Nachfolgend ein Beitrag vom 16.1.2018 von Gessner, jurisPR-BKR 1/2018 Anm. 2
Leitsatz
Hat ein Gesellschafter zusätzlich zu seiner Beteiligung als Gesellschafter eine (typische) stille Beteiligung übernommen, stellt der Anspruch auf Rückgewähr der stillen Einlage eine einem Darlehen gleichgestellte Forderung dar.
A. Problemstellung
Die in § 135 InsO geregelte Anfechtung der Besicherung oder Befriedigung von Gesellschafterdarlehen stellt ein besonders scharfes Schwert des Insolvenzverwalters dar. So kommt es für die Anfechtbarkeit nach dieser Norm, anders als bei den meisten anderen Anfechtungstatbeständen, nicht einmal auf die (drohende) Zahlungsunfähigkeit im Zeitpunkt der anfechtbaren Handlung an. Demzufolge können vom Insolvenzverwalter Vorgänge angefochten werden, die sich ggf. zu einer Zeit ereigneten, als sich die Gesellschaft noch gar nicht in wirtschaftlicher Schieflage befand. Es handelt sich bei § 135 InsO um ein wesentliches Puzzlestück der Regelungen zur Gesellschafter-Fremdfinanzierung, deren Grundlagen durch das MoMiG 2008 vollkommen neu geordnet wurden.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Am 28.05.2013 wurde durch Beschluss des zuständigen Amtsgerichts – Insolvenzgericht – das Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Beteiligungsgesellschaft (nachfolgend „Insolvenzschuldnerin“) eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Alleinige Gesellschafterin der Insolvenzschuldnerin war eine GmbH, deren Alleingesellschafterin eine natürliche Person war. Diese natürliche Person hatte sich zudem direkt als stille Gesellschafterin mit einer Einlage von zwischenzeitlich 13.000.000 Euro an der Insolvenzschuldnerin beteiligt. Am 12.12.2011 überwies die Insolvenzschuldnerin einen Betrag i.H.v. 2.000.000 Euro an ihre stille Gesellschafterin mit dem Buchungstext „Rückführung stille Beteiligung“. In seiner Funktion als Insolvenzverwalter verfolgte der Kläger Anfechtungsansprüche gemäß § 135 Abs. 1 InsO gegen die stille Gesellschafterin. Er verlangte von der Beklagten die Rückzahlung des an sie ausgezahlten Betrages i.H.v. 2.000.000 Euro. Das LG Flensburg und das OLG Schleswig haben der Klage stattgegeben. Die Beklagte ging daraufhin in die Nichtzulassungsbeschwerde und begehrte die Zulassung der Revision.
Der BGH hat die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision zurückgewiesen.
Zur Begründung führte der BGH aus, die Einlage als stille Gesellschafterin habe aufgrund der Alleingesellschafterstellung darlehensähnlichen Charakter. Aus diesem Grund sei die Rückzahlung unter § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO und demzufolge auch unter § 135 InsO zu subsumieren.
C. Kontext der Entscheidung
Die Entscheidung des BGH verwundert nicht. Sie ist jedoch insoweit beachtenswert, als sie die bisherige Rechtsprechungslinie und herrschende Meinung in der Literatur für den Fall einer typischen stillen Beteiligung bestätigt. Konkret geht es um die Frage, ob die von einem (mittelbaren) Alleingesellschafter übernommene stille Einlage als darlehensgleiche Leistung i.S.d. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO zu qualifizieren ist, sodass eine Anfechtung über § 135 Abs. 1 InsO möglich wird.
In der Vergangenheit hat der BGH bereits deutlich gemacht, dass mittelbare Beteiligungen am Gesellschaftskapital zumindest dann eine „Gesellschafterstellung“ begründen, wenn die Position des Beteiligten dem eines unmittelbaren Gesellschafters gleichsteht (BGH, Urt. v. 21.02.2013 – IX ZR 32/12; BGH, Urt. v. 17.02.2011 – IX ZR 131/10; OLG Jena, Beschl. v. 18.11.2015 – 1 U 503/15). Konkret entschied der BGH, dass Ansprüche eines atypisch stillen Gesellschafters unter § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO zu subsumieren sind, wenn diesem weitreichende Mitspracherechte eingeräumt werden (BGH, Urt. v. 28.06.2012 – IX ZR 191/11). Die typische stille Beteiligung i.S.d. § 230 Abs. 1 HGB unterliegt gemäß § 236 Abs. 1 HGB indes grundsätzlich nicht dem Nachrang des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO und kann demzufolge auch nicht gemäß § 135 InsO angefochten werden. Anders stellt sich dies jedoch dar, wenn der typische stille Gesellschafter neben dieser Beteiligung auch die personellen Voraussetzungen des § 39 Abs. 5 InsO erfüllt. Vorliegend war die Beklagte nicht nur stille Gesellschafterin, sondern zugleich (mittelbare) Alleingesellschafterin der Insolvenzschuldnerin. Diese Zwitterstellung war ausschlaggebend für eine von § 236 Abs. 1 HGB abweichende Qualifikation des Anspruchs auf Rückgewähr als nachrangige Forderung.
Es entspricht herrschender Auffassung in der Literatur, dass die vom Alleingesellschafter zusätzlich übernommene Einlage als stiller Gesellschafter eine darlehensgleiche Leistung i.S.d. § 39 Abs. 1 Nr. 5 darstellt (vgl. statt vieler Ehricke in: MünchKomm InsO, 3. Aufl. 2013, § 39 Rn. 44; Hirte in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl. 2015, § 39 Rn. 38; Schmidt in: MünchKomm HGB, 3. Aufl. 2012, § 236 Rn. 25). Auch schon vor Inkrafttreten des MoMiG war dies die einhellige Meinung. Ein solches Verständnis ist schon deswegen erforderlich, damit Umgehungsmöglichkeiten ausgeschaltet werden. Andernfalls würden (Allein-)Gesellschafter keine Darlehen an ihre Gesellschaft ausreichen, sondern sich stattdessen als stille Gesellschafter beteiligen und über ihre Einlage eine Finanzierung sicherstellen. Doch gerade solche Umgehungen wollte der Gesetzgeber vermeiden und das Eigenkapitalersatzrecht auf alle denkbaren Sachverhalte erstrecken (BT-Drs. 8/3908, S. 74). Vor diesem Hintergrund ist die Begründung des BGH im Besprechungsurteil nur konsequent und dogmatisch richtig.
D. Auswirkungen für die Praxis
Die Entscheidung des BGH führt die bisherige Rechtsprechung vor und nach MoMiG konsequent fort. Der BGH macht nochmals deutlich, dass Sachverhalte, die einem Gesellschafterdarlehen ähneln, unter allen Umständen unter § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO und damit auch unter § 135 InsO zu subsumieren sind. Damit wird auch der in der Literatur bereits seit längerem vertretene Vorrang des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO vor § 236 Abs. 1 HGB bestätigt.
Für Gesellschafter wird es in Zukunft mithin noch schwieriger, Finanzierungen ihrer Gesellschaft darzustellen, ohne mit ihrer Forderung in den Nachrang des § 39 Abs. 1 InsO zu rutschen. Letztlich aber ist dies auch vom Gesetzgeber gewollt, der von Gesellschaftern bei Bedarf die Zuführung neuen Eigenkapitals erwartet.
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