Nachfolgend ein Beitrag vom 24.5.2018 von Werner, jurisPR-HaGesR 5/2018 Anm. 5

Orientierungssätze

1. Eine analoge Anwendung von § 179a AktG auf Personengesellschaften kommt jedenfalls dann in Betracht, wenn der Gesellschaftsvertrag zu den Mehrheitserfordernissen bei dem in Rede stehenden Beschlussgegenstand keine Regelung enthält.
2. Die Grundsätze über die gesellschaftlichen Treuepflichten gelten auch bei Publikumspersonengesellschaften in der Rechtsform der KG und finden auf qualifizierte Treugeber dann Anwendung, wenn deren Rechtsstellung aufgrund der engen Verzahnung von Gesellschaftsvertrag und Treuhand auf dem Gesellschaftsvertrag und nicht bloß auf einer schuldrechtlichen Abrede mit der Gesellschaft beruht (BGH, Urt. v. 05.02.2013 – II ZR 134/11 und BGH, Urt. v. 05.02.2013 – II ZR 136/11).
3. Lässt sich anders als durch eine alsbaldige Veräußerung des Fondsobjekts eine dringend notwendige Rückführung der lediglich gestundeten und somit bei Widerruf der Stundung seitens der Bank wieder fälligen Verbindlichkeiten nicht realisieren und damit am Ende auch eine Inanspruchnahme der persönlich haftenden Gesellschafter nicht vermeiden, können die Gesellschafter unter Treuepflichtgesichtspunkten zur Mitwirkung an der schnellstmöglichen Veräußerung durch Erteilung ihrer Zustimmung verpflichtet sein.

A. Problemstellung

Nach § 179a Abs. 1 Satz 1 AktG bedarf ein Vertrag, durch den sich eine AG zur Übertragung des ganzen Gesellschaftsvermögens verpflichtet, ohne dass die Übertragung unter die Vorschriften des UmwG fällt, eines zustimmenden Hauptversammlungsbeschlusses. Nach dem BGH ist § 179a Abs. 1 Satz 1 AktG auf Personenhandelsgesellschaften analog anwendbar. Wird eine GmbH & Co. KG im Weg des asset deals verkauft, dann bedarf der Vertrag in analoger Anwendung von § 179a Abs. 1 Satz 1 AktG der Zustimmung der Gesellschafterversammlung. Die Fragestellung hat in jüngerer Zeit insbesondere in Zusammenhang mit in der Rechtsform der GmbH & Co. KG organisierten geschlossenen Immobilienfonds Interesse gefunden, die eine einzige Immobilie halten, die nach dem Ablauf des Ankermietvertrags nur nach kostenintensiver Renovierung neu vermietet werden kann und daher unter Druck veräußert werden soll.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

