Nachfolgend ein Beitrag vom 20.11.2018 von Müller-Christmann, jurisPR-BKR 11/2018 Anm. 3
Orientierungssätze
1. Die zehnjährige (absolute) Verjährungsfrist gemäß § 199 Abs. 3 Satz 1 BGB läuft bei einem Schadensersatzanspruch aus Prospekthaftung mit Beginn des Tages nach Zeichnung der Anlage an und endet nach zehn Jahren mit Ablauf des Tages der Anlage (§§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB)
2. Dem Anleger ist es gemäß § 242 BGB verwehrt, sich auf eine Hemmung der Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB (Einreichung eines Güteantrages) zu berufen, wenn schon vor der Einreichung des Güteantrags feststeht, dass der Antragsgegner nicht bereit ist, an einem Güteverfahren mitzuwirken und sich auf eine außergerichtliche Einigung einzulassen und er dies dem Antragsteller schon im Vorfeld in eindeutiger Weise mitgeteilt hat.
A. Problemstellung
Das Urteil des OLG München befasst sich zwar sehr ausführlich mit der Haftung des Gründungskommanditisten für Prospektfehler. Wie man an den Orientierungssätzen erkennen kann, steht aber eine andere Frage im Mittelpunkt: die rechtsmissbräuchliche Einreichung eines Güteantrags zur Hemmung der Verjährung.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Klägerin begehrt im Wege des Schadensersatzes die Rückabwicklung ihrer Beteiligung an einem Medienfonds. Nach vorangegangener Beratung durch den Zeugen M. beteiligte sie sich durch Beitrittserklärung vom 17.12.2004 als Direktkommanditistin i.H.v. 60.000 Euro zuzüglich 3% Agio an der Fondsgesellschaft. Die Beklagte war am 29.09.2004 als Kommanditistin der Fondsgesellschaft in das Handelsregister eingetragen worden. Sie schloss als sog. Auftragnehmer mit der Fondsgesellschaft einerseits einen „Treuhand- und Mittelverwendungskontrollvertrag“ und begründete auf dessen Basis mit den jeweiligen beitretenden Zeichnern andererseits (Treugeber oder Direktkommanditisten) „Treuhandverhältnisse“. Dementsprechend bestand auch zwischen der Beklagten und der Klägerin ein Treuhandvertrag in Form einer Verwaltungstreuhand.
Die Klägerin, die zahlreiche Beratungsfehler und Prospektmängel geltend macht, hat die Beklagte am 26.11.2014 zur Rückabwicklung der Beteiligung aufgefordert, was diese unter Hinweis auf die eingetretene Verjährung zurückgewiesen hat. Mit anwaltlichem Schreiben vom 17.12.2014 stellte die Klägerin bei der Gütestelle einen Antrag auf Einleitung eines Güteverfahrens. Die Gütestelle erklärte mit Schreiben vom 04.02.2015 das Verfahren für beendet, da die Beklagte mitgeteilt hatte, dass sie der Durchführung eines Güteverfahrens nicht zustimme. Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Klägerin stehe ein Schadensersatzanspruch wegen Aufklärungspflichtverletzung bei Zeichnung ihrer Beteiligung aus den §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB nicht zu, da die gerügten Prospektfehler nicht vorlägen. Ein etwaiger Anspruch der Klagepartei auf Schadensersatz sei im Übrigen nach § 68 StBerG a.F. verjährt.
Die Berufung der Klägerin blieb vor dem OLG München ohne Erfolg.
Das Oberlandesgericht bejaht zwar einen Schadensersatzanspruch der Klägerin aus Prospekthaftung im weiteren Sinne gemäß den §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 282, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB. Die Beklagte könne sich jedoch mit Erfolg auf die Einrede der Verjährung berufen.
