Bei einem Telefaxüberweisungsauftrag führt die Fälschung der Unterschrift nicht automatisch zur fehlenden Autorisierung, wenn die gefaxte Unterschrift, die dem Zahlungsdienstleister naturgemäß nie im Original vorliegen kann, als Autorisierung anzusehen ist, weil der Zahler die Pflicht zur vorherigen Prüfung des Vorliegens einer Originalunterschrift übernommen hat und ausdrücklich vereinbart war, dass in dieser Weise übermittelte Fernkopien als rechtsverbindliche Aufträge ohne Rücksicht auf die Echtheit der Unterschrift anzusehen sind.
A. Problemstellung
- Fragen der Vertrags-, der Delikts- und der Bereicherungshaftung im Zusammenhang mit gefälschten Giroüberweisungen beschäftigten Wissenschaft und Zivilgerichte schon gegen Ende des 19. Jahrhunderts (HKK-Meder/Czelk, BGB, Schuldrecht Bd. III, 2013, §§ 675c-767c Giroverkehr, Rn. 40). Die mit raffinierten Methoden und hoher krimineller Energie vorgehenden Täter bringen immer wieder neue Varianten des bekannten Themas hervor. In dem vorliegenden spektakulären Fall wurde die Klägerin, eine Unternehmensgesellschaft in der Rechtsform der GmbH, Opfer eines so genannten „Fake-President-Tricks“. Dabei gelang es einer Gruppe von internationalen Betrügern, die sämtlich unbekannt geblieben sind, durch Fälschung der Unterschrift auf Telefaxüberweisungsaufträgen Überweisungen in Millionenhöhe zu generieren.
- B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
- Die Klägerin und die beklagte Sparkasse hatten bereits im Jahre 2006 ausdrücklich vereinbart, dass Überweisungen vom Geschäftskonto der Klägerin zur Beschleunigung des Verfahrens auch mittels Telefaxaufträgen ohne Rücksicht auf die Echtheit der Unterschrift vorgenommen werden können. Das Fälschungsrisiko wurde dabei der Klägerin zugewiesen, die dafür Sorge zu tragen hatte, dass die Faxaufträge stets „im Original gemäß den in den Kontounterlagen getroffenen Verfügungsvollmachten vor der Absendung unterzeichnet werden“. Die beiden Geschäftsführer der Klägerin waren zur Zeichnung jeweils einzeln berechtigt. Diese Umstände machten sich die Täter wie folgt zunutze:Sie spiegelten der nicht verfügungsbefugten Mitarbeiterin der Buchhaltung, Frau G., mittels fingierter E-Mail-Nachrichten unter einer ganz geringfügig geänderten und nur bei großer Sorgfalt erkennbar falschen E-Mail-Adresse des Geschäftsführers B. vor, dass die Klägerin in streng geheim zu haltenden Verhandlungen über den Erwerb eines Unternehmens im Ausland stehe, von denen niemand außer ihr (Mitarbeiterin G.), nicht einmal die Leiterin der Buchhaltung, Frau Z., Kenntnis erlangen dürfe. Den unbekannten Tätern gelang es so, die Angestellte G. zur Weiterleitung ihr übermittelter Überweisungsaufträge mit der eingescannten falschen Unterschrift des Geschäftsführers B. per Telefax an die Beklagte zu veranlassen, die sodann im Zeitraum vom 26.11. bis 08.12.2004 in fünf Tranchen insgesamt 5,07 Mio. Euro auf Konten in Ungarn und China transferierte. Ein Teil der Überweisungsbeträge konnte vor Zahlungsgutschrift bei den jeweiligen Empfängern wieder zurückgeholt werden. Abzüglich eines der Klägerin von ihrer Versicherung erstatteten Betrages beläuft sich der Betrugsschaden der Klägerin noch auf 2,17 Mio. Euro.Das LG Heilbronn hat die auf Erstattung dieses Betrages gerichtete Klage abgewiesen. Entgegen der Auffassung der Klägerin seien die Überweisungen auf der Grundlage des vereinbarten Überweisungsverfahrens gemäß § 675j Abs. 1 BGB ordnungsgemäß autorisiert, so dass die auf § 675u Satz 2 BGB gestützte Klage nicht begründet sei. Daran ändere auch die Fälschung der Unterschrift des Geschäftsführers nichts. Grundsätzlich habe zwar der Zahlungsdienstleister das Fälschungsrisiko zu tragen. Im Streitfall ergebe sich jedoch die Autorisierung der Zahlungsvorgänge aus der besonderen Vereinbarung der Parteien, die nach der neuen Regelung in § 675j Abs. 1 Sätze 3 und 4 BGB zulässig sei. Die Beklagte brauche sich nach der einvernehmlich festgelegten Verfahrensweise nicht um die Echtheit der Unterschrift zu kümmern, sie könne jeweils davon ausgehen, dass die Unterschrift eines Verfügungsberechtigten auf das der Klägerin vorliegende Original des Überweisungsauftrags gesetzt worden sei. Da dies jedoch nicht der Fall gewesen sei und die Klägerin insoweit gegen Vertragspflichten aus dem Girovertragsverhältnis verstoßen habe, könne die Beklagte, selbst wenn man eine wirksame Autorisierung verneine, dem Erstattungsanspruch des Klägers einen Schadensersatzanspruch gemäß § 675v Abs. 2 Nr. 2 BGB in gleicher Höhe entgegenhalten, § 242 BGB. Denn das Verhalten der Mitarbeiterin in der Buchhaltung der Klägerin sei zumindest als grob fahrlässig einzustufen.