In dem vom OLG Düsseldorf entschiedenen Fall klagte eine Unternehmensgruppe, deren Geschäftsmodell darin besteht, Anteile von geschlossenen Fonds von Ersterwerbern zu erwerben und am Ende der Laufzeit gewinnbringend zu veräußern. Die Beklagte war eine als GmbH & Co. KG organisierte Publikumsgesellschaft, deren Gesellschaftszweck laut Gesellschaftsvertrag unter anderem der Erwerb und die Errichtung von Gebäuden war. Einziges Anlageobjekt war ein Golf- und Tagungshotel. Nach § 11 Nr. 7 des Gesellschaftsvertrags hatte die Gesellschafterversammlung über die Änderung des Gesellschaftsvertrags oder die Rechtsform des Unternehmens, die Übertragung des Unternehmens im Ganzen und die Auflösung des Unternehmens mit einer Mehrheit von drei Vierteln zu beschließen. Die Gesellschafter beschlossen am 13.10.2015 mit 48,16% der Stimmen bei 47,17% Nein-Stimmen und 4,67% Enthaltungen den Verkauf des Objekts.
Die Kommanditistin klagte daraufhin auf Feststellung der Nichtigkeit des besagten Zustimmungsbeschlusses. Insbesondere sei das erforderliche Dreiviertel-Quorum nicht erreicht worden. Denn wegen § 179a AktG analog sei eine einfache Mehrheit nicht ausreichend. Weiterhin hätte der Zustimmungsbeschluss analog § 130 Abs. 1 AktG und § 53 Abs. 2 AktG der notariellen Beurkundung bedurft.
Das LG Düsseldorf hatte die Klage als unbegründet abgewiesen. Der Beschluss hätte nicht aufgrund von § 11 Nr. 7 des Gesellschaftsvertrags mit Dreiviertelmehrheit gefasst werden müssen, da es nicht um die Auflösung der Gesellschaft ging. Nichts anderes ergebe sich aus § 179a AktG. In dem vom BGH entschiedenen Fall sei die Veräußerung ohne die Zustimmung der Gesellschafterversammlung erfolgt, so dass daraus nicht auf das Erfordernis einer qualifizierten Mehrheit geschlossen werden könne. Die Veräußerung der Immobilie sei dem Geschäftsmodell der Gesellschaft immanent und für die Gesellschafter von vornherein absehbar gewesen.
Das OLG Düsseldorf hat die Berufung der Klägerin als unbegründet abgewiesen.
§ 11 Nr. 7 des Gesellschaftsvertrags sei einschlägig. Zwar gehe es im konkreten Fall weder um eine Unternehmensveräußerung im Ganzen noch um eine Auflösung der Gesellschaft. Eine systematische Auslegung des Gesellschaftsvertrags führe jedoch dazu, dass das Zusammenspiel des Zustimmungskatalogs und der Regelung über die Auflösung der Gesellschaft bei einer Veräußerung der Fondsimmobilie eine Zustimmung mit Dreiviertelmehrheit erfordere. Aufgrund der Vergleichbarkeit und der Intensität des mit der Maßnahme verbundenen Eingriffs in die Gesellschafterrechte würde die Regelung umgangen, wenn die Veräußerung der einzigen Fondsimmobilie außerhalb des Auflösungsverfahrens nur eine einfache Mehrheit erfordern würde, wohingegen eine Auflösung nur nach einem förmlichen Auflösungsbeschluss mit Dreiviertelmehrheit erfolgen könnte.
Bei der Frage, ob de Tatbestand des § 179a AktG eröffnet ist, es sich also im konkreten Fall tatsächlich um eine Übertragung des Gesellschaftsvermögens im Ganzen handelt, stellt das OLG Düsseldorf auf die sog. qualitative Betrachtung ab. Hiernach soll § 179a AktG bereits eingreifen, wenn das Gesellschaftsvermögen nur fast vollständig übertragen werden soll und der Gesellschaft einzelne verhältnismäßig unbedeutende Vermögensgegenstände verbleiben. Dasselbe soll im Fall der Übertragung eines einzelnen Vermögensgegenstandes gelten, wenn er nahezu das gesamte Gesellschaftsvermögen ausmacht. Entscheidend soll sein, ob die übertragende Gesellschaft in der Lage ist, mit dem zurückbehaltenen Betriebsvermögen ihren satzungsmäßigen Unternehmensgegenstand selbstständig weiterzuverfolgen, wenn auch in einem lediglich eingeschränktem Umfang. Letztes hat das Oberlandesgericht im Hinblick auf den vorliegenden Fall verneint.
Dasselbe ergebe sich weiterhin aus § 179a AktG, der hier analog anwendbar sei, wenn der Gesellschaftsvertrag zu den Mehrheitserfordernissen im Hinblick auf den hier in Rede stehenden Beschlussgegenstand keine Regelung enthalte. Der Entscheidung des BGH vom 09.01.1995 (II ZR 24/94) sei zu entnehmen, dass der BGH den Rechtsgedanken von § 361 Abs. 1 AktG (heute § 179a AktG) in einem Fall der Übertragung des ganzen Gesellschaftsvermögens i.S.d. § 419 BGB für entsprechend anwendbar gehalten und daraus gefolgert habe, dass die mit der Veräußerung des von der Gesellschaft betriebenen Unternehmens verbundene Umgestaltung der Gesellschaft zu ihrer Wirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses bedürfe. Da sich der BGH nicht zur erforderlichen Beschlussmehrheit geäußert habe, könne daraus nicht geschlossen werden, das in diesem Fall eine qualifizierte Mehrheit erforderlich sei. Dies ergebe sich aus dem Sinn und Zweck des § 179a AktG.
Obwohl der Zustimmungsbeschluss danach grundsätzlich mit qualifizierter Mehrheit zu fassen gewesen wäre und ein solcher Beschluss nicht gefasst wurde, hält das OLG Düsseldorf dies im Ergebnis nicht für relevant, weil die Gesellschafter im konkreten Fall angesichts der desolaten wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft aufgrund ihrer gesellschafterlichen Treuepflicht dazu verpflichtet gewesen wären, der Veräußerung zuzustimmen, so dass die Klägerin sich nach § 242 BGB nicht auf die Unwirksamkeit dieses Beschlusses berufen könnte. Diese Schlussfolgerung beruht auf der Annahme des Oberlandesgerichts, dass die Veräußerung der Immobile alternativlos und der Klägerin zumutbar war. Aufgrund der Rechtsprechung des BGH zum Schutz des persönlich haftenden Gesellschafters hätten die beschränkt haftenden Kommanditisten bei der Ausübung ihrer Stimmrechte besondere Rücksicht auf den Komplementär zu nehmen, der im Gegensatz zu ihnen persönlich hafte.
Abschließend stellt das Gericht fest, dass der Zustimmungsbeschluss nicht der notariellen Beurkundung bedürfe. Dies folgt nicht aus einer Analogie zu § 179a AktG, da diese Norm selbst keine Formvorschriften enthält. Zwar postuliere § 130 Abs. 1 AktG für die AG und § 53 Abs. 2 GmbHG für die GmbH die Notwendigkeit einer Beurkundung für bestimmte Gesellschafterbeschlüsse. Voraussetzung für eine analoge Anwendung der Regelung wäre jedoch eine planwidrige Regelungslücke. Die §§ 116, 119 HGB enthalten jedoch gerade keine Formvorschriften für die Beschlussfassung der Gesellschafter. Anders als bei der GmbH ist auch der Gesellschaftsvertrag selbst bei der Personengesellschaft nicht beurkundungsbedürftig. Kriterien für die Annahme einer Regelungslücke und eines vergleichbaren regelungsbedürftigen Sachverhalts mochte das Gericht nicht erkennen.

C. Kontext der Entscheidung

Die Entscheidung ist in ihrer Begründung aus mehreren Gründen problematisch. Problematisch ist zunächst der Ansatz, eine Gleichstellung mit dem Fall der Auflösung zunächst abzulehnen, dann aber aufgrund einer systematischen Auslegung des Vertrages zu befürworten. Problemtisch ist weiterhin die vom Oberlandesgericht befürwortete Anwendung des § 179 AktG, die daraus abgeleitet wird, dass der Gesellschaftsvertrag den Verkauf der Fondsimmobilie nicht ausdrücklich regelt. Damit kehrt das Oberlandesgericht zum Bestimmtheitsgrundsatz zurück, dessen Geltung der BGH jedoch für Publikumsgesellschaftern schon vor langer Zeit verworfen hat. Problematisch ist weiterhin die Annahme einer Zustimmungspflicht der Kommanditisten. Im Rahmen der Veräußerungsentscheidung ist eine Vielzahl kaufmännischer Zweckmäßigkeitsüberlegungen anzustellen. Insoweit liegt es im Ermessen der Gesellschafter festzulegen, was in ihrem Sinne sachdienlich und sinnvoll ist.
Zu begrüßen ist in jedem Fall die Begründung, mit der das Gericht die Notwendigkeit einer Beurkundung des der Veräußerung zustimmenden Beschlusses abgelehnt hat. Aufgrund der besonderen Bedeutung des § 109 HGB, durch den sich die KG in ihrer Organisation und in der Rolle der Gesellschafter in ganz erheblichem Maße von der AG und auch der GmbH unterscheidet, hängt das Schutzbedürfnis der Kommanditisten und seine Vergleichbarkeit mit dem Schutzbedürfnis der Aktionäre bzw. GmbH-Gesellschafter ganz wesentlich von der Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrags ab. Dieser sieht aber in der Regel gerade nicht vor, dass entsprechende Zustimmungsbeschlüsse der notariellen Beurkundung bedürfen. Eine pauschale und schematische analoge Anwendung des § 130 Abs. 1 AktG auf Kommanditgesellschaften verbietet sich somit, da sie auf die reine Fiktion einer Regelungslücke hinauslaufen würde.

D. Auswirkungen für die Praxis

Geschlossene Fonds werden regelmäßig mit der Problematik des § 179a AktG konfrontiert, wenn sie ihren einzigen Vermögensgegenstand veräußern wollen. Aufgrund der Entscheidung des BGH vom 09.01.1995 (II ZR 24/94) ist § 179a AktG analog anwendbar. Die Anwendung der Regelung ist im Detail umstritten. Auch die vorliegende Entscheidung trägt eher dazu bei, die in diesem Zusammenhang bestehende Rechtsunsicherheit zu vermeiden anstatt zu vermindern. Aus Sicherheitsgründen sollten die Vorgaben die der § 179a AktG für das Zustandekommen entsprechender Beschlüsse macht, im konkreten Fall grundsätzlich beachtet werden. Nicht erforderlich ist jedoch in diesem Fall eine notarielle Beurkundung des Beschlusses, mit dem die Gesellschafter der Veräußerung der Fondsimmobilie bzw. des gesamten Vermögens der Gesellschaft ihre Zustimmung erteilen.

Beschlussfassung über Veräußerung des einzigen werthaltigen Vermögenswertes bei einer Publikums-KG
Thomas HansenRechtsanwalt
  • Fachanwalt für Steuerrecht
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