Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg hat in einer aktuellen Entscheidung dazu Stellung genommen, welche Voraussetzungen rechtswidrig erworbene Daten einer Schweizer Bank erfüllen müssen, um im Besteuerungsverfahren verwertet werden zu können.

Im Rahmen eines Strafverfahrens wegen Erpressung einer Schweizer Bank wurden rechtswidrig entwendete vertrauliche Unterlagen über Anlagen der Bankkunden der Staatsanwaltschaft und von dieser den Finanzbehörden übergeben. Unter den Anlegern war nach Ansicht der Finanzbehörden auch ein Ehepaar, in dessen Steuererklärung sich keine Angaben zu Schweizer Kapitaleinkünften finden ließen. Das Ehepaar bestritt auch die Existenz solcher Einkünfte. Aus den Unterlagen ergab sich weder der vollständige Name noch die vollständige Anschrift des Ehepaars, lediglich das Passwort entsprach dem Vornamen der Tochter. Ferner waren Angaben zum Kurswert zu einem bestimmten Stichtag sowie dem Vermögenswert des Depots an diesem Tag enthalten. Auch wurden das Datum der Depoteröffnung und der Name des Kundenbetreuers angegeben. Das eingeleitete Steuerstrafverfahren wurde eingestellt, weil sich weder mit Sicherheit feststellen ließ, dass dem Ehepaar dieses Depot zuzuordnen war, noch welche Einkünfte mit diesem Depotvermögen erzielt worden waren. Gleichwohl wurden im Besteuerungsverfahren die Einkünfte mit einem durchschnittlichen Zinsertrag von 5 % für die Streitjahre angesetzt. Die dagegen gerichtete Klage hatte Erfolg.

Vorliegen neuer Tatsachen erforderlich

Die durchgeführte Änderung der Steuerbescheide erfordert eine Korrekturvorschrift. In Frage kommt § 173 AO, der u.a. neue Tatsachen verlangt. Das sind solche Tatsachen, die bereits bei der Veranlagung vorlagen, aber erst nach Erlass des Steuerbescheids der Finanzbehörde bekannt werden. Tatsache in diesem Sinne ist alles, was Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen Steuertatbestands sein kann. Hilfstatsachen dürfen dabei nur herangezogen werden, wenn sie einen sicheren Schluss auf das Vorliegen der Haupttatsache zulassen; bloße Vermutungen oder Wahrscheinlichkeiten reichen hingegen nicht aus. Eine solch hinreichende Tatsachenfeststellung erfordert, dass eine Zuordnung von Einnahmen zu einer bestimmten Einkunftsart sowie zu bestimmten Konten des Steuerpflichtigen nachvollziehbar und möglich ist.

Schätzungsbefugnis zur Ermittlung neuer Tatsachen

Dabei dürfen Zinsen der Höhe nach bei fehlenden anderweitigen Anhaltspunkten auf der Grundlage nachvollziehbarer Zinssätze im Wege der Schätzung ausnahmsweise auch unter der Annahme bestimmt werden, dass der Steuerpflichtige sein erworbenes Vermögen über einen längeren Zeitraum hinweg nicht für eigene Zwecke verwendet hat. Dies ist allerdings nur zulässig, wenn besondere Anhaltspunkte dafür vorliegen. Solche Anhaltspunkte können eine besonders ausgeprägte Sparneigung, die Existenz umfangreicher anderweitiger liquider Mittel oder die Eigenschaft des Auslandskontos als Aufbewahrungsort für nur schwer in den legalen Wirtschaftskreislauf rückführbares Steuerflucht- oder Schwarzgeld sein. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung ist zwar davon auszugehen, dass hohe Geldbeträge, wenn sie nicht alsbald benötigt werden, zins- und ertragsbringend angelegt werden. Dies allein reicht aber noch nicht aus, um dem Finanzamt eine Schätzungsbefugnis für den Ansatz von Kapitaleinkünften zu geben. Hinzukommen müssen vielmehr weitere Umstände, die es nahelegen, dass derartige Beträge tatsächlich zinsbringend angelegt worden sind.

