Nachfolgend ein Beitrag vom 29.4.2016 von Zwade, jurisPR-BGHZivilR 8/2016 Anm. 3
Leitsätze
1. Die in einen Verbraucherdarlehensvertrag einbezogene formularmäßige Bestimmung einer laufzeitunabhängigen „Gebühr“ von 4 Prozent des Darlehensbetrags für ein dem Darlehensnehmer unter Verzicht auf eine Vorfälligkeitsentschädigung eingeräumtes Sondertilgungsrecht verstößt gegen § 502 Abs. 1 BGB, von dem nach § 511 Satz 1 BGB zum Nachteil des Verbrauchers nicht abgewichen werden kann.
2. Zur Rechtslage bei Vorliegen einer Bereichsausnahme nach § 491 Abs. 2 Nr. 5 BGB oder eines Immobiliardarlehensvertrags nach § 503 Abs. 1 BGB.
A. Problemstellung
Bearbeitungsgebühren in Allgemeinen Geschäftsbedingungen beschäftigen den XI. Zivilsenat des BGH schon seit einigen Jahren. Mit der grundlegenden Entscheidung vom 13.05.2014 (XI ZR 405/12) hat der BGH bei einer Inhaltskontrolle für eine Formularklausel über die Erhebung einer laufzeitunabhängigen Bearbeitungsgebühr bei Privatkreditverträgen, welche in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Kreditinstituts beinhaltet war, eine solche Klausel der richterlichen Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB unterworfen und ihr gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB die Wirksamkeit versagt (BGH, Urt. v. 13.05.2014 – XI ZR 405/12 Rn. 23 ff.). Nach der Begründung des XI. Senats in der betreffenden Entscheidung wälzt das Kreditinstitut durch das Bearbeitungsentgelt in einem Verbraucherdarlehensvertrag seinen eigenen Bearbeitungssaufwand im Zusammenhang mit der Beschaffung und Bereitstellung des Kapitals ergänzend zur gesetzlichen Regelung des § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB laufzeitunabhängig auf den Kunden ab, so dass es nicht als der Inhaltskontrolle entzogenes Teilentgelt für die Kapitalüberlassung qualifiziert werden kann (BGH, Urt. v. 13.05.2014 – XI ZR 405/12 Rn. 46). Nachdem der Bearbeitungsaufwand im Zusammenhang mit der Beschaffung und Bereitstellung des Kapitals grundsätzlich allein im Interesse des Kreditinstituts erfolgt und Vorteile der Bonitätsprüfung für den Kunden allenfalls einen reflexartigen Nebeneffekt darstellen, kann die Bank neben dem laufzeitabhängig bemessenen Zins nicht noch ein laufzeitunabhängiges Bearbeitungsentgelt verlangen (BGH, Urt. v. 13.05.2014 – XI ZR 405/12 Rn. 65). Aus diesem Grund hat der BGH derartige Entgeltklauseln in Verbraucherdarlehensverträgen als nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unzulässige Abweichung von Rechtsvorschriften eingestuft (BGH, Urt. v. 13.05.2014 – XI ZR 405/12 Rn. 66). Zudem benachteiligen laufzeitunabhängige Bearbeitungsentgelte in Verbraucherdarlehensverträgen den Kunden gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unangemessen.
Seit dieser Entscheidung haben laufzeitunabhängige Bearbeitungsgebühren das generelle Stadium der „Vogelfreiheit“ erlangt. Es war nur zwangsläufig, dass sich der BGH in Zukunft auch mit der Frage der Wirksamkeit von Formularklauseln über Abzugsbeträge in Förderdarlehen beschäftigen muss. Gleiches gilt für die Frage der Wirksamkeit von Bearbeitungsgebühren in Bausparverträgen. Auch die Frage der Wirksamkeit von laufzeitunabhängigen Bearbeitungsgebühren in Darlehensverträgen mit Unternehmern gemäß § 14 BGB wird voraussichtlich irgendwann einmal höchstrichterlich zu klären sein.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
In der besprochenen Entscheidung vom 16.02.2016 hatte sich der XI. Zivilsenat des BGH mit der Frage der Wirksamkeit eines laufzeitunabhängigen Bearbeitungsentgeltes zu beschäftigen, welches in einer Formularklausel zu einem Wohnraumförderdarlehen enthalten war.