- C. Kontext der Entscheidung
- Im Überweisungsverkehr der Banken und Sparkassen trägt, wie die Rechtsprechung in langer Spruchpraxis entscheidet (RG, Urt. v. 10.02.1904 – I 415/03 – RGZ 56, 410, 412; RG, Urt. v. 09.05.1939 – VII 251/38 – RGZ 160, 310, 312, 316; BGH, Urt. v. 03.03.1966 – II ZR 18/64 – WM 1966, 396, 397, unter II der Gründe; BGH, Urt. v. 18.10.1967 – Ib ZR 169/65 – WM 1967, 1142, unter I 2 a; BGH, Urt. v. 13.12.1967 – Ib ZR 168/65 – WM 1968, 214, 215; BGH, Beschl. v. 25.01.1985 – III ZR 138/84 – WM 1985, 511, unter 1; BGH, Urt. v. 20.06.1990 – XII ZR 93/89 – WM 1990, 1280, unter 1 a; BGH, Urt. v. 31.05.1994 – VI ZR 12/94 – NJW 1994, 2357, unter III 1 c bb) grundsätzlich die Bank und nicht der Kunde das Risiko für die Fälschung des Überweisungsauftrags. Die Verteilung des Fälschungsrisikos ist schon vor 1900 erörtert und in diesem Sinne entschieden worden (HKK-Meder/Czelk, BGB, Schuldrecht Bd. III, 2013, §§ 675c-767c Giroverkehr, Rn. 40, mit Hinweis auf Cohn, Die Girozahlung, in: Endemann, Handbuch des deutschen Handels-, See-und Wechselrechts, 1885, S. 1053).Die Überweisung beschwert daher den Kontoinhaber regelmäßig nicht. Vielmehr ist bei auftragsloser Überweisung mangels Bereicherung des vermeintlich Anweisenden eine (Erfüllungs-)Leistung im Deckungsverhältnis zu verneinen. Es liegt hier lediglich ein bloßer Leistungsversuch vor (BGH, Urt. v. 31.05.1994 – VI ZR 12/94 – NJW 1994, 2357, unter III 1 a bb; dazu näher Schnauder, ZIP 1994, 1069, 1073 f.). Infolgedessen besteht in schuldrechtlicher Hinsicht keine Rechtfertigung für die Bank, das Konto ihres Kunden mit dem Überweisungsbetrag zu belasten. Vor der Umsetzung der Zahlungsdienste-Richtlinie stand dem Kunden bei einer Überweisung ohne wirksamen Zahlungsauftrag ein girovertraglicher Anspruch auf valutengerechte Wiedergutschrift des abgebuchten Betrags oder auf entsprechende Zahlung der Überweisungssumme zu. Dieser Anspruch kehrt jetzt in § 675u Satz 2 BGB wieder. Die Haftungsregelung bringt also keine Neuerung (a.A. Grundmann, WM 2009, 1109, 1116); neu ist lediglich die dem Gläubiger des Erstattungsanspruchs gesetzte Ausschlussfrist von 13 Monaten in § 676b Abs. 2 BGB.Den vorstehenden Prinzipien der Rechtsprechung ist das Landgericht im vorliegenden Fall zu Recht nicht gefolgt. Es hat vielmehr eine Haftung der Beklagten zutreffend abgelehnt. Denn hier liegt ein Ausnahmefall vor, weil die rechtliche Ausgestaltung des Zahlungsdiensterahmenvertrages zwischen der beklagten Sparkasse und der Klägerin im Ergebnis zu einer Verlagerung des Fälschungsrisikos auf die Klägerin führt. Zwar hat der BGH Versuche der Kreditinstitute, dieses Risiko durch AGB auf den Kunden zu übertragen, an der Inhaltskotrolle des § 307 BGB scheitern lassen (Nachweise bei Mayen, Bankrechtshandbuch, 4. Aufl. 2011, § 49 Rn. 33). Diese Rechtsprechung ist aber auf die hier gegebene Individualvereinbarung der Parteien über die Autorisierung der Überweisung auf der Grundlage eines Faxauftrages nicht anwendbar. Diese Abrede berechtigt die Beklagte, das Konto der Klägerin mit der auf diese Weise beauftragten Überweisung zu belasten (vgl. dazu Canaris, Bankvertragsrecht, 4. Aufl. 1988, Rn. 436). Nach der bereits im Jahre 2006 zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung muss die Klägerin die unstreitig gefälschte Unterschrift als Autorisierung gegen sich gelten lassen. Denn die Beklagte ist „zur Belastung des Kundenkontos insbesondere auch dann berechtigt, wenn die Unterschriften auf dem per Telefax erteilten Aufträgen gefälscht sind“. Der Kontoinhaber hat folglich für den Fall eines Faxüberweisungsauftrages sein Einverständnis mit der Abbuchung des Überweisungsbetrages ohne Rücksicht auf die Echtheit der Unterschrift erteilt.Eine solche Regelung steht den Parteien des Zahlungsdienstevertrages nach der Neuordnung des Zahlungsdiensteregimes im BGB frei. Diese können nach § 675j Abs. 1 Satz 3 BGB die Art und Weise der Autorisierung, also die Zustimmung des Kontoinhabers zur Belastung des Zahlungskontos, autonom regeln. Die aus der Zeit vor der Umsetzung der Richtlinie stammende Vertragsbestimmung, wonach die Befolgung auch eines gefälschten oder verfälschten Telefaxauftrages als wirksame (Erfüllungs-)Leistung im Deckungsverhältnis betrachtet wird, begegnet gerade auch nach neuem Recht keinen rechtlichen Bedenken. Die Beklagte ist damit berechtigt, die Überweisungsvorgänge endgültig mit dem Kunden abzurechnen und dessen Konto entsprechend zu belasten. Dass die Mitarbeiterin der Klägerin durch raffinierte Täuschung zur Vorlage der gefälschten Zahlungsanweisungen gebracht worden ist, ändert nichts an der allgemein erklärten Zustimmung der Klägerin zu den hiermit ausgelösten Zahlungsvorgängen (vgl. auch BGH, Urt. v. 24.04.2001 – VI ZR 36/00 – BGHZ 147, 269 = NJW 2001, 2880 Rn. 14, 15: wirksame Zahlungsanweisung des über seine Berechtigung zum Abruf der Kreditmittel täuschenden Kontoinhabers). Eine Anfechtung der Autorisierung wegen arglistiger Täuschung, soweit man die Autorisierung überhaupt als rechtsgeschäftliche Erklärung qualifiziert (str., eine bloße rechtsgeschäftsähnliche Handlung nehmen z.B. an Casper in: MünchKomm BGB, 6. Aufl. 2012, § 675j Rn. 6; Schwintowski, jurisPK-BGB, 7. Aufl. 2014, § 675j Rn. 3), scheitert jedenfalls an den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 123 Abs. 2 BGB.Die Hilfsbegründung für den Fall einer nicht wirksamen Autorisierung, mit der das Landgericht auf eine Verschuldenshaftung der Klägerin nach § 675v Abs. 2 BGB abstellt, welche die Beklagte gemäß § 242 BGB der Klage entgegenstellen könnte (hierzu auch Beesch in: NK-BGB, 2. Aufl. 2012, § 675u Rn. 1), ist im Hinblick auf die eindeutige Rechtslage nicht erforderlich, aber folgerichtig.
- D. Auswirkungen für die Praxis
- Entfaltet – wie im vorliegenden Fall – die gefälschte Zahlungsanweisung des getäuschten Kontoinhabers aufgrund der Sonderabrede der Parteien des Zahlungsdienstevertrages über die Zuweisung dieses Risikos ausnahmsweise Rechtswirkung im Deckungsverhältnis, ist der Kontoinhaber gezwungen, Ausgleich im Wege der Kondiktion „in sonstiger Weise“ bei den (hier unbekannten) Dritten zu suchen, die sich auf seine Kosten bereichert haben (Eingriffskondiktion). Im Ergebnis wird die Klägerin daher auf ihrem Schaden sitzen bleiben. Dieser Schaden hätte vermieden werden können, wenn sich die Mitarbeiterin der Klägerin an die Vorgaben der schriftlichen Vereinbarung gehalten und ausschließlich Überweisungsaufträge mit Originalunterschriften zur Ausführung an die Beklagte gefaxt hätte.