Nachfolgend ein Beitrag vom 17.1.2017 von Martens, jurisPR-BKR 1/2017 Anm. 5

Leitsätze

1. Der Unternehmer, der sich für das konkrete Rechtsgeschäft auf die Schutzvorschriften des Verbraucherrechts beruft, genügt seiner Darlegungslast nicht, sofern er nur zu der inneren Tatsache des mit dem Rechtsgeschäft subjektiv verfolgten Zwecks ausführt.
2. Eines gesonderten Hinweises des Berufungsgerichts bedarf es nicht, wenn der tragende Gesichtspunkt zwar nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Urteils, aber Gegenstand der Erörterung in der dortigen mündlichen Verhandlung gewesen ist und die Partei Gelegenheit gehabt hat, sich gemäß der ihr nach § 138 Abs. 1 ZPO obliegenden Pflicht vollständig zu erklären.

A. Problemstellung

Die Verbrauchereigenschaft i.S.d. § 13 BGB ist Grundvoraussetzung für die Eröffnung des persönlichen Anwendungsbereichs des Verbraucherschutzrechts des BGB. Die Einordnung als Verbraucher oder Unternehmer ist insofern von elementarer Bedeutung und zeigt sich in seinen weitreichenden rechtlichen Folgen im Darlehensrecht vor allem in den Belehrungs- und Informationspflichten des Darlehensgebers nach § 492 BGB i.V.m. Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB und dem durch die §§ 495 Abs. 1, 355 BGB eingeräumten Widerrufsrecht. Ob und wann eine Person als Verbraucher handelt, ist dabei unabhängig von der konkreten Schutzbedürftigkeit des Einzelnen wertungsneutral einzig an der Zwecksetzung des rechtlichen Handelns festzumachen (ausführlich Kannowski in: Staudinger, BGB, 2013, § 13 Rn. 41).
Der maßgebliche Zweck als gewerbliches bzw. selbstständig berufliches Handeln auf der einen oder der privaten Besorgung auf der anderen Seite steht in einem nicht unerheblichen Spannungsfeld zwischen subjektiver (innerer) Intention und einer nach außen kommunizierten oder wenigstens manifestierten objektiven Handlungsabsicht. Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben sich dabei insbesondere, wenn Darlehen – wie dies in der Praxis häufig der Fall ist – nicht nur einem Zweck dienen, sondern sowohl zu einer unternehmerischen wie auch privaten Finanzierung aufgenommen wurden (zum sog. dual use Saenger in: Erman, BGB, 14. Aufl., § 13 Rn. 17 m.w.N.). Gleiches gilt bei zunächst unternehmerischen Geschäftsbeziehungen, in deren Rahmen später sodann auch private Rechtsgeschäfte geschlossen werden.
Im Lichte dieser Probleme setzt sich das OLG Frankfurt in der besprochenen Entscheidung mit der Frage der Zweckbestimmung einer Darlehensaufnahme, deren Feststellungskriterien und prozessualen Darlegungs- und Beweislast auseinander.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der Kläger betreibt – neben eigenem erheblichen Immobilienvermögen – eine Immobilienverwaltung, für deren jeweilig anfallende Bürotätigkeiten er eigens einen Mitarbeiter beschäftigt. In diesem Zusammenhang präsentierte der Kläger gegenüber der Rechtsvorgängerin der Beklagten im Jahr 2008 seine unternehmerischen Ziele und nahm bei dieser zum Ende des Jahres mehrere Darlehen zur Finanzierung dreier Immobilien auf. In diesem Zusammenhang kündigte der Kläger auch bereits einen entsprechenden unternehmerischen Finanzierungsbedarf im Folgejahr über rund 4,8 Mio. Euro an. Im Jahr 2011 veräußerte der Kläger sodann die als Beleihungsobjekte der in 2008 aufgenommenen Darlehen dienenden Grundstücke und führte die drei Darlehen einschließlich einer jeweiligen Vorfälligkeitsentschädigung und eines Bearbeitungsentgelts an die Beklagte vorzeitig zurück.
Bezüglich eines der drei Darlehen, das laut Kreditvertrag der „Baufinanzierung“ betreffend der Liegenschaft … in Stadt 1 dienen sollte, erklärte der Kläger im Jahr 2014 den Widerruf seiner dem Vertragsschluss zugrunde liegenden Willenserklärung. Vor dem Hintergrund, dass die mit dem Darlehen finanzierte Immobilie zu seinem Privatvermögen zählen sollte und hier u.a. für die Altersvorsorge des Klägers gedacht gewesen sei, hätte die Beklagte es pflichtwidrig unterlassen, ihn über ein gemäß den §§ 491, 495, 355 BGB bestehendes Widerrufsrecht zu informieren. Mit Widerruf stehe ihm eine Rückzahlung der insofern zu Unrecht gezahlten Vorfälligkeitsentschädigung (und des Bearbeitungsentgelts) zu.
Das erstinstanzlich urteilende Landgericht wies die über das Bearbeitungsentgelt hinausgehende Klage als unbegründet ab. In der Berufungsinstanz, in der der Kläger die Rückzahlung der Vorfälligkeitsentschädigung weiter verfolgte, wies nun auch das OLG Frankfurt die Berufung zurück.
Zur Begründung führt das Oberlandesgericht an, dass dem Kläger mangels Verbrauchereigenschaft kein Widerrufsrecht zustand, weshalb zu dessen Gunsten kein Rückforderungsanspruch hinsichtlich der gezahlten Vorfälligkeitsentschädigung bestanden habe. Allein ein Vortrag, dass eine Finanzierung zu privaten Zwecken „gedacht gewesen“ sei, reiche nicht aus, um die Voraussetzungen des § 13 BGB schlüssig darzulegen. Ein insofern ausschließlich bezüglich der inneren Motivation angebotener Zeugenbeweis sei vor diesem Hintergrund unergiebig. Die Verbrauchereigenschaft des § 13 BGB erfordere vielmehr eine objektiv zu bestimmende Zweckrichtung des geschlossenen Vertrages als weder gewerbliches noch selbstständig berufliches Handeln (vgl. BGH, Urt. v. 15.11.2007 – III ZR 295/06 – NJW 2008, 435).