Die beklagte Sparkasse gewährte dem Kläger im Dezember 2011 aus Mitteln des Förderprogrammes 141 („Wohnraum – Modernisieren-Standard“) der Kreditanstalt für Wiederaufbau (nachfolgend: KfW) ein Darlehen in Höhe eines Nennbetrages von 20.000 Euro zu einem Zinssatz von nominal 2,4% p.a. unter Festschreibung der Konditionen bis zum 31.12.2021 (nachfolgend: Förderdarlehen). In Ziffer 2.2 des Darlehensvertrages war festgehalten, dass eine laufzeitunabhängige Gebühr von 4% erhoben wird, die bereits bei Auszahlung des Darlehens eine Verrechnung erfährt und bei vorzeitiger Rückzahlung nicht – auch nicht teilweise – erstattet wird.
Nach Ziffer 9 des Darlehensvertrages galten für das Förderdarlehen die der Darlehensurkunde beigefügten „Allgemeine Bestimmungen für Investitionskredite – Verhältnis Hausbank – Endkreditnehmer -“ in der Fassung 03/09 der KfW. Dort ist in Ziffer 4 geregelt, dass die Kreditbearbeitungs- und Verwaltungskosten des unmittelbar refinanzierten Kreditinstituts sowie der Hausbank mit dem Zinssatz und den von der KfW gezahlten programmabhängigen Bearbeitungsgebühren abgegolten sind. Weiter ist geregelt, dass Verzichtsgebühren, Vorfälligkeitsentschädigungen oder ähnliche Kosten für diesen Kredit nicht berechnet werden dürfen, sofern mit der KfW keine entsprechende Regelung getroffen wird. Ziffer 5 enthält die Regelung, dass es sich bei dem Betrag, der bei Auszahlung des Nennbetrages des Kredites abgezogen wird, um die von der KfW geforderte, laufzeitunabhängige Gebühr handelt, die im Fall einer vorzeitigen Tilgung des Kredits nicht erstattet wird.
Mit seiner Klage begehrt der Kläger von der beklagten Sparkasse die Zahlung von 800 Euro wegen des bei Valutierung des Förderdarlehens einbehaltenen Abschlags. Die Klage blieb in beiden Vorinstanzen erfolglos. Mit der von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgte der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Der BGH hat die Revision als begründet angesehen und die Sache zurückverwiesen.
In der besprochenen Entscheidung war die seit 11.06.2010 gültige Rechtslage zu den besonderen Vorschriften für Verbraucherdarlehensverträge zu beachten. Danach kann bei einem Verbraucherdarlehensvertrag – soweit nicht die Voraussetzungen einer Bereichsausnahme nach § 491 Abs. 2 Nr. 5 BGB erfüllt sind oder der Darlehensvertrag gemäß § 503 Abs. 1 BGB als Immobiliardarlehensvertrag anzusehen ist – der Verbraucher nach § 500 Abs. 2 BGB seine Verbindlichkeiten aus einem Verbraucherdarlehensvertrag jederzeit ganz oder teilweise erfüllen. Hiervon darf gemäß § 511 BGB nicht zu seinem Nachteil abgewichen werden. § 502 Abs. 1 Satz 1 BGB billigt den Darlehensgeber bei der vorzeitigen Rückzahlung des Darlehens eine Vorfälligkeitsentschädigung zu, die gemäß § 502 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB in der seit dem 11.06.2010 geltenden Fassung 1% des vorzeitig zurückgezahlten Betrages nicht überschreiten darf.
Die von dem Darlehensnehmer nach § 500 Abs. 2 BGB im ungünstigsten Falle zu zahlende Vorfälligkeitsentschädigung nach dem Gesetz war damit stets geringer als der von der Beklagten nach den Darlehensbedingungen vorliegend einbehaltene Abzugsbetrag i.H.v. 4% des gesamten Darlehnsnennbetrages. Zudem fiel die laufzeitunabhängige Gebühr auch dann an, wenn der Kläger von dem Sondertilgungsrecht keinen Gebrauch macht, während nach § 502 Abs. 1 BGB die Vorfälligkeitsentschädigung nur begehrt werden kann, wenn die Darlehensvaluta auch tatsächlich vorzeitig zurückgezahlt wird.