Überprüfung dieser Schätzungsbefugnis

Im Entscheidungsfall hat sich das Finanzamt lediglich auf das Indiz einer möglichen Geschäftsbeziehung zu der Schweizer Bank gestützt, aber keine weiteren Ermittlungsmethoden durchgeführt. Dies reichte dem Finanzgericht nicht aus, so dass es auch keine Veranlassung sah, selbst weitere Ermittlungsmethoden vorzunehmen. Denn die Finanzbehörden tragen für die Verwirklichung der gesetzlichen Tatbestände der Einnahmeerzielung die objektive Beweislast. Daran ändert auch die in § 90 Abs. 2 AO den Steuerpflichtigen allgemein auferlegte erhöhte Mitwirkungspflicht bei Auslandssachverhalten nichts, wenn bereits auf der Stufe vorher dem Finanzamt kein ausreichender Nachweis für eine bestehende Geschäftsbeziehung des Steuerpflichtigen zu einer ausländischen Bank gelungen ist. Insbesondere kann vom Steuerpflichtigen nicht der Nachweis des Nichtvorhandenseins steuererheblicher Tatsachen (sog. Negativnachweis) verlangt werden. Ein solcher Nachweis ist unmöglich, weshalb für einen Negativbeweis auch keine Mitwirkungspflicht gem. § 90 AO besteht. Es besteht daher keine Verpflichtung eines Steuerpflichtigen nachzuweisen, dass er im Ausland kein Konto unterhält. Das Finanzamt muss positiv das Unterhalten des Kontos beweisen.

Zwar ist grundsätzlich auch eine Schätzung der Höhe der hinterzogenen Steuern durch das Finanzgericht möglich. Das setzt aber die Überzeugung des Finanzgerichts von einer begangenen Steuerhinterziehung voraus. Fehlt es an dieser Überzeugung, schließt es der Grundsatz „in dubio pro reo“ aus, die Schätzung der hinterzogenen Steuern entsprechend den allgemeinen Grundsätzen im Fall der Verletzung von Mitwirkungspflichten auf Wahrscheinlichkeitserwägungen, d.h. auf ein reduziertes Beweismaß zu stützen. Der strafverfahrensrechtliche Grundsatz „in dubio pro reo“ ist auch im finanzgerichtlichen Verfahren in der Weise zu beachten, dass die Finanzbehörde die objektive Beweislast für die steuerbegründenden Tatsachen trägt. Bei nicht behebbaren Zweifeln ist die Feststellung einer Steuerhinterziehung mittels reduzierten Beweismaßes und damit im Schätzungswege unzulässig. Weil unklar war, ob die Eheleute überhaupt über Vermögen bei der fraglichen Bank in der Schweiz verfügten, konnte auch nicht von einer Steuerhinterziehung ausgegangen werden. Folgerichtig hat das Finanzgericht die Klage abgewiesen.

Praxishinweise

Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg hat mit dieser Entscheidung die Verwertung von illegal erlangtem Beweismaterial einer ausländischen Bank zwar grundsätzlich gebilligt, also kein Beweisverwertungsverbot durchgreifen lassen. Es hat aber der Finanzbehörde eindeutig vorgegeben, dass bloße Indizien nicht ausreichen. Vielmehr müssen die vorhandenen Beweismittel umfänglich ausgewertet werden. Eine Schätzung darf dazu erst hinsichtlich der Höhe der hinterzogenen Steuern vorgenommen werden, nicht aber bezüglich der Feststellung, ob überhaupt Steuern hinterzogen worden sind, also hinsichtlich der Hinterziehung dem Grunde nach. Das Urteil ist in seiner Deutlichkeit zu begrüßen: Die Finanzbehörden müssen auch bei illegal erhaltenem Material die erforderlichen Ermittlungen vornehmen.