gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB gewährt. Aber darum ging es in der Entscheidung nicht. Das Urteil ist konsequent, jedoch für die Praxis nicht überraschend.

E. Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung

Neben den Regelungen zur Autorisierung und zu den Erstattungsansprüchen nach dem Recht der Zahlungsdienste liegen zwei weitere Schwerpunkte auf dem Erbrecht und dem Recht der Vollmacht. In erbrechtlicher Hinsicht enthält die Entscheidung aber keine Besonderheiten; es wird lediglich darauf hingewiesen, dass die Erben Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers gemäß § 1922 Abs. 1 BGB sind und gemäß § 2040 Abs. 1 BGB nur gemeinsam über den Nachlass verfügen können. Dabei handelt es sich aber um keine neuen Erkenntnisse. Ein weiterer Aspekt in der Entscheidung beschäftigt sich mit dem Widerruf einer durch den Erblasser erteilten Vollmacht durch nur einen Angehörigen der Erbengemeinschaft. Aber auch hier ergeben sich aus dem besprochenen Urteil keine neuen Aspekte. In ihm wird klargestellt, dass ein entsprechender Widerruf nicht zur Unwirksamkeit der Vollmacht in ihrer Gesamtheit führt, sondern der Bevollmächtigte nur nicht mehr befugt ist, den widerrufenden Miterben zu vertreten – wohl aber alle anderen. Deshalb gilt die Vollmacht für alle Miterben, die sie nicht widerrufen haben, fort. Verfügungen dürfen dann für alle anderen Miterben auch weiter durch den Bevollmächtigten veranlasst werden, doch muss zu einer wirksamen Autorisierung gemäß § 675j Abs. 1 Satz 1 BGB auch der widerrufende Miterbe einem Zahlungsauftrag (oder einer sonstigen Verfügung über das Kontoguthaben) zustimmen.

Rückzahlungsansprüche bei von einem Miterben widerrufener Vorsorgevollmacht des Erblassers
Carsten OehlmannRechtsanwalt
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