Im Hinblick darauf war der BGH der Überzeugung, dass die Klausel bei der Bepreisung des Verzichts auf die Vorfälligkeitsentschädigung in zweifacher Hinsicht zulasten des Klägers von § 502 Abs. 1 BGB abweicht.
Nachdem die beanstandete Klausel keine zusätzlich angebotene Sonderleistung bepreiste, die gesetzlich nicht geregelt ist, sondern eine von Rechtsvorschriften abweichende Preisregelung enthielt, konnte der BGH die Klausel auch der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB unterwerfen. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB beschränkt insofern die Inhaltskontrolle auf solche Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder ergänzende Regelungen vereinbart werden, wobei Klauseln, die von gesetzlichen Preisregelungen abweichen, in der ständigen Rechtsprechung des BGH als kontrollfähig angesehen werden (BGH, Urt. v. 17.12.2013 – XI ZR 66/13 – BGHZ 199, 281 Rn. 12; BGH, Urt. v. 27.01.2015 – XI ZR 174/13 Rn. 9).
Im Ergebnis hat der BGH die streitige Entgeltklausel – bei dem revisionsrechtlich zu unterstellenden Verbraucherdarlehensvertrag – deshalb wegen Verstoß gegen § 502 Abs. 1 BGB, von dem nach § 511 Satz 1 BGB nicht zum Nachteil des Verbrauchers abgewichen werden darf, gem. § 134 BGB als nichtig eingestuft. Zudem bejahte der BGH eine unangemessene Benachteiligung i.S.v. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.
Tatsächliche Feststellungen dazu, ob § 500 Abs. 2 BGB und § 502 Abs. 1 BGB auf das vorliegende Darlehen anzuwenden sind, waren allerdings von den Vorinstanzen nicht hinreichend getroffen worden. Insbesondere fehlte die klare Feststellung, dass es sich um ein Verbraucherdarlehen handelt, das nicht von der Bereichsausnahme des § 491 Abs. 2 Nr. 5 BGB (Förderdarlehen zu gegenüber den Marktbedingungen günstigeren Konditionen) erfasst war. Weiter fehlten Feststellungen dazu, ob es sich um ein grundpfandrechtlich gesichertes Darlehen nach § 503 Abs. 1 BGB handelt, auf das gemäß § 503 Abs. 1 BGB die vorliegend entscheidungserheblichen Vorschriften des § 500 Abs. 2 BGB und § 502 Abs. 1 BGB nicht anwendbar sind.
C. Kontext der Entscheidung
Der BGH hat mit der besprochenen Entscheidung zunächst betont, dass bei Verbraucherdarlehensverträgen, die der seit dem 11.06.2010 gültigen Gesetzesfassung zu den besonderen Vorschriften für Verbraucherdarlehensverträge unterfallen, Formularklauseln über Abzugsbeträge wegen § 511 BGB zwingend die gesetzlichen Vorschriften der § 500 Abs. 2 BGB und § 502 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB zu berücksichtigen haben. Danach sind Entgelte, die einen Verzicht der Bank auf eine Vorfälligkeitsentschädigung bepreisen sollen, nur dann wirksam zu vereinbaren, wenn sie 1% des zurückgezahlten Betrages (bzw. 0,5% bei einem Zeitraum von maximal einem Jahr zwischen der vorzeitigen und der vereinbarten Rückzahlung) nicht übersteigen und zu dem nur beansprucht werden, wenn der Darlehensnehmer von einer Sondertilgungsmöglichkeit Gebrauch macht.
Dies gilt jedoch nicht bei so genannten Förderdarlehen nach § 491 Abs. 2 Nr. 5 BGB sowie nicht bei Immobiliardarlehensverträgen nach § 503 Abs. 1 BGB. Insoweit sind die Grundsätze zu drei weiteren Entscheidungen des BGH vom 16.02.2016 (XI ZR 454/14, XI ZR 63/15 und XI ZR 73/15) bedeutsam.