C. Kontext der Entscheidung
I. Haftung der Beklagten als Treuhandkommanditistin
Die Beklagte war nach den Feststellungen zum Zeitpunkt der Beitrittserklärung der Klägerin bereits Gesellschafterin der Fondsgesellschaft. Als solche hatte sie die Pflicht, der Klägerin für die Beitrittsentscheidung ein zutreffendes Bild über das Beteiligungsobjekt zu vermitteln und diese über alle Umstände, die für ihre Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, insbesondere über die mit der angebotenen speziellen Beteiligungsform verbundenen Nachteile und Risiken zutreffend, verständlich und vollständig aufzuklären (st. Rspr. vgl. BGH, Urt. v. 14.05.2012 – II ZR 69/12 Rn. 10 – WM 2012, 1298). Nach der Rechtsprechung kann dieser Aufklärungspflicht mit der rechtzeitigen Übergabe eines Prospekts Genüge getan werden. Das OLG München lässt die streitige Frage, ob der Prospekt rechtzeitig übergeben wurde, dahingestellt, weil jedenfalls die Beratung auf Grundlage des Prospekts erfolgte, sodass sich etwaige fehlerhafte Prospektangaben in das Beratungsgespräch hinein fortsetzten und genauso wirkten, wie wenn dem Anleger der Prospekt rechtzeitig übergeben worden wäre und er sich alleine aus dem Prospekt informiert hätte (BGH, Urt. v. 03.12.2007 – II ZR 21/06 Rn. 17 f. – ZIP 2008, 412; BGH, Urt. v. 03.11.2015 – II ZR 270/14 Rn. 14 – WM 2016, 72). Die Beklagte haftet daher aus Verschulden bei Vertragsschluss gegenüber Kapitalanlegern, die – wie die Klägerin – nach ihr dem Fonds beigetreten und dabei über die Risiken der Anlage nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden sind (vgl. BGH, Urt. v. 09.05.2017 – II ZR 344/15 Rn. 14 – ZIP 2017, 1267).
II. Prospektfehler
Der Prospekt ist, was hier nicht weiter vertieft werden soll, jedenfalls insoweit fehlerhaft, als das Mittelverwendungskonto als „Und-Konto“ bezeichnet wird, tatsächlich jedoch ein Einzelkonto der Fondsgesellschaft errichtet wurde und entgegen den Prospektangaben keine einem „Und-Konto“ vergleichbare Verfügungsbeschränkung für die Mitarbeiter der Fondsgesellschaft bestand. Die davon beeinträchtigte Effizienz der Mittelverwendungskontrolle wird zutreffend als ein Umstand von wesentlicher Bedeutung für die Anlageentscheidung bewertet. Die weiteren Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs (Kausalität, Verschulden) lagen unproblematisch vor. Die Beklagte ist daher gemäß § 249 Abs. 1 BGB verpflichtet, die Klägerin so zu stellen, als habe sich diese nicht an der Fondsgesellschaft beteiligt, ihr somit den Zeichnungsschaden zu erstatten. Nach der Lektüre dieses umfangreichen Teils der Urteilsgründe (Rn. 59-106) fragt man sich allerdings, warum sich das OLG München so viel Mühe mit der Begründung des Schadensersatzanspruchs macht, um abschließend (nun eher knapp begründet, Rn. 109-119) zu dem Ergebnis zu kommen, der Anspruch sei verjährt (vgl. unten III.-V.).
