Nachfolgend ein Beitrag vom 12.09.2016 von Prätzler, jurisPR-SteuerR 37/2016 Anm. 6

Leitsatz

Sale-and-lease-back-Geschäfte können als Mitwirkung des Käufers und Leasinggebers an einer bilanziellen Gestaltung des Verkäufers und Leasingnehmers zu steuerpflichtigen sonstigen Leistungen führen.

A. Problemstellung

Sogenannte Sale-and-lease-back-Transaktionen sind umsatzsteuerlich komplex zu beurteilen. Mit einem aktuellen Urteil kommt der BFH nunmehr zu einer weiteren Bewertungsmöglichkeit.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Revisionsklägerin, eine GbR, war im Jahr 2006 mit dem Zweck errichtet worden, elektronische Informationssysteme von der Firma I zu kaufen und sie sofort an diese zurückzuverleasen. Im gleichen Jahr fand ein entsprechender Ankauf (Bemessungsgrundlage 960.000 Euro zzgl. 19% Umsatzsteuer) statt. Zusätzlich gewährte die Firma I der GbR ein verzinsliches Darlehen über 640.000 Euro für 48 Monate. Die Informationssysteme wurden mit einer Vertragslaufzeit von 48 Monaten sofort an I umsatzsteuerpflichtig zurückverleast, wobei sie sich im Betrieb eines anderen Unternehmens befanden. I war verpflichtet, die Gefahr des Untergangs, Verlusts oder Diebstahls oder von Beschädigungen des Leasinggegenstands zu übernehmen.
Die GbR stellte am 05.03.2007 eine Leasingrechnung an I, in der sie die monatliche Umsatzsteuer auswies und auf den Vertrag mit 48 Raten verwies. Übergabe der Systeme sollte am 29.12.2006 gewesen sein, die erste Rate war im Februar 2007 fällig und sie wurde entsprechend beglichen. Nachdem jedoch I keine weiteren Zahlungen leistete, kündigte die GbR den Vertrag außerordentlich.
Das zuständige Finanzamt war der Auffassung, die GbR habe keine steuerpflichtigen Umsätze ausgeführt, sondern eine steuerfreie Kreditgewährung (§ 4 Nr. 8 lit. a UStG). Daher sei die GbR nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt und sie schulde die in der Leasingrechnung ausgewiesene Umsatzsteuer nach § 14c UStG.
Nach weitgehend erfolglosem Einspruch erhob die GbR, gleichermaßen ohne Erfolg, finanzgerichtliche Klage. Das Finanzgericht (vgl. FG Münster, Urt. v. 11.12.2014 – 5 K 79/14 U – EFG 2015, 774) entschied, dass der Kaufvertrag und der Leasingvertrag über die Informationssysteme einheitlich als steuerfreie Kreditgewährung mit Sicherungsübereignung zu bewerten seien. Es fehle an der notwendigen tatsächlichen Sachherrschaft für eine Lieferung der Systeme an die GbR.
Hiergegen wandte sich die GbR mit der Revision zum BFH. Der BFH hat die Revision für begründet erklärt und das finanzgerichtliche Urteil aufgehoben, jedoch für weitere Feststellungen an das Finanzgericht zurückverwiesen.
Die GbR habe eine steuerpflichtige sonstige Leistung an die I erbracht, so dass sie grundsätzlich das Vorsteuerabzugsrecht geltend machen könne. Eine Lieferung von Gegenständen setze voraus, dass eigentümerähnliche Verfügungsmacht an einem Gegenstand einem anderen verschafft wurde (vgl. Art. 14 Abs. 1 MwStSystRL, dazu u.a. EuGH, Urt. v. 15.12.2005 – C-63/04 – EuGHE 2005, I-11087 „Centralan“). Bei einem Leasinggeschäft sei stets für die Beurteilung auf das Gesamtbild der Verhältnisse abzustellen, und es sei denkbar, mehrere formell selbstständige Verträge als Einheit anzusehen. Insbesondere sei ein Vertrag, der zum Ende der Laufzeit eine Übertragung des Eigentums auf den Leasingnehmer vorsehe, oder der diesem wesentliche Chancen und Risiken übertrage, und bei dem die abgezinste Summe der Leasingraten praktisch dem Verkehrswert des Leasinggegenstandes entspreche, in der Regel als Lieferung von Gegenständen anzusehen (vgl. EuGH, Urt. v. 02.07.2015 – C-209/14 – HFR 2015, 819 „NLB Leasing“, m. Anm. Fischer, jurisPR-SteuerR 38/2015 Anm. 1, und EuGH, Urt. v. 16.02.2012 – C-118/11 – DStRE 2012, 1077 = UR 2012, 230 „Eon Aset Menidjmunt“).
Das Finanzgericht habe den vorliegenden Vertrag insoweit rechtsfehlerfrei so bewertet, dass die Informationssysteme trotz des zivilrechtlichen Eigentumsübergangs an die GbR weder umsatzsteuerlich an diese noch von dieser zurückgeliefert worden seien. Auch treffe die Auffassung des Finanzgerichts zu, den Kauf- und Darlehensvertrag und den Leasingvertrag zusammengefasst zu beurteilen. Beide Verträge seien eng miteinander verknüpft und voneinander abhängig. Der BFH erklärt hierbei sowohl die fehlende automatische Eigentumsübertragung (es bestand nur ein Andienungsrecht der GbR gegenüber der I) als auch die Regeln zur Gefahrtragung für bei der Gesamtbetrachtung nicht ausschlaggebend.
Allerdings habe die GbR nicht, wie vom Finanzgericht vertreten, eine Darlehensgewährung ausgeführt. Ein Darlehen setze voraus, dass eine Finanzierungsleistung erbracht werde. Die entsprechende Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 8 lit. a UStG müsse eng ausgelegt werden. Im vorliegenden Fall sei der Erwerb des Leasingguts überwiegend durch ein Darlehen der I finanziert worden, womit eine Finanzierung der I durch die GbR weitgehend ausscheide.
Der Leistungsschwerpunkt der GbR bestehe vielmehr in der Mitwirkung an einer bilanziellen Gestaltung zugunsten der I, denn diese habe damit die Möglichkeit erhalten, trotz des § 248 Abs. 2 HGB, der die Aktivierung selbstgeschaffener immaterieller Vermögensgegenstände des Anlagevermögens verbiete, einen Aktivposten auszuweisen, nämlich für die Kaufpreisforderung gegen die GbR. Diese Möglichkeit sei ein wirtschaftlicher Vorteil, den die GbR der I gegen Entgelt verschafft habe.
Weiterhin liege kein Fall des § 14c Abs. 2 UStG vor, denn die Rechnung der GbR verweise zutreffend auf den in der Zukunft liegenden Leistungszeitpunkt, und durch Bezugnahme auf den Leasingvertrag sei die Leistung zutreffend bezeichnet.
Das Finanzgericht müsse jedoch noch aufklären, wann die GbR ihre Leistung erbracht habe, und ob eine Teilleistung im Streitjahr vorliege. Der BFH hält es für denkbar, dass die Leistung bereits mit Vertragsschluss und damit im Jahr 2006 ausgeführt worden ist. Zusätzlich gibt er dem Finanzgericht die ggf. zu prüfende Frage mit, ob Uneinbringlichkeit eines Teilentgelts nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG in 2007 eingetreten ist.