Mit diesen drei weiteren Entscheidungen vom 16.02.2016 (XI ZR 454/14, XI ZR 63/15 und XI ZR 73/15) hat der BGH zu Verbraucherdarlehensverträgen, mit denen Förderdarlehen der KfW weitergereicht und die vor dem 11.06.2010 abgeschlossen wurden, entschieden, dass die in den Darlehensverträgen enthaltene Klausel zu einer Bearbeitungsgebühr von 2% des Nennbetrages des Kredits sowie einer Risikoprämie von 2% des Nennbetrags des Kredits einer Klauselkontrolle standhält und den Darlehensnehmer nicht entgegen dem Gebot von Treu und Glauben unangemessen nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB benachteiligt.
Abgestellt hat der BGH hierzu auf den mit den Förderbedingungen verfolgten Zweck der Förderung, wonach Förderdarlehen auf dem staatlichen Auftrag beruhen, die in den von § 2 Abs. 1 KredAnstWiAG erfassten Bereichen finanziellen Fördermaßnahmen durchzuführen und nicht den eigenwirtschaftlichen Interessen der KfW dienen. Die wirtschaftlichen Vorteile solcher Förderdarlehen gegenüber Krediten zu Marktbedingungen konsumieren deshalb nach Überzeugung des BGH bei pauschalierender Gesamtbetrachtung laufzeitunabhängige Bearbeitungsgebühren (BGH, Urt. v. 16.02.2016 – XI ZR 454/14, XI ZR 63/15 und XI ZR 73/15).
Im Ergebnis bleiben damit formularmäßig vereinbarte laufzeitunabhängige Bearbeitungsgebühren bei Förderdarlehen auch in Zukunft zulässig, soweit es sich um echte Förderdarlehen nach § 491 Abs. 2 Nr. 5 BGB oder um Immobiliardarlehensverträge nach § 503 BGB handelt. Die klassische Antwort des Juristen: „Es kommt drauf an“ hat damit wieder einmal ihre Bestätigung erfahren.
D. Auswirkungen für die Praxis
Für die Frage der Wirksamkeit von Formularklauseln über Abzugsbeträge in Förderdarlehen haben die besprochene Entscheidung des XI. Zivilsenats vom 16.02.2016 (XI ZR 96/15) sowie die drei weiteren Entscheidungen (XI ZR 454/14, XI ZR 63/15 und XI ZR 73/15) eine zu begrüßende Klarheit gebracht, mit der alle Beteiligten wohl gut leben können. Klassische Förderdarlehen, die § 491 Abs. 2 Nr. 5 BGB unterfallen, weisen schließlich immer günstigere Konditionen als marktübliche Bedingungen auf und sind einem begrenzten Personenkreis zugänglich. Sie verfolgen letztlich ordnungspolitische Ziele.
So hat die KfW gerade zum 01.04.2016 neue Förderstufen für Effizienzhäuser eingeführt und neben den bestehenden Standards KfW „Effizienzhaus 55 und 40“ die Stufe „Effizienzhaus 40 Plus“ neu eingeführt, bei der die KfW den Förderhöchstbetrag für Bauherren von 50.000 Euro auf 100.000 Euro erhöht und Zinssätze unterhalb marktüblicher Bedingungen beansprucht werden. Zu Recht führt der BGH an, dass die wirtschaftlichen Vorteile solcher Förderdarlehen gegenüber Krediten zu Marktbedingungen die laufzeitunabhängige Bearbeitungsgebühr bei pauschalierender Betrachtung konsumieren, soweit sie in gesetzlich zulässiger Weise vereinbart werden darf.
Für die Bearbeitungsgebühr als Bankentgelt im Kreditgeschäft ist somit die „Messe doch noch nicht gelesen“.
Der BGH will im Hinblick die Beurteilung formularmäßiger Vereinbarungen zu solchen Abzugsbeträgen ersichtlich auch nach Kundengruppen und Darlehenstypen differenzieren. Dies ist auch ein klarer Aspekt dafür, die Rechtsprechung zu Bearbeitungsentgelten bei klassischen Verbraucherdarlehensverträgen nicht ohne weiteres auf gewerbliche Kredite zu übertragen, ohne sich vorher mit den entsprechenden Besonderheiten auseinanderzusetzen. Vielleicht ist das ein Hoffnungsschimmer für formularmäßige Bearbeitungsentgelte bei gewerblichen Krediten. Auch dies wird der BGH voraussichtlich irgendwann zu klären haben.