III. Verjährung
Die Vorschrift des § 68 StBerG a.F., auf die das Landgericht die Verjährung gestützt hatte, war zum Zeitpunkt der Beitrittserklärung der Klägerin vom 17.12.2004 nicht mehr in Kraft. Im Übrigen wäre diese Norm auf einen Schadensersatzanspruch wegen Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten der Beklagten als aufnehmende Gesellschafterin ohnehin nicht anwendbar (vgl. BGH, Urt. v. 20.03.2006 – II ZR 326/04 Rn. 8 – WM 2006, 860). Verjährung ist jedoch nach den allgemeinen Vorschriften gemäß den §§ 195, 199 BGB eingetreten, weil die absolute Verjährungsfrist des § 199 Abs. 3 Satz 1 BGB abgelaufen war. Der Anspruch ist mit Zeichnung der Anlage am 17.12.2004 entstanden (zum Verjährungsbeginn vgl. BGH, Urt. v. 24.03.2015 – XI ZR 278/14 – WM 2015, 1181 m. Anm. Müller-Christmann, jurisPR-BKR 3/2016 Anm. 2). Die zehnjährige Frist lief mit Tagesbeginn des 18.12.2004 an und endete mit Ablauf des 17.12.2014 (§§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB). Die im Juli 2015 erhobene gegenständliche Klage kam also eindeutig zu spät.
IV. Hemmung der Verjährung
Die Verjährung könnte allerdings gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB durch die Einreichung des Güteantrages vom 17.12.2014 wirksam gehemmt worden sein. Nach § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB wird die Verjährung durch die Veranlassung der Bekanntgabe eines Güteantrags oder – wenn die Veranlassung demnächst erfolgt – schon durch den Eingang des Antrags bei der Gütestelle gehemmt. Zwar hatte die für die Hemmung darlegungs- und beweispflichtige Klägerin hinreichend dargelegt, dass sie alles getan hat, um die Veranlassung der Bekanntgabe des Güteantrages „demnächst“ i.S.v. § 167 ZPO zu ermöglichen. Ferner genügte der Güteantrag vom 17.12.2014 den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgestellten formalen Anforderungen (vgl. dazu BGH, Urt. v. 18.06.2015 – III ZR 198/14 Rn. 19 – BGHZ 206, 41 m. Anm. Schnauder, jurisPR-BKR 12/2016 Anm. 2); insbesondere war der geltend gemachte Anspruch ausreichend individualisiert.
V. Rechtsmissbräuchliche Berufung auf die Hemmung
Der Klägerin ist es jedoch gemäß § 242 BGB verwehrt, sich auf eine Hemmung der Verjährung zu berufen. Es ist anerkannt, dass Maßnahmen zur Hemmung der Verjährung wegen Rechtsmissbräuchlichkeit wirkungslos sein können. In den letzten Jahren eine Rolle gespielt haben Fälle, in denen ein zur Hemmung der Verjährung eingereichter Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids die bewusst wahrheitswidrige Erklärung enthielt, dass die Gegenleistung bereits erbracht sei. Hier hat der BGH eindeutig Stellung bezogen: Bei Erschleichen eines Mahnbescheides durch bewusst falsche Angaben, die seinem Erlass entgegengestanden hätten, stellt sich das Berufen auf eine verjährungshemmende Wirkung als rechtsmissbräuchlich dar (BGH, Urt. v. 21.12.2011 – VIII ZR 157/11 – WM 2012, 560; abl. Peters/Jacoby in: Staudinger, BGB, 2014, § 204 Rn. 54). Grundsätzlich begründet es allerdings keinen Rechtsmissbrauch, wenn ein Antragsteller eine Gütestelle ausschließlich zum Zweck der Verjährungshemmung anruft. Eine Ausnahme hiervon wird dann gemacht, wenn schon vor der Einreichung des Güteantrags feststeht, dass der Antragsgegner nicht bereit ist, an einem Güteverfahren mitzuwirken und sich auf eine außergerichtliche Einigung einzulassen, und er dies dem Antragsteller schon im Vorfeld in eindeutiger Weise mitgeteilt hat (BGH, Urt. v. 28.10.2015, – IV ZR 526/14 Rn. 34 – WM 2015, 2292; BGH, Beschl. v. 17.02.2016 – IV ZR 374/14 Rn. 12; OLG Stuttgart, Beschl. v. 23.09.2016 – 6 U 90/16). Dieser Rechtsprechung schließt sich das OLG München hier an.
Auf den ersten Blick erscheint die Argumentation logisch: Wenn der Schuldner von Anfang an zu erkennen gibt, dass er nicht daran denkt, sich auf eine gütliche Streitbeilegung einzulassen, ergibt es wenig Sinn, gegen ihn ein Güteverfahren anzustrengen. Ignoriert der Gläubiger die klare Weigerung des Schuldners zur gütlichen Einigung und leitet trotz Aussichtslosigkeit einen Güteversuch ein, kann und will er seine Ansprüche mit diesem Verfahren in Wahrheit nicht aktiv und ernsthaft verfolgen. Das Güteverfahren wird so zur sinnlosen Förmelei (Grys, BKR 2016, 114). Von vornherein aussichtslose Güteverfahren lösen Konflikte weder rascher oder kostengünstiger noch tragen sie zum Rechtsfrieden bei. Sie belasten im Gegenteil die Konfliktparteien mit zusätzlichen vorprozessualen Kosten und zögern lediglich die unvermeidliche gerichtliche Auseinandersetzung hinaus. So einfach liegen die Dinge indes nicht immer: Die Weigerung der Beteiligten, sich zu einigen, ist typisches Merkmal einer Streitsituation. Selbst wenn eine Seite einmal geäußert hat, sich nicht auf eine außergerichtliche Einigung und ein Güteverfahren einlassen zu wollen, steht damit noch lange nicht fest, dass dies nach Einleitung des Güteverfahrens immer noch gilt oder gar eine Einigung ohne Einschaltung der Gerichte sicher ausscheidet. So ist es durchaus denkbar, dass für alternative Konfliktlösungen nicht aufgeschlossene Verhandlungsführer eine Einigungsinitiative zunächst abblocken, während bei einem förmlichen Güteverfahren andere Handelnde auftreten, die für eine gütliche Einigung offener sind (May/Röder, NJW 2016, 235).
Ferner ist zu bedenken, dass das Rechtsinstitut der Verjährung dem Schutz des Schuldners und der Herstellung des Rechtsfriedens nach Ablauf der Verjährungsfrist dient (BGH, Urt. v. 11.09.2012 – XI ZR 56/11 Rn. 24 – NJW 2013, 1228). Das Verjährungsrecht erfordert angesichts dieses Schutzzwecks eindeutige Regelungen und eine Auslegung, die die gebotene Rechtssicherheit gewährleistet. Zu Recht warnt Nasall (jurisPR-BGHZivilR 1/2016 Anm. 2), davor, das Güteverfahren durch den Rückgriff auf § 242 BGB zu entwerten. Hemmungstatbestände müssen klar definiert sein. Um es mit seinen Worten zu sagen: „Wer hier zu § 242 BGB greift, schafft nur Rechtsunsicherheit – Gift für ein anständiges Verjährungsrecht.“ Allenfalls bei Massenverfahren, bei denen die fehlende Bereitschaft des Schuldners, sich am Güteverfahren zu beteiligen, in früheren Fällen eindeutig kundgetan und immer wieder kundgetan wurde, erscheint ein Rückgriff auf § 242 BGB vertretbar. Ob der vorliegende Fall in diese Kategorie fällt, kann hier nicht abschließend bewertet werden.
D. Auswirkungen für die Praxis
Früher galt die Anbringung eines Güteantrags als ein probates Mittel zur Hemmung der Verjährung. Die Tatsache, dass solche Güteanträge häufig unter Zeitdruck am Jahresende und in Massenverfahren gestellt werden, mag erklären, dass in der Praxis häufig unzureichende Anträge anzutreffen waren. Fälle des Missbrauchs wie der vorliegende werden nicht so häufig vorkommen. Insgesamt zeigt sich aber erneut, dass die Wahl des Güteverfahrens zur Hemmung der Verjährung sich als „Verjährungsfalle“ erweisen kann.
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