C. Kontext der Entscheidung

In einer Grundsatzentscheidung hatte der BFH im Jahr 2006 für Umsatzsteuerzwecke einen Sale-and-lease-back (genau genommen „Sale-and-Mietkauf-back“)-Fall so bewertet, dass er nicht von einer Lieferung des Gegenstandes und einer Vermietung, sondern von einer Gesamtbetrachtung als Finanzierungsgeschäft mit Sicherungseigentum ausging (vgl. BFH, Urt. v. 09.02.2006 – V R 22/03 – BFHE 213, 83 = BStBl II 2006, 727, m. Anm. Grube, jurisPR-SteuerR 36/2006 Anm. 5). Das entsprechende Urteil wurde in der Folge durch die Finanzverwaltung angewendet, wobei diese, dem BFH folgend, stets auf eine Einzelfallprüfung abstellen will (vgl. aktuell Abschn. 3.5 Abs. 7 UStAE, mit Fallbeispielen). Die entsprechende Problematik war im deutschen Steuerrecht allerdings keine neue Entwicklung, sondern ertragsteuerlich war sie bereits viele Jahre zuvor bekannt, und auch zur Umsatzsteuer nahm die Finanzverwaltung bereits vor Jahrzehnten erstmals in ähnlicher Form Stellung.
In der Praxis wird in der Regel bei einer Einstufung als Kreditgewährung und Vorsteuerabzugsrecht des Leasingnehmers zur Steuerpflicht optiert (§ 9 Abs. 1 UStG), damit der Leasinggeber aus einen allgemeinen Kosten das Vorsteuerabzugsrecht behält.
Unionsrechtlich lässt sich die Einordnung des Sale-and-lease-back sowohl auf EuGH-Rechtsprechung zum Lieferbegriff stützen (vgl. EuGH, Urt. v. 15.12.2005 – C-63/04 „Centralan“: entscheidend ist weder das zivilrechtliche Eigentum noch der unmittelbare Besitz, sondern es kommt auf eine Gesamtbetrachtung der relevanten Rechte, Chancen und Risiken an) als auch auf die beiden vom BFH zitierten Grundsatzentscheidungen zu Leasingverträgen in den Rechtssachen „Eon Aset Menidjmunt“ und „NLB Leasing“. Dabei ist erwähnenswert, dass der EuGH in beiden Urteilen sich auf IAS 17 bezieht, obwohl in der Vergangenheit regelmäßig rein bilanzielle Vorschriften für die Umsatzsteuer für nicht relevant gehalten worden waren.
Die Lösung des BFH ist im Übrigen logisch begründbar, insbesondere die Verneinung der steuerfreien Kreditgewährung überzeugt. Fraglich ist allerdings, ob die angenommene Leistung der „Bilanzgestaltung“ tatsächlich eine Bemessungsgrundlage in Höhe der gesamten Leasingraten haben kann (was der BFH genau genommen nicht eindeutig aussagt, wegen fehlender Verfahrensrelevanz). Meines Erachtens wäre es zutreffender, für die Bemessungsgrundlage, ähnlich dem Fall der Kreditgewährung, auf die entsprechende Differenz zwischen „Kaufpreis“ (der umsatzsteuerlich ein Nullum wäre) und Summe der Leasingraten abzustellen.
Unternehmen müssen bedenken, dass Falschbeurteilungen massive Konsequenzen haben können. Wird von einer Kombination aus Verkauf und Leasing ausgegangen und entsprechend abgerechnet, aber später eine Kreditgewährung angenommen, so erfüllt die Rechnung über die Lieferung des Gegenstandes den Tatbestand des § 14c Abs. 2 UStG (Rechnung über die ausgeführte Leistung), so dass der Leasinggeber und Käufer kein Vorsteuerabzugsrecht besitzt (ggf. Nachzahlungszinsen nach § 233a AO auf die Berichtigung). Gleiches gilt für die Abrechnung der Leasingraten durch den Leasinggeber mit entsprechenden Rechtsfolgen für den Vorsteuerabzug des Leasingnehmers. Eine Berichtigung der Steuerschuld nach § 14c Abs. 2 UStG ist nur bei Beseitigung der Gefährdung des Steueraufkommens auf Antrag möglich und damit vor allem bei Insolvenz eines der Beteiligten regelmäßig aussichtslos.
Kommt man alternativ nachträglich zu einer „Bilanzgestaltungsleistung“, treten für die irrtümlich entsprechend behandelte Lieferung des Gegenstandes die gleichen Rechtsfolgen ein, jedoch wären die Leasingrechnungen nicht in vollem Umfang fehlerhaft.
Gehen die Parteien irrtümlich von einer Kreditgewährung aus, aber handelt es sich um eine Lieferung mit Vermietung, so lebt rückwirkend volle Umsatzsteuer auf die Lieferung des Leasingguts durch den Leasingnehmer auf (plus Nachzahlungszinsen), während der Leasinggeber das entsprechende Vorsteuerabzugsrecht erst nach Erhalt einer ordnungsgemäßen Rechnung (§ 14 UStG i.V.m. § 15 Abs. 1 UStG) geltend machen kann. Zusätzlich schuldet der Leasinggeber Umsatzsteuer auf die Leasingraten, abermals nebst Nachzahlungszinsen, und abermals mit Vorsteuerabzugsrecht des Leasingnehmers erst nach Rechnungsübermittlung. Ist die wahre Beurteilung eine „Bilanzgestaltung“, so sollten negative Rechtsfolgen nur eintreten, wenn der Kredit als steuerfrei angesehen wurde bzw. falls die Leistungsbeschreibung in den entsprechenden Rechnungen auf eine Kreditgewährung abstellte.
Bei einer fehlerhaften Einordnung als „Bilanzgestaltung“ und in Wahrheit einem Vorliegen von Lieferung und Rückvermietung treten schließlich sehr ähnliche Folgen ein.
Zusätzlich ist das Urteil wegen der Ausführungen zur Leistungsbeschreibung bedeutsam, denn der BFH hielt den Verweis auf den Vertrag für ausreichend, um einen Fall des § 14c Abs. 2 UStG auszuschließen. Fraglich ist jedoch angesichts der sonst sehr engen Linie der Rechtsprechung (vgl. BFH, Urt. v. 15.05.2012 – XI R 32/10 – BFH/NV 2012, 1836; BFH, Urt. v. 08.10.2008 – V R 59/07 – BFHE 222, 189 = BStBl II 2009, 218), ob dies nur für § 14c UStG gilt oder auch für den Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers.

D. Auswirkungen für die Praxis

Die zutreffende umsatzsteuerliche Beurteilung von Sale-and-lease-back-Verträgen wird durch die Entscheidung nicht erleichtert. Neben die denkbaren Einordnungen als Liefergeschäft und steuerpflichtige (Rück-)Vermietung sowie als reine Kreditgewährung tritt als dritte Variante nunmehr die sonstige Leistung besonderer Art „Mitwirkung an bilanzieller Gestaltung“. Es ist davon auszugehen, dass es noch häufiger zu Prüfungsbeanstandungen kommen wird. Beteiligte werden sich bei größeren Transaktionen fragen müssen, ob nicht ein Antrag auf verbindliche Auskunft ratsam ist, auch wenn dieser eine Gebührenpflicht zur Folge hat. Die Rechtsfolgen einer umsatzsteuerlichen Fehlbeurteilung können jedoch erheblich sein.