C. Kontext der Entscheidung

Mit seiner Forderung nach einer objektiven Bestimmung der Zweckrichtung als privates Handeln schließt sich das OLG Frankfurt der von dem III. Zivilsenat des BGH vertretenen Rechtsaufassung an (BGH, Beschl. v. 24.02.2005 – III ZB 36/04 – BGHZ 162, 253; BGH, Urt. v. 15.11.2007 – III ZR 295/06 – NJW 2008, 435). Objektive Abgrenzungskriterien sind neben dem auslegungsbedürftigen Vertragsinhalt vor allem die dem Vertragsschluss zugrundeliegenden Umstände. Einer nicht nach außen erkennbar gewordenen inneren Motivation des Handelnden kann dementsprechend keine verbraucherrechtsbegründende Bedeutung zukommen (Kannowski in: Staudinger, BGB, § 13 Rn. 42). Die Notwendigkeit einer Abgrenzung nach objektiven Gesichtspunkten spiegelt dabei die vorwiegende Meinung wider (vgl. etwa OLG Karlsruhe, Urt. v. 06.10.2011 – 9 U 8/11 – NJW-RR 2012, 289; OLG Bremen, Urt. v. 11.03.2004 – 2 U 99/03 – ZGS 2004, 394; Matusche-Beckmann in: Staudinger, BGB, § 474 Rn. 12; Saenger in: Erman, BGB, § 13 Rn. 19; Ebers, VuR 2005, 361, 365).
Zu Recht wird jedoch darauf hingewiesen, dass dem § 13 BGB selbst das Erfordernis einer objektiven Wertung nicht zu entnehmen ist (so Martinek in: jurisPK-BGB, 7. Aufl., § 13 BGB Rn. 36). Jedoch kann nur durch eine solche, nun auch durch das OLG Frankfurt vorgenommene Auslegung sichergestellt werden, dass die vom Gesetzgeber festgeschriebene Indisponibilität des Verbraucherschutzrechtes (Micklitz/Purnhagen in: MünchKomm BGB, 7. Aufl., § 13 Rn. 44 m.w.N.) gewahrt bleibt. Eine rein innere Zweckbindung obließe es dem Vertragspartner, losgelöst von jeglichem tatsächlichen Handeln sich selbst als Verbraucher oder als Unternehmer einzuordnen (vgl. Saenger in: Erman, BGB, § 13 Rn. 19). Dem widerspricht jedoch bereits die systematische Negativformulierung des § 13 BGB, der den Verbraucher durch eine einzig am (überwiegenden) Zweck ausgerichtete Abgrenzung gegenüber einem gewerblichen/selbstständig beruflichen Handeln definiert. Dabei soll es gerade nicht auf die Person des Vertragsschließenden und etwa dessen Erfahrung, geschäftliche Gewandtheit oder persönliche Vorlieben ankommen.
Insgesamt fällt auf, dass sich die Rechtsprechung stark an den Feststellungskriterien des Vertragszwecks (als subjektiv oder objektiv, als faktischer Zweck oder nach außen erklärtes Ziel) orientiert. Die Rechtslage ist hierbei nach wie vor sehr uneinheitlich. So fordert der III. Zivilsenat des BGH – und nun auch das OLG Frankfurt – eine Ermittlung des Zwecks anhand des Vertragsinhalts sowie ggf. der Begleitumstände des Vertragsschlusses (BGH, Urt. v. 15.11.2007 – III ZR 295/06 – NJW 2008, 435, 436). Der VIII. Zivilsenat des BGH hingegen knüpft zwar auch an objektiven Kriterien an, leitet aus der Negativformulierung des § 13 BGB jedoch eine allgemeine Vermutung der Verbrauchereigenschaft her, die lediglich durch eine eindeutige und zweifelsfrei erkennbare unternehmerische Tätigkeit widerlegt werden könne (BGH, Urt. v. 30.09.2009 – VIII ZR 7/09 – NJW 2009, 3780, 3781; krit. Matusche-Beckmann in: Staudinger, BGB, § 13 Rn. 42). Der Verbraucher sei insofern nicht verpflichtet, sich als solcher erkennen zu geben, soweit er sich nicht bewusst wahrheitswidrig als Unternehmer geriert (BGH, Urt. v. 22.12.2004 – VIII ZR 91/04 – NJW 2005, 1045; OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.01.2015 – 3 U 30/14 – NJW 2015, 2043, 2045). Wiederrum andere Gerichte grenzen die Verbrauchereigenschaft nach dem Empfängerhorizont und damit nicht nur nach einer objektiven, sondern einer durch den Vertragspartner subjektiv erkennbaren Zweckbestimmung ab (vgl. LG Hamburg, K&R 2009, 277; mit gleicher Ansicht Ellenberger in: Palandt, BGB, 68. Aufl., § 13 Rn. 4; Weick in: Staudinger, BGB, 2004, § 13 Rn. 42; Larenz/Wolf, BGB AT, 9. Aufl., § 42 Rn. 41; eingeschränkt Micklitz/Purnhagen in: MünchKomm BGB, § 13 Rn. 43). Einigkeit herrscht hingegen dahingehend, dass der Verbraucher bezüglich der seine Verbrauchereigenschaft begründenden Tatsachen voll darlegungs- und beweisbelastet ist. Selbst der VIII. Zivilsenat des BGH hält, trotz seiner Vermutungsannahme, an der allgemeinen Beweislastverteilung fest, dass jede Partei das für sie Günstige zu beweisen habe (BGH, Urt. v. 30.09.2009 – VIII ZR 7/09 – NJW 2009, 3780, 3781).

D. Auswirkungen für die Praxis

Unabhängig von der Frage einer objektiv erkennbaren oder lediglich faktischen Zweckrichtung wird sich die Annahme oder Ablehnung einer Verbrauchereigenschaft in der Praxis primär nach der Beweisbarkeit des Vertragszwecks richten. Es ist so vor allem Sache des Darlehensnehmers, einen privaten Verwendungswillen mindestens so weit objektiv zu manifestieren, dass er diesen im streitigen Verfahren zur Überzeugung des Gerichts (mindestens jedoch zur Schaffung eines non-liquets, BGH, Urt. v. 11.07.2007 – VIII ZR 110/06 – NJW 2007, 2619) belegen kann. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine Person (wie im vorliegenden Fall) bezüglich einer gleichartigen Darlehnsaufnahme ansonsten ausschließlich unternehmerische Rechtsbeziehungen zu einem Kreditinstitut pflegt.
Hieran ändert auch die Entscheidung des BGH (Urt. v. 30.09.2009 – VIII ZR 7/09 – NJW 2009, 3780, 3781), nach der der Vertragszweck nicht ausdrücklich benannt werden muss, nichts. Denn – wie aufgezeigt – führt selbst die vom VIII. Zivilsenat angenommene Vermutungswirkung der Negativformulierung des § 13 BGB lediglich soweit, ein non-liquet zugunsten des Darlehensnehmers zu entscheiden. Im Lichte der Rechtssicherheit empfiehlt es sich daher, möglichst frühzeitig eine private Nutzung zu offenbaren und zu dokumentieren und so einen sicheren Eintritt der Schutzwirkungen der §§ 491 ff. BGB prozessual sicherzustellen. Die besprochene Entscheidung des OLG Frankfurt unterstreicht insofern noch einmal die dem Verbraucher obliegende Nachweispflicht anhand objektiver Kriterien.
Vor dem Hintergrund des unternehmerischen Pflichtenkanons im Verbraucherdarlehensrecht, dessen Missachtung (erhebliche) Sanktionen im Rahmen des § 494 BGB auslöst, empfiehlt sich eine gesicherte Feststellung der Verbrauchereigenschaft auch darlehensgeberseits. Die Entscheidung des OLG Frankfurt stützt zwar ein Verständnis des § 13 BGB als wertungsfrei. Inwieweit sich auf lange Sicht jedoch die abweichende Rechtsauffassung der von dem VIII. Zivilsenat vertretenen Vermutungswirkung durchsetzen wird, ist aktuell nicht absehbar und stellt insofern ein nicht unerhebliches unternehmerisches (Rechts-)Risiko dar.