Nachfolgend ein Beitrag vom 5.3.2018 von Fischer, jurisPR-SteuerR 9/2018 Anm. 1

Zum BMF-Schreiben (koordinierter Ländererlass) v. 15.12.2017 – IV C 4-S-2223/17/10001 (BStBl I 2018, 246)

I. Crowdfunding – Modelle und Begrifflichkeiten

Crowdfunding, auch Schwarmfinanzierung genannt (auch: peer-to-peer-basierte Finanzierung), ist eine Alternative zur traditionellen Finanzierung durch Banken, mit der beispielsweise für soziale, karitative oder kreative Projekte Geld eingesammelt wird. Häufig wird Crowdfunding auch von Start-up-Unternehmen und Initiatoren innovativer Projekte zur Kapitalbeschaffung genutzt. Diese Finanzierungsform wird in der Regel über Internetplattformen (Crowdfunding-Portale) abgewickelt. Beispielhaft ist die von der Investitionsbank Schleswig-Holstein betriebene Spendenplattform für Schleswig-Holstein www.wir-bewegen.sh zu nennen (https://www.crowdfunding.de/spenden-crowdfunding-fundraising-neu-gedacht/, abgerufen am 21.02.2018). Crowdfunden ist nicht gleichzusetzen mit Spenden, da Crowdfunding-Beiträge in der Regel auf den Erhalt einer Gegenleistung abzielen, echte Spenden aber nicht an eine Gegenleistung geknüpft sein dürfen. Organisation und Abwicklung der einzelnen Akquisemethoden können dabei sehr unterschiedlich gestaltet sein.

Es werden im Wesentlichen vier Modelle unterschieden (https://www.bafin.de/DE/Aufsicht/FinTech/Crowdfunding/crowdfunding_node.html, abgerufen am 21.02.2018):

• Gegenleistungsbasiertes Crowdfunding: Die Geldgeber erhalten eine symbolische, nicht-monetäre Gegenleistung, wie beispielsweise die Nennung ihres Namens im Abspann eines mitfinanzierten Films oder persönliche Gegenstände des Künstlers, dessen Werk mitfinanziert wurde.
• Crowdinvesting (Equity Based Crowdfunding): Der Geldgeber erhält eine Beteiligung an zukünftigen Gewinnen des finanzierten Projekts oder, wenn das Investment mit Wertpapieranlagen verbunden ist, Anteile oder Schuldinstrumente.
• Crowdlending (Kreditbasiertes/Lending Based Crowdfunding): Die Geldgeber erhalten das Versprechen, dass ihnen der Betrag mit oder ohne Zinsen zurückgezahlt wird. Für die reine Vermittlung von Krediten ist keine Erlaubnis nach dem KWG erforderlich, allerdings gegebenenfalls nach § 34c GewO. Auf das BaFin-Merkblatt zur Erlaubnispflicht der Betreiber und Nutzer einer internetbasierten Kreditvermittlungsplattform wird hingewiesen.
• Spendenbasiertes Crowdfunding: Das Publikum spendet in einem bestimmten Zeitraum für ein konkretes Projekt Geld, ohne hierfür eine Gegenleistung zu erhalten.

II. Crowdfunding und Finanzdienstleistungsaufsicht

Aufsichtsrechtlich liegt das Augenmerk für die BaFin daher auf dem Crowdinvesting und dem Crowdlending. (vgl.a. die Webseite der BaFin „Crowdfunding und der graue Kapitalmarkt“).

Im Zuge der parlamentarischen Debatte des Kleinanlegerschutzgesetzes vom 03.07.2015 wurden Befreiungsvorschriften in den §§ 2a bis 2c des Vermögensanlagegesetzes (VermAnlG) auf soziale und gemeinnützige Projekte sowie Religionsgemeinschaften ausgeweitet, damit sich entsprechende Projekte weiterhin über Vermögensanlagen finanzieren können, ohne der Prospektpflicht und bestimmten anderen Vorschriften des VermAnlG zu unterliegen. Der Finanzausschuss des Bundestages hatte in seinem Bericht zum Kleinanlegerschutzgesetz die Bundesregierung gebeten, bis zum Ablauf des Jahres 2016 eine Evaluierung der neu in das VermAnlG eingeführten Befreiungsvorschriften für Schwarmfinanzierungen, soziale und gemeinnützige Projekte sowie Religionsgemeinschaften zu erstellen und dem Finanzausschuss mit einer Stellungnahme zu gegebenenfalls erforderlichen Änderungen zu übermitteln. Die von Wissenschaftlern des ifo Instituts, der Universität Trier und der Humboldt-Universität zu Berlin gemeinsam erstellte Studie hatte eine empirische Datenerhebung zu diesen Vorschriften zum Gegenstand. Zur Evaluierung im Einzelnen unter Berücksichtigung der Befreiungsvorschriften für soziale und gemeinnützige Projekte sowie Religionsgemeinschaften nach den §§ 2b, 2c VermAnlG wird verwiesen auf den Monatsbericht des BMF 7/2017. Die vollständige Studie ist auf der Internetseite des BMF veröffentlicht. Die Erhebung von Daten insbesondere durch Befragung von Experten hat ergeben, dass die §§ 2b, 2c VermAnlG bislang keine praktische Relevanz hätten.

III. Aufsichtsrechtliche Pflichten und Verantwortung des Anlegers

Aufschlussreich ist der im BaFin Journal Ausgabe Juni 2014 veröffentlichte Beitrag „Aufsichtsrechtliche Pflichten und Verantwortung des Anlegers“ (https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Fachartikel/2014/fa_bj_1406_crowdfunding.htm, abgerufen am 21.02.2018). Dort wird darauf hingewiesen, dass es sich beim Crowdfunding um Angebote des Grauen Kapitalmarkts handelt, was bedeutet, dass der Anbieter keine Erlaubnis der BaFin benötigt (Beitrag „Grauer Kapitalmarkt“, BaFinJournal März 2014). Investoren und Anleger sollten die Risiken kennen. Die BaFin prüft die Erlaubnispflicht nach § 32 Abs. 1 KWG. Nach dieser Vorschrift bedarf der schriftlichen Erlaubnis der Aufsichtsbehörde, wer im Inland gewerbsmäßig oder in einem Umfang, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, Bankgeschäfte betreiben oder Finanzdienstleistungen erbringen will. Der genannte Beitrag enthält eine umfängliche Darstellung der Pflichtenlagen nach dem KWG.

Es können ferner – wie grundsätzlich bei allen gemeinnützigen Mittelbeschaffungskörperschaften – Erlaubnispflichten nach dem Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG) bestehen, wenn der Betreiber der Crowdfunding-Plattform Gelder von Anlegern entgegennimmt und an die Anbieter z.B. einer Unternehmensbeteiligung weiterleitet. Finanztransfergeschäfte gelten aufsichtsrechtlich gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 6 ZAG als erlaubnispflichtige Zahlungsdienste (vgl. BaFin-Merkblatt mit Hinweisen zum ZAG). § 2 Abs. 1 Nr. 15 ZAG normiert „eine eng definierte Bereichsausnahme“ (BT-Drs. 18/11613, S. 118) für „die nicht gewerbsmäßige Entgegennahme und Übergabe von Bargeld (!) im Rahmen einer gemeinnützigen Tätigkeit oder einer Tätigkeit ohne Erwerbszweck“ (vgl. hierzu das genannte BaFin-Merkblatt unter 3. Buchst. o).

Für öffentliche Angebote ab 100.000 Euro kann eine Prospektpflicht nach dem Wertpapierprospektgesetz (WpPG) bestehen.

IV. Ungelöste Fragen der Steueraufsicht

Der Verfassungsschutz hat ein weiteres Betätigungsfeld. In der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE hat sich die Bundesregierung mit den Aktivitäten der rechtsextremen „Identitären Bewegung“ im Mittelmeer befasst (BT-Drs. 18/13539). Diese hat, um Rettungen von Bootsflüchtlingen im Mittelmeer durch Seenotrettungs-NGOs zu verhindern und Geflüchtete zurück nach Libyen zu bringen, ein Schiff gemietet, welches im Mittelmeer kreuzen soll. Finanziert wird das Boot mit Hilfe von Spendengeldern einer Crowdfunding-Kampagne. Dies zeigt, dass sich hier auch für die zur gegebenenfalls grenzüberschreitenden Amtsermittlung verpflichtete Steueraufsicht schwierige Probleme stellen. Diese werden im BMF-Schreiben vom 15.12.2017 nicht angesprochen.

V. „Klassisches Crowdfunding“

Das BMF-Schreiben vom 15.12.2017 versteht unter „klassischem Crowdfunding“ die – möglichst effiziente – Anlauffinanzierung von sog. Start-up-Unternehmen. Die Unterstützer dieses „klassischen Crowdfunding“ erhalten für ihren Beitrag zur Erreichung des Finanzierungsziels eine Gegenleistung. Dieser Beitrag ist nicht als „Spende“ abziehbar. Eine Spende muss ohne die Erwartung eines besonderen Vorteils an einen begünstigten Zuwendungsempfänger i.S.v. § 10b Abs. 1 Satz 2 EStG gegeben werden und die Spendenmotivation im Vordergrund stehen. Die steuerliche Entlastung der Spende ist nur gerechtfertigt, wenn sie ausschließlich fremdnützig, d.h. zur Förderung des Gemeinwohls verwendet wird. Auch im Falle einer Teilentgeltlichkeit fehlt der Zuwendung insgesamt die geforderte Uneigennützigkeit (BFH, Urt. v. 02.08.2006 – XI R 6/03 – BStBl II 2007, 8). Ein Spendenabzug scheitert beim „klassischen Crowdfunding“ regelmäßig deswegen, weil der Zuwendungsempfänger entweder nicht steuerbegünstigt ist oder weil der Zuwendende für seine Leistung eine Gegenleistung erhält – auf das Verhältnis von Leistung oder Gegenleistung kommt es dabei nicht an (BFH, Urt. v. 25.08.1987 – IX R 24/85 – BStBl II 1987, 850; BFH, Urt. v. 12.08.1999 – XI R 65/98 – BStBl II 2000, 65).

Soweit die Projektunterstützer ihr Vermögen mittels Crowdinvesting oder Crowdlendig lediglich umschichten, scheidet ein Spendenabzug aus. Denn eine Spende i.S.d. § 10b Abs. 1 Satz 1 EStG setzt die endgültige wirtschaftliche Belastung des jeweiligen Geldgebers voraus (BFH, Urt. v. 20.02.1991 – X R 191/87 – BStBl II 1991, 690).

VI. „Spenden-Crowding“

Das BMF-Schreiben widmet sich in seinem Abschnitt III dem „Spenden Crowdfunding“. Dieses wird definiert als anlassbezogene Spendensammlungen, die in der Regel ein festes Sammlungsziel haben. Nur bei Erreichen des Sammlungsziels in der vorgegebenen Höhe und Zeit leitet das Crowdfunding-Portal die eingesammelten Mittel an die jeweiligen Projektveranstalter weiter. Wenn der Empfänger der Finanzierungsmittel aus dem Crowdfunding eine nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG i.V.m. den §§ 51 ff. AO steuerbegünstigte Körperschaft oder juristische Person des öffentlichen Rechts ist, ist diese nach den allgemeinen gemeinnützigkeits- und spendenrechtlichen Regelungen berechtigt, für die erhaltenen Mittel Zuwendungsbestätigungen nach § 50 Abs. 1 EStDV auszustellen.

VII. Das Crowdfunding-Portal als Treuhänder

Tritt das Crowdfunding-Portal als Treuhänder für den Projektveranstalter auf, ist dieser unter den Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG i.V.m. den §§ 51 ff. AO zur Ausstellung von Zuwendungsbestätigungen befugt, wenn

• die Unterstützer des Projekts für ihre Zuwendung keine Gegenleistung erhalten, sondern allenfalls ein rein symbolisches „Dankeschön“ (z.B. Übermittlung eines Rechenschaftsberichts über die Durchführung des finanzierten Projekts),
• das finanzierte Projekt in Verwirklichung seiner steuerbegünstigten, satzungsmäßigen Zwecke durchgeführt wird und
• eine zweifelsfreie Zuordnung der Spenden zum jeweiligen Zuwendenden möglich ist. Zweifelsfrei zuordenbar sind die Zuwendungen dann, wenn das Crowdfunding-Portal Angaben über den Namen und die Adresse der Spender sowie die Höhe des jeweiligen Spendenbetrags in Form einer Spenderliste dokumentiert und gemeinsam mit den Spendenmitteln an den Projektveranstalter übermittelt hat. Die Summe der in der Liste aufgeführten Beträge darf dabei den tatsächlich zugewandten Betrag nicht überschreiten.

Ist das Crowdfunding-Portal eine Förderkörperschaft nach § 58 Nr. 1 AO, ist es unter den vorgenannten Bedingungen berechtigt, an die Spender Zuwendungsbestätigungen i.S.d. § 50 Abs. 1 EStDV auszustellen. In diesen Fällen ist eine vereinfachte Nachweisführung gemäß § 50 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStDV unter den dort geregelten Voraussetzungen möglich.

Ist das Crowdfunding-Portal selbst Projektveranstalter und eine nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG i.V.m. den §§ 51 ff. AO steuerbegünstigte Körperschaft oder eine juristische Person des öffentlichen Rechts, ist es selbst zur Ausstellung von Zuwendungsbestätigungen nach § 50 Abs. 1 EStDV berechtigt. Dies gilt auch für den vereinfachten Zuwendungsnachweis nach § 50 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStDV.

VIII. Rechtspolitische Perspektiven

In dem am 07.02.2018 unterzeichneten Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD heißt es:

„Wir werden prüfen, wie ein ‚Zivilgesellschaftliches Digitalisierungsprogramm‘ für ehrenamtliches Engagement ausgestaltet und auf den Weg gebracht werden könnte. Dabei werden wir auch prüfen, wie die Finanzierung von zivil- und ehrenamtlichen Initiativen mit gemeinnützigen Zwecken über in Deutschland ansässige Spenden- oder Crowdfunding-Plattformen gefördert werden kann.“

Man wird sehen, ob dieses vage formulierte Ziel umgesetzt werden wird. Mit der Beschränkung auf in Deutschland ansässige Plattformen trägt es den Keim der Europarechtswidrigkeit in sich.

Spendenrechtliche Beurteilung von
Thomas HansenRechtsanwalt
  • Fachanwalt für Steuerrecht
  • Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

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