Der 2. Senat des Finanzgerichts Münster hat in einem heute veröffentlichten Urteil vom 25.11.2014 (2 K 3941/11 E) entschieden, dass zum 31.12.2008 festgestellte Verlustvorträge aus negativen Kapitaleinkünften nicht unmittelbar mit positiven Kapitalerträgen späterer Jahre verrechnet werden können.
Die verheirateten Kläger erzielten im Streitjahr 2009 neben Einkünften aus Gewerbebetrieb und Vermietung und Verpachtung u.a. auch Einkünfte aus Kapitalvermögen. Zum 31.12.2008 war für die Kläger ein verbleibender Verlustvortrag zur Einkommensteuer festgestellt worden, der aus negativen Kapitaleinkünften der Vorjahre herrührte. Die Kläger vertraten die Auffassung, dass der Verlustvortrag isoliert mit den im Jahr 2009 erzielten Kapitaleinkünften verrechnet werden könne und auf die verbleibenden Kapitalerträge der günstige Abgeltungssteuersatz iHv 25% Anwendung finden müsse. Das Finanzamt lehnte dies ab und verrechnete die festgestellten Altverluste im Rahmen der sog. Günstigerprüfung für Kapitalerträge mit den gesamten von den Klägern erzielten Einkünften und wandte auf den verbleibenden Betrag den über 25% liegenden tariflichen Einkommensteuersatz der Kläger an.*
Der 2. Senat teilte die Auffassung des Finanzamts und wies die Klage ab. Die gesetzlichen Regelungen zur Abgeltungssteuer ließen es zwar in § 32d Abs. 4 EStG zu, bestimmte Sachverhalte im Rahmen der Steuerveranlagung abzuziehen und trotzdem den günstigen Abgeltungssteuertarif anzuwenden. Nach Sinn und Zweck der Abgeltungssteuer seien hierbei aber nur solche Sachverhalte zu erfassen, die vom jeweiligen Kreditinstitut, das zur Einbehaltung und Abführung der Kapitalertragsteuer auf die Kapitalerträge verpflichtet sei, nicht berücksichtigt werden konnten. Hierzu gehören bspw. ein nicht ausgeschöpfter Sparerpauschbetrag oder Verluste, die bei einem anderen Kreditinstitut realisiert wurden. Auch aus den Regelungen über die Verrechnung von Altverlusten aus privaten Veräußerungsgeschäften mit Wertpapieren nach § 23 EStG ergebe sich nichts anderes. § 20 Abs. 6 EStG lasse zwar grundsätzlich eine Verrechnung von Verlusten aus Wertpapiergeschäften für einen Übergangszeitraum von fünf Jahren bis zum 31.12.2013 zu. Die Regelung gelte aber nur für Wertpapiere, die nach dem 31.12.2008 erworben wurden und nicht für Verluste aus Kapitalvermögen, die vor Einführung der Abgeltungssteuer bis zum 31.12.2008 angefallen seien. Eine Berücksichtigung der festgestellten Altverluste sei nur außerhalb der Abgeltungsbesteuerung möglich.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hat das Gericht die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.
* Die Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG gibt dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit, seine Kapitalerträge nicht der Abgeltungsbesteuerung, sondern der tariflichen Einkommensteuer zu unterwerfen. Die Günstigerprüfung kann u.a. dazu genutzt werden, Verluste aus anderen Einkunftsarten mit positiven Kapitalerträgen zu verrechnen oder auch die Einkünfte aus Kapitalvermögen der tariflichen Einkommensteuer zu unterwerfen, wenn diese niedriger sein sollte als der Abgeltungssteuersatz iHv 25%.