Nachfolgend ein Beitrag vom 1.3.2012 von Cranshaw, jurisPR-InsR 4/2012 Anm. 1
Leitsatz

Wird die am Gesellschaftsvermögen und am Vermögen eines Gesellschafters gesicherte Forderung eines Darlehensgläubigers nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft durch Verwertung der Gesellschaftssicherheit befriedigt, ist der Gesellschafter zur Erstattung des an den Gläubiger ausgekehrten Betrages zur Insolvenzmasse verpflichtet.

A. Problemstellung

Der Insolvenzrechtssenat des BGH hatte sich mit der Frage zu befassen, ob der Insolvenzverwalter einer GmbH gegen den Gesellschafter, der einem Gesellschaftsgläubiger aus seinem Vermögen eine Sicherheit bestellt hat, einen Erstattungsanspruch hat, wenn der Gläubiger nicht die von dem Gesellschafter bestellte Sicherheit verwertet, sondern nach Insolvenzeröffnung Erlöse aus einer Sicherungsübereignung erhalten hat, die ihm die Gesellschaft als Kreditsicherheit eingeräumt hatte.
Die Problematik des vorliegenden Falles war ein typischer Geschehensablauf im eröffneten Insolvenzverfahren. Die Gesellschaftssicherheit wurde gerade nicht vor Eröffnung des Verfahrens, wie dies dem Leitbild des § 135 Abs. 2 InsO entspricht, sondern im eröffneten Verfahren durch den Insolvenzverwalter verwertet. Im Kern der Entscheidung des Senats stehen daher Auslegungsfragen zu den §§ 135, 143 InsO sowie zu der Vorschrift des § 44a InsO; diese Bestimmung ist am 01.11.2008 als Folge des MoMiG an die Stelle des früheren § 32a Abs. 2 GmbHG a.F. getreten. Die in der Praxis öfter auftretende Problematik resultiert daraus, dass der Gesetzgeber mit der Reform des GmbH-Gesetzes zugleich die früheren sog. Rechtsprechungsregeln zu den §§ 30, 31 GmbHG a.F. aufgehoben hat, die neben den Bestimmungen über den früheren Eigenkapitalersatz gemäß den §§ 32a, 32b GmbHG nach der ständigen Rechtsprechung des Gesellschaftsrechtssenats des BGH fortgalten. Diese Parallelität hatte zur Folge, dass gegen den Gesellschafter der GmbH (oder der ebenfalls unter die Eigenkapitalersatzregeln zu subsumierenden Gesellschaften) ein Erstattungsanspruch nach den §§ 30 f. GmbHG analog bestand, wenn er der Gesellschaft eine Sicherheit gestellt hatte, diese jedoch ganz oder teilweise nicht benötigt wurde, weil der Gläubiger Befriedigung seiner schuldrechtlichen Forderungen gegen die insolvente Gesellschaft durch die Verwertung von Gesellschaftssicherheiten erhalten hat (vgl. für „Altfälle“ mit Verfahrenseröffnung vor dem 91.11.2008 eingehend u.a. BGH, Urt. v. 20.07.2009 – II ZR 36/08 – NJW 2009, 2883 Rn. 9 f., 15). Tatbestandlicher Anknüpfungspunkt ist die Unterschreitung der „Stammkapitalziffer“ der Gesellschaft. Die Auszahlung an den Gläubiger aus der Gesellschaftssicherheit steht danach der unzulässigen Einlagenrückgewähr an den Gesellschafter in Höhe des Wertes seiner dem Gläubiger gewährten Sicherheit gleich. Nach dem Wegfall dieser Rechtsprechungsregeln (vgl. dazu die Regierungsbegründung des MoMiG, BT-Drs. 16/6140, S. 41 f., passim) verbleibt in solchen Fällen nach dem Gesetzeswortlaut allein die anfechtungsrechtliche Rückgewähr unter den Voraussetzungen der § 135 Abs. 2, § 143 InsO. In Praxis und Literatur wurde vor dem Hintergrund dieses Gesetzesdefizits postuliert, die Bestimmung des § 44a InsO sei auch auf die Fälle der Doppelbesicherung durch Gesellschafter und Gesellschaft anzuwenden, damit die Haftung des Gesellschafters nicht „zulasten der unbesicherten Insolvenzgläubiger ausgehöhlt wird“ (so u.a. Thiessen in: Bork/Schäfer, GmbHG, 2010, Anhang zu § 30 GmbHG Rn. 72, m.w.N., auch zu Gegenstimmen). Damit müsste der Gläubiger mit der Verwertung der Eigensicherheit der Gesellschaft warten, bis die von dem Gesellschafter bestellte Sicherheit verwertet ist. Dies kann bei Grundschulden möglicherweise auch Jahre dauern, woraus weitere Probleme entstehen, wenn die Gesellschaft variable Sicherheiten bestellt hat (Sicherungsübereignung, Globalzessionen o.ä.), die der Insolvenzverwalter verwertet hat, deren Nettoverwertungserlös er aber bei Anwendung des § 44a InsO erst dann an den Gläubiger auskehren könnte, wenn dessen Ausfall beim Gesellschafter feststeht.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
I. Der Sachverhalt des Besprechungsurteils ist nahezu identisch mit dem oben beschriebenen Problemaufriss. Der Kläger ist der Insolvenzverwalter über das Vermögen einer S. GmbH. Beklagter ist der langjährige Alleingesellschafter der Insolvenzschuldnerin, der zugleich Geschäftsführer ist, ebenfalls eine typische Situation in einer Fülle von Insolvenzverfahren. Das Insolvenzverfahren wurde am 01.02.2009 eröffnet. Der Beklagte hatte einer Sparkasse zur Besicherung der Finanzierung der GmbH Grundschulden an seinem privaten Eigentum in Höhe von knapp 1 Mio. Euro gewährt. Der Sparkasse stand darüber hinaus Sicherungseigentum an Kraftfahrzeugen der Insolvenzschuldnerin zur Seite. Entsprechend den insolvenzrechtlichen Vorgaben verwertete der Insolvenzverwalter diese Fahrzeuge und zahlte der Sparkasse den Nettoverwertungserlös in Höhe von knapp 42.000 Euro aus. Nachdem der Kläger zunächst die Zahlung der offenbar nicht erbrachten (oder zurückgezahlten?) Stammeinlagen in Höhe von ca. 25.565 Euro (= 50.000 DM) eingeklagt hatte, forderte er später nach Teilanerkenntnis eines geringfügigen Einlagebetrages durch den Beklagten nur noch einen ebenfalls kleinen Teilbetrag der behaupteten Einlageforderung. Weitergehend verlangte er aber von dem Beklagten einen Betrag, der dem an die Sparkasse ausbezahlten Nettosicherheitenerlös entsprach, mit der Begründung, in dieser Höhe seien die Grundschulden des Beklagten zu Gunsten der Sparkasse frei geworden.
Das LG Arnsberg hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt, das OLG Hamm (Urt. v. 29.12.2010 – I-8 U 85/10 – ZInsO 2011, 820) hat als Berufungsgericht die im Folgenden nicht weiter interessierende Verurteilung auf Leistung der Einlageforderung „aufrechterhalten“ und die Klage auf Zahlung des dem Nettoverwertungserlös entsprechenden Betrages abgewiesen. Auf die dagegen gerichtete Revision des Klägers hat der Insolvenzrechtssenat das Berufungsurteil aufgehoben und das landgerichtliche Urteil wiederhergestellt, so dass der Beklagte zur Leistung des an die Sparkasse ausgekehrten Betrages an die Masse verurteilt worden ist.
II. Das OLG Hamm hatte die Voraussetzungen eines Anfechtungsanspruchs gegen den Gesellschafter nach Maßgabe der §§ 135 Abs. 2, 143 Abs. 3 InsO (analog) verneint (Rn. 36 des Berufungsurteils). Es fehle an einer planwidrigen Regelungslücke. Da die unter A. bereits erwähnten Rechtsprechungsregeln nicht mehr anwendbar waren, konnte der Beklagte auch nicht unter diesem Gesichtspunkt verurteilt werden. Ebenso hat das Berufungsgericht Ansprüche aus Kondiktion verneint (Rn. 38 ff. des Berufungsurteils).
Der BGH folgte dem Oberlandesgericht nicht. Noch im Einklang mit dem Berufungsgericht stellt der Senat fest, dass es einer ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmung für dergleichen Fälle fehlt. Ein Anfechtungsanspruch sei mangels Vorliegens der Voraussetzungen zu verneinen. § 135 Abs. 2 InsO regele anfechtbare Rechtshandlungen, die im letzten Jahr vor dem Insolvenzantrag zur Befriedigung eines Gläubigers geführt hätten, sofern ein Gesellschafter zur Absicherung des Darlehens des Gläubigers eine Sicherheit bestellte (und die Gesellschaft an den Gläubiger auf ihre Schuld geleistet hat). Unter Darstellung der Literatur zu der Thematik bestätigt der Senat, dass Rechtshandlung i.S.d. § 135 Abs. 2 InsO „die Befreiung des Gesellschafters [sei], welcher die Sicherheit gestellt hatte“. Nach Erörterung der Systematik des § 135 Abs. 2 InsO weist der Senat die Rechtsauffassung des Klägers zurück, wonach die Vorschrift auch Rechtshandlungen nach Verfahrenseröffnung erfassen sollte. Die dadurch geschaffene Gesetzeslücke (Wegfall der Rechtsprechungsregeln, Unanwendbarkeit des § 135 Abs. 2 InsO) habe der Gesetzgeber nicht gesehen, jedenfalls habe er nicht „bewusst von einer Regelung des vorliegenden Problems abgesehen“ (Rn. 9 des Besprechungsurteils). Befriedigt der Gesellschafter in den hier zu beurteilenden „Doppelbesicherungsfällen“ den Gläubiger der GmbH und den Sicherungsnehmer der Gesellschaftersicherheit, dann ist seine (etwaige) Rückgriffsforderung gegen die Gesellschaft nachrangig gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO. Hat er den Gläubiger im Jahr vor der Verfahrenseröffnung befriedigt und erfolgreich Regress bei der Gesellschaft genommen, so ist diese Leistung der Gesellschaft an ihren Gesellschafter nach § 135 Abs. 2 InsO anfechtbar. Soweit die gesicherte Forderung im eröffneten Insolvenzverfahren noch offen sei, könne der Gläubiger von der Gesellschaft nur Leistung gemäß § 44a InsO in Höhe ihres Ausfalls beim Gesellschafter verlangen. Etwas missverständlich formuliert der Senat, dass diese Rechtslage unabhängig davon sei, ob dem Gläubiger neben der Gesellschaftersicherheit noch eine Sicherheit durch die Gesellschaft zur Verfügung gestellt worden sei. „Im wirtschaftlichen Ergebnis [müsse] die Gesellschaftersicherheit vorrangig verwertet werden.“ (Rn. 10 des Besprechungsurteils). Es sei „äußerst unwahrscheinlich“, dass der Gesetzgeber den Fall der Verwertung der Gesellschaftssicherheit im eröffneten Verfahren anders regeln wollte als denjenigen der Verwertung vor Verfahrenseröffnung. Der Senat befasst sich dann mit den in der Literatur vertretenen verschiedenen Erwägungen, wobei im Ergebnis nur zwei Alternativen verbleiben. Die eine ermöglicht es (wie unter der Geltung des früheren § 32a Abs. 2 GmbHG) dem Gläubiger, frei zu wählen, welche Sicherheit er zunächst verwerten will. Die andere Lösung fordert, dass der Gläubiger zunächst die Gesellschaftersicherheit verwerten muss, womit sich die bestehende Problematik ohne die Notwendigkeit der Bildung einer Analogie auflösen lassen würde (vgl. dazu oben Thiessen in: Bork/Schäfer, GmbHG, Anhang zu § 30 Rn. 72, m.w.N.). Allerdings wird damit das Absonderungsrecht des Gläubigers an der Gesellschaftssicherheit weitgehend negiert.
Der Senat schließt sich diesen Literaturmeinungen, deren Lösung er „als rein abwicklungstechnischen Beitrag“ betrachtet, der sicherstellen soll, dass die Gesellschaftersicherheit auch tatsächlich zu Gunsten der Gesellschaft als Finanzierungsbeitrag des Gesellschafters verwendet wird, ausdrücklich nicht an. Aus seinen Blick handelt es sich im Ergebnis um eine das Eigentumsrecht des Gläubigers beeinträchtigende Auslegung des Gesetzes, die einer Gesetzesgrundlage ermangelt. Der Senat wendet daher § 143 Abs. 3 Satz 1 InsO analog an. Eine planwidrige Regelungslücke, die Voraussetzung jeder Analogie, wird vom Senat anders als vom OLG Hamm bejaht. Bedenken aus der Literatur, wonach ein (nur als ultima ratio akzeptabler) Systembruch des Anfechtungsrechts begründet würde, wollte man eine analoge Anwendung des Anfechtungsrechts ins Auge fassen, teilt der Senat gleichfalls ausdrücklich nicht. Zur Begründung führt der Senat unter anderem aus, § 143 Abs. 3 InsO sei ohnehin ein Sonderfall, da sich der dortige Rückgewähranspruch nicht gegen den Gläubiger, sondern den Gesellschafter als Dritten wende. Ferner zeige § 147 InsO, dass die Anfechtung auch im eröffneten Insolvenzverfahren in Ausnahmefällen infrage komme. § 129 Abs. 1 InsO, der den Grundsatz der Anfechtbarkeit von vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen Rechtshandlungen aufstelle, sei, so der Senat im Ergebnis, nicht absolut zu betrachten, vielmehr müsse es hiervon Ausnahmen geben. Eine Abweichung von § 129 Abs. 1 InsO ist dann erforderlich, wenn man dem Gläubiger das Wahlrecht gibt, welche Sicherheit er verwertet. Im Übrigen sei eine Gläubigerbenachteiligung unabhängig davon zu prüfen, ob die Gläubigerforderung innerhalb oder außerhalb des eröffneten Verfahrens befriedigt wird. In beiden Fällen werde die Gesellschaftersicherheit frei.
C. Kontext der Entscheidung
I. Hätte der Senat die Klage des Insolvenzverwalters abgewiesen, wäre das eine völlige Abkehr von der Rechtsprechung zu § 32a Abs. 2 GmbHG gewesen. Das war aber nicht das Ziel der Gesetzgebers des MoMiG, vielmehr sollte sich insoweit nichts ändern (vgl. die Begründung des Regierungsentwurfes des § 44a InsO, BT-Drs. 16/6140, S. 57; zu § 39 InsO vgl. S. 56). Der Wortlaut des § 44a InsO schließt es freilich nicht aus, den Gläubiger darauf zu verweisen, zunächst die Gesellschaftersicherheit zu verwerten, um erst dann auf die von der Gesellschaft bestellte Sicherheit zugreifen zu können. Die gelegentlich zu hörende Argumentation, der Gläubiger, der sich zusätzlich eine Sicherheit durch den Gesellschafter geben lasse, wisse, auf welche Problematik