Nachfolgend ein Beitrag vom 17.1.2017 von Schnauder, jurisPR-BKR 1/2017 Anm. 1
Leitsätze
1. Schließen mehrere Verbraucher als Darlehensnehmer mit einem Unternehmer als Darlehensgeber einen Verbraucherdarlehensvertrag, kann jeder von ihnen seine auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung selbstständig widerrufen. Die Rechtswirkungen des Widerrufs im Verhältnis zwischen dem Darlehensgeber und den übrigen Darlehensnehmern richten sich nach § 139 BGB.
2. Zur Gesetzlichkeitsfiktion einer Widerrufsbelehrung, die das Muster für die Widerrufsbelehrung um den Zusatz ergänzt, bei mehreren Darlehensnehmern könne jeder Darlehensnehmer seine Willenserklärung gesondert widerrufen.
3. Der Ausübung eines mangels ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung nicht befristeten Widerrufsrechts steht grundsätzlich nicht entgegen, dass die Parteien den Verbraucherdarlehensvertrag zuvor gegen Leistung eines Aufhebungsentgelts einverständlich beendet haben.
4. Zur Verwirkung des Widerrufsrechts bei vorzeitig einvernehmlich beendeten Verbraucherdarlehensverträgen.
A. Problemstellung
Die für die Sammlung BGHZ vorgesehene Leitsatzentscheidung des XI. Zivilsenats des BGH behandelt den in der Praxis der Immobilienfinanzierung häufig vorkommenden Fall, dass der Darlehensnehmer den Realkredit aus Anlass der Veräußerung der Immobilie vor dem für die Rückführung der Valuta vereinbarten Zeitpunkt im Wege der Ablösung durch ein Drittinstitut zurückzahlen will. In einem solchen Fall ist die Bank zu einer Aufhebungsvereinbarung regelmäßig nur gegen Zahlung eines Vorfälligkeitsentgelts bereit. Wenn sodann nach Abwicklung dieses Geschäfts der Verbraucher den Widerruf seiner Willenserklärung auf Abschluss des (inzwischen beendeten) Darlehensvertrages erklärt, stellen sich verschiedene Fragen, denen das vorliegende Urteil nachgeht. Es vermag jedoch nicht in allen Punkten zu überzeugen.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Kläger, zwei Piloten, erhielten von der beklagten Landesbank Baden-Württemberg im Jahr 2004 mehrere Verbraucherdarlehen in Höhe von insgesamt 997.000 Euro zur Ablösung eines bestehenden Immobiliarkredits. Die hierzu erteilte Widerrufsbelehrung orientierte sich an dem amtlichen Muster (Fristbeginn: „frühestens“), ließ jedoch die dort vorgegebene Zwischenüberschrift „Widerrufsrecht“ aus, kumulierte unter der Überschrift „Finanzierte Geschäfte“ den alternativen Hinweis für Darlehensverträge und für den finanzierten Erwerb eines Grundstücks oder eines grundstücksgleichen Rechts und fügte der Belehrung noch eine Ergänzung für „Mehrere Darlehensnehmer“ an, wonach „jeder Darlehensnehmer seine Willenserklärung gesondert widerrufen kann“.
Als die Kläger im Jahre 2012 die Immobilie veräußern wollten und sich deswegen an die Beklagte wandten, bot diese ihnen die „Aufhebung der Darlehen“ gegen Zahlung eines Aufhebungsentgelts von insgesamt 64.670,64 Euro an. Die Kläger nahmen das Angebot am 17.04.2012 an. Am 09.10.2013 widerriefen sie ihre Darlehensvertragserklärungen. Sie begehren Erstattung der von ihnen geleisteten Aufhebungsentgelte und verlangten die Herausgabe der hieraus gezogenen Nutzungen i.H.v. fünf Prozentpunkten über Basiszinssatz.
Während das LG Stuttgart der Klage in vollem Umfang stattgab, minderte das OLG Stuttgart den Nutzungsersatz auf 2,5 Prozentpunkte über Basiszins und wies die Berufung der Beklagten im Übrigen zurück. Auf die – vom Oberlandesgericht zugelassene – Revision wies der Senat die Rechtssache unter Aufhebung des Berufungsurteils an das Berufungsgericht zurück. Auch nach Auffassung des Senats entsprach die Widerrufsbelehrung nicht den gesetzlichen Vorgaben, so dass der Widerruf der Kläger wirksam ist. Zwar gebe es an der Belehrung nichts auszusetzen, soweit die Beklagte, ohne hierzu verpflichtet zu sein, die mehreren Darlehensnehmer auf ihre Einzelbefugnis zur Ausübung des Widerrufsrechts hingewiesen habe. Jedem Verbraucher stehe unabhängig von dem Mitdarlehensnehmer ein eigenständiges Widerrufsrecht zu, das im Falle seiner Ausübung den ganzen Vertrag nach § 139 BGB regelmäßig in ein Rückabwicklungsschuldverhältnis umwandelt (Leitsatz 1). Daher sei der zusätzlich von der Beklagten aufgenommene Hinweis, auch soweit er die Rechtsfolgen des Widerrufs jedes der mehreren Darlehensnehmer betreffe, jedenfalls der Sache nach richtig (Rn. 22 a.E.).
Diese rechtlich richtige Information, die über die vom Muster für die Widerrufsbelehrung behandelten Themen hinausgehe, führe nicht zum Verlust der Gesetzlichkeitsfiktion des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV. Denn es handele sich insoweit um eine inhaltliche Vervollständigung des Mustertextes (Leitsatz 2).
Der Senat hat dabei jedoch völlig übersehen, dass die in den Leitsätzen 1 und 2 behandelten Rechtsfragen bereits Gegenstand des Urteils des 6. Zivilsenats des OLG Stuttgart vom 20.05.2014 (6 U 182/13) gewesen sind und er die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger mit Beschluss vom 07.07.2015 (XI ZR 253/14) kurzerhand und – wie üblich – ohne nähere Begründung zurückgewiesen hat.
Gleichwohl könne sich die Beklagte nicht auf die Musterbelehrung berufen, weil sie diese einer inhaltlichen Bearbeitung (Auslassung der Zwischenüberschrift und Kombination der Texte zum finanzierten Geschäft) unterzogen habe (Rn. 27). Daher sei mangels wirksamer Belehrung die Widerrufsfrist nicht angelaufen, so dass der Widerruf noch im Jahr 2013 habe wirksam erklärt werden können. Dem stehe insbesondere nicht entgegen, dass die Parteien im Jahr zuvor die Darlehensverträge einvernehmlich „aufgehoben“, d.h. vorzeitig beendet haben. Allerdings gebe der Umstand, dass die Vertragsbeendigung auf den Wunsch der Verbraucher zurückgehe, in besonderem Maße Anlass zur Prüfung, ob das Vertrauen des Unternehmens auf ein Unterbleiben des Widerrufs schutzwürdig sein könne. Dieser Frage sei das Oberlandesgericht nicht hinreichend nachgegangen. Es habe schon den für das Zeitmoment maßgeblichen Zeitpunkt (Zustandekommen des Verbrauchervertrages, hier: im Jahre 2004) verfehlt und außerdem gegen eine Verwirkung das Fehlen einer Nachbelehrung ins Feld geführt, die aber nach Beendigung der Verträge von der Beklagten nicht habe erwartet werden können (Rn. 31).
Rechtlich nicht zu beanstanden sei schließlich, dass das Oberlandesgericht den Anspruch auf Erstattung des Aufhebungsentgelts aus § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. i.V.m. § 346 Abs. 1 BGB hergeleitet habe. Obwohl das Berufungsgericht eine explizite Begründung hierfür nicht gegeben hat, weiß sich der XI. Zivilsenat mit dem Berufungsgericht darin einig, „die Kläger hätten die Aufhebungsentgelte in Erfüllung von sich aus den modifizierten Darlehensverträgen ergebenden Forderungen“ geleistet (Rn. 34). Denn die Auslegung des der „Aufhebungsvereinbarung“ zugrunde liegenden Parteiwillens ergebe („aus den gesamten Fallumständen“), dass kein neuer Schuldgrund geschaffen, sondern lediglich (vorzeitig) auf das Darlehen selbst gezahlt werden sollte (Rn. 33). Daher seien die Zahlungen nach Darlehenswiderruf als „empfangene Leistungen“ zurück zu gewähren.
C. Kontext der Entscheidung
Wie bei allen Widerrufsfällen waren auch hier die Gesichtspunkte des (auf Lösung vom Vertrag gerichteten) Verbraucherschutzes und des (auf Bindung an den Vertrag gerichteten) Vertrauensschutzes des Unternehmers auf unterschiedlichen Ebenen in Ausgleich zu bringen. Während der Schutzzweck des Widerrufsrechts bei Begründung der Einzelbefugnis vom Senat weit gezogen wird, kann sich der Unternehmer für seine Gegenrechte nicht in gleichem Maße auf Vertrauensschutz berufen, was die Gesetzlichkeitsfiktion des Musters gemäß Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV a.F. (I.) und den Einwand der Verwirkung des Widerrufsrechts angeht (II.). Die am Ende vom Senat als Anspruchsgrundlage für das klägerische Begehren herangezogenen Rückabwicklungsregeln gemäß den §§ 357, 346 BGB begegnen durchgreifenden Bedenken (III.).
I. Die Versagung der Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV
Während auf der einen Seite der Schutz eines jeden von mehreren Darlehensnehmern vor dem Interesse aller anderen am Fortbestand des Verbrauchervertrages zugunsten der Einzelbefugnis wirken (Rn. 14) und gegenüber der Rechtslage bei Kündigung „Vorrang“ genießen (Rn. 15) sowie § 351 Abs. 1 Satz 1 BGB entgegen der Verweisung des § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. „aus der Natur des Verbraucherwiderrufsrechts“ ausgeschlossen sein soll (Rn. 20), kommt der Unternehmer auf der anderen Seite nicht so leicht in den Genuss der legislatorischen Schutzwirkung nach der BGB-Informationspflichten-Verordnung.
Den Kriterien hierfür ist der XI. Zivilsenat des BGH in seinem Urteil vom 12.07.2016 (XI ZR 564/15 Rn. 22 ff.) nachgegangen und hat dabei die Grenze der für den Erhalt der Gesetzlichkeitsfiktion unschädlichen Abweichungen nach § 14 Abs. 3 BGB-InfoV a.F. ausgeleuchtet. Danach sollen Abweichungen, welche die Deutlichkeit der Belehrung nicht schmälern, nicht aus der Schutzwirkung der Verordnung führen. Welche Abänderungen jedoch im konkreten Einzelfall den zugunsten der Kreditgeber aufgestellten Schutz entfallen und die Gesetzlichkeitsfiktion verlorengehen lassen, ist auch nach dieser Rechtsprechung nicht einfach zu beurteilen.
So versteht es sich nicht von selbst, dass der im Streitfall von der Beklagten der Musterbelehrung angehängte Zusatz in Bezug auf die Einzelrechtsbefugnis der mehreren Darlehensnehmer unschädlich und nicht als abändernde Bearbeitung zu verstehen sein soll. Der BGH begründet dies mit dem Argument, insoweit handele es sich um eine ergänzende und rechtlich zutreffende Information, die nicht in den Mustertext eingreife und auch keine darauf bezogene Angabe enthalte, also m.a.W. den amtlichen Widerrufstext lediglich zutreffend inhaltlich „vervollständige“ (Rn. 27). Aber das ist nicht zweifelsfrei, weil die Ergänzung doch auch Bezug auf die Person des Widerrufsberechtigten selbst nimmt, die eingangs der Musterbelehrung (und im Weiteren) mit der dritten Person Singular umschrieben wird.
Dagegen soll ein schädlicher Eingriff im Sinne einer inhaltlichen Bearbeitung allein schon dann vorliegen, wenn die Beklagte die im Muster vorgegebene Zwischenüberschrift „Widerrufsrecht“ weggelassen hat (Rn. 27). Nach einer ebenfalls neueren Entscheidung des BGH (Urt. v. 22.11.2016 – XI ZR 434/15) soll vom Übereilungsschutz des Verbrauchers auch dessen Interesse an der Angabe der für die Darlehensgeberin zuständigen Aufsichtsbehörde erfasst sein. Ebenso soll der Umstand, dass die am Mustertext ausgerichtete Belehrung des Kreditgebers die von dem Gestaltungshinweis 3 geforderte Angabe der „ladungsfähigen“ Anschrift nicht enthält, in jedem Fall aus dem Schutzbereich der BGB-Informationspflichten-Verordnung herausführen (dazu BGH, Urt. v. 12.07.2016 – XI ZR 564/15 Rn. 16 und 25). Bei der kleinlichen und eher rabulistischen Anwendung erweisen sich die legislatorischen Vorgaben zum Schutz des Unternehmers vor dem drohenden „ewigen Widerrufsrecht“ des Verbrauchers unter dem Signum des übergeordneten Verbraucherschutzes für die Darlehensgeber eher als Fallstricke mit einem enormen Schadenspotential.
II. Das im Verwirkungstatbestand geschützte Unternehmervertrauen
Mit der neuen Entscheidung ist der XI. Zivilsenat BGH jedoch ersichtlich geneigt, dem Vertrauen des Unternehmers auf ein Unterbleiben des Widerrufs mit Rücksicht auf die vor der Fälligkeit des Darlehens einvernehmlich erfolgte Ablösung das Tor zu öffnen. Damit soll offenbar ein Gegengewicht zu der großzügigen Verbraucherschutzrechtsprechung geschaffen werden. Der Senat macht dem Berufungsgericht zum Vorwurf, maßgebliche rechtliche Parameter nicht in den Blick genommen zu haben, nämlich den bei der Bemessung des Zeitmoments entscheidenden Zeitpunkt des Vertragsschlusses sowie im Hinblick auf das Umstandsmoment die erhebliche Tatsache, dass die Parteien die Darlehensverträge vorzeitig einverständlich beendet haben. Dem müsse Gewicht bei der Prüfung des die Verwirkung rechtfertigenden Vertrauensschutzes zukommen (Rn. 31). Hinter diesen rechtlichen Anforderungen soll das Berufungsurteil zurückbleiben, so dass es allein aus diesem Grund aufgehoben und die Rechtssache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen worden ist.
Das befremdet einigermaßen. Liest man nämlich die entsprechende Passage im aufgehobenen Urteil, so stellt man fest, dass der 6. Zivilsenat des OLG Stuttgart den Verwirkungseinwand letztlich an dem mangelnden Vortrag der Beklagten scheitern ließ. Es fehlte schon an der Darlegung von Umständen, welche ein Vertrauen der Beklagten darauf hätten begründen können, die zum Widerruf berechtigten Kläger würden von ihrem Recht nicht mehr Gebrauch machen, so dass die Beklagte sich darauf habe einrichten dürfen und tatsächlich auch eingerichtet habe (OLG Stuttgart, Urt. v. 13.10.2015 – 6 U 174/14 Rn. 48). Das Oberlandesgericht wird in dem wiedereröffneten Berufungsverfahren daher nicht so recht wissen, aufgrund welchen Vortrags ein Vertrauenstatbestand zugunsten der Beklagten begründet werden soll. Eine „Segelanweisung“ des BGH fehlt.
Jedenfalls wird dafür die vom BGH ins Spiel gebrachte einvernehmliche Beendigung des Darlehens im Zuge der Ablösung durch ein Fremdinstitut nicht genügen. Auch auf den bloßen Zeitablauf vom Vertragsschluss bis zur Widerrufserklärung kann es nicht weiter ankommen. Ein schutzwürdiges Vertrauen der Bank scheidet in Fällen dieser Art nämlich schon deshalb aus, weil die Bank es noch bei Darlehensablösung selbst in der Hand hatte, durch eine nachträglich erteilte wirksame Belehrung den Lauf der – dann auf einen Monat verlängerten – Frist (vgl. § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB in der bis 10.06.2010 gültigen Fassung und § 355 Abs. 2 Satz 3 BGB, gültig bis zum 12.06.2016; vgl. jetzt § 492 Abs. 6 BGB) in Gang zu setzen und auf diese Weise den Schwebezustand zu beenden (OLG Karlsruhe, Urt. v. 22.11.2016 – 17 U 176/15).
Im Streitfall war eine Nachbelehrung der Kläger im Zusammenhang mit ihrer Bitte um vorzeitige Rückzahlung der Valuten möglich und – nach der Wertung des Gesetzgebers – auch zumutbar. Der Fall liegt anders als die Streitsache XI ZR 501/15, wo der Darlehensnehmer das Darlehen bereits seit vielen Jahren vollständig und vertragsgemäß getilgt hatte (BGH, Urt. v. 12.07.2016 – XI ZR 501/15 Rn. 3, 41). Soweit der Senat nunmehr an diese Entscheidung anknüpft (Rn. 30), übersieht er diesen entscheidungserheblichen Unterschied. Es geht in dem vorliegenden Rechtsstreit nicht darum, dass eine Nachbelehrung nach Beendigung der Darlehensverträge nicht mehr sinnvoll möglich ist und daher selbstverständlich von der Beklagten auch nicht mehr erwartet werden kann (so aber Rn. 31). Vielmehr hätte die Beklagte ohne weiteres von der Möglichkeit zur Nachbelehrung Gebrauch machen können, als die Kläger im Jahr 2012 im Zusammenhang mit der Veräußerung der Immobilie an sie mit dem Wunsch herangetreten sind, das Darlehen vorzeitig zurückzahlen zu dürfen. Anstelle der Nachbelehrung bot die Beklagte den Klägern jedoch am 13.04.2012 lediglich die Aufhebung der Darlehensverträge gegen Zahlung eines Aufhebungsentgelts an und wies sie gerade nicht auf die bestehende Widerrufsmöglichkeit hin.
Wie die Beklagte auf dieser tatsächlichen Grundlage Vertrauensschutz für sich in Anspruch nehmen können soll, erschließt sich nicht. Denn die Beklagte war nach der maßgeblichen Interessenbewertung des Gesetzgebers in der Lage, gerade vor Beendigung der Darlehensverträge mittels der Nachbelehrung der Verbraucher für klare Rechtsverhältnisse zu sorgen und so den Konflikt selbst aufzulösen. Daher kann dem Umstand der einverständlichen Beendigung des Darlehensvertrages hier kein Gewicht beim Aufbau von schutzwürdigem Vertrauen der Beklagten auf ein Unterbleiben des Widerrufs zukommen. Die Beklagte wollte vielmehr, was verständlich ist und naheliegt, „keine schlafenden Hunde wecken“ (Lechner, WM 2015, 2165, 2167). Eine Vertrauensinvestition hat sie gerade nicht vorgenommen.
III. Die rechtliche Grundlage des Anspruchs auf Erstattung des Vorfälligkeitsentgelts
Schließlich hat sich der Senat noch obiter (Rn. 32-34) zur Anspruchsgrundlage geäußert, die das OLG Stuttgart ohne nähere Begründung § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. i.V.m. § 346 Abs. 1 BGB entnommen hat (ebenso OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.04.2015 – 17 U 127/14 Rn. 16; OLG Frankfurt, Beschl. v. 02.09.2015 – 23 U 24/15 Rn. 21; OLG Stuttgart, Urt. v. 29.09.2015 – 6 U 21/15 Rn. 72; OLG Hamm, Urt. v. 04.11.2015 – 31 U 64/15, Rn. 21; OLG Frankfurt, Urt. v. 27.01.2016 – 17 U 16/15 Rn. 36; OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.01.2016 – 7 U 21/15 Rn. 58).
Diese Rechtsauffassung stößt allerdings auf Bedenken. Denn die Kläger haben die Abstandszahlungen gerade nicht aufgrund einer aus den Darlehensverträgen selbst übernommenen Verpflichtung an die Beklagte erbracht, sondern allein auf der Grundlage der Aufhebungsvereinbarung vom April 2012 (vgl. OLG Karlsruhe, Urt. v. 22.11.2016 – 17 U 176/15). Demgegenüber meint der XI. Zivilsenat des BGH, die Kläger hätten „die Aufhebungsentgelte auf eine aus den Darlehensverträgen resultierende Verpflichtung“ geleistet (Rn. 34 und Rn. 32), so dass die Zahlungen bei wirksamem Widerruf der Darlehensverträge als „empfangene Leistungen“ i.S.d. § 346 Abs. 1 BGB zurück zu gewähren seien.
Nur mithilfe einer konstruktiven Volte gelingt es dem BGH, die Verpflichtung der Darlehensnehmer zur Leistung des Vorfälligkeitsentgelts zum unmittelbaren Inhalt des Darlehensvertrags zu erklären. Hierzu lässt er sich auf die tatrichterliche Ebene der Auslegung des Parteiwillens ein. Er kommt dabei jedoch nicht über eine paraphrasierende Kommentierung des wirtschaftlichen Ziels der Parteien hinaus, die lediglich im Ergebnis so gestellt werden wollen, wie sie bei vertragsgemäßer Fortführung der Darlehen stehen würden. Die Vorverlegung des Erfüllungszeitpunktes ist jedoch „streng genommen“ gar keine schuldrechtliche Vereinbarung, sondern ein Verfügungsgeschäft, das unmittelbar auf den Inhalt des Schuldvertrages einwirkt. Aus dem so „modifizierten“ Vertrag entspringt nicht die Forderung der Darlehensgeberin auf Zahlung der Ausgleichssumme. Sie folgt vielmehr aus der eigenständigen Leistungsverpflichtung des Darlehensnehmers, die dieser im Austausch gegen die Vorverlagerung des Fälligkeitszeitpunktes abgibt. Die entgeltliche Vereinbarung der Vertragsparteien über die vorzeitige Erfüllung des Rückzahlungsanspruchs erweitert jedoch das vertragliche Leistungsprogramm als solches nicht um das gesondert vereinbarte Aufhebungsentgelt. Dieses empfängt der Darlehensgeber daher gerade nicht im Hinblick auf das vertragliche Leistungsversprechen. Die abweichende „Einschätzung“ des Senats (Rn. 34) greift zu kurz, weil sie die Leistungsversprechen des Darlehensnehmers in einen (Schuldrechts-)Topf wirft und „zusammenrührt“.
Nicht jede im Rahmen eines laufenden Vertrags erbrachte Leistung ist eine i.S.d. § 346 Abs. 1 BGB empfangene Vertragsleistung, die dem Rückabwicklungsregime nach Rücktrittsrecht unterliegt. Das gilt etwa auch für eine zum Zwecke der Abwicklung der Darlehensrückzahlungsverpflichtung vom Darlehensnehmer bestellte Sicherheit. Sie kann nach Widerruf der Darlehensvertragserklärung vom Darlehensnehmer jedenfalls nicht nach § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. i.V.m. § 346 Abs. 1 BGB zurückverlangt werden (a.A. BGH, Beschl. vom 19.01.2016 – XI ZR 200/15 Rn. 12), sondern erst dann, wenn sich der Sicherungszweck gemäß der Sicherungszweckvereinbarung der Parteien erledigt hat (Schnauder, jurisPR-BKR 10/2016 Anm. 1 unter D.). Mit der Bestellung der Sicherheit erfüllt der Darlehensnehmer nicht sein Leistungsversprechen gemäß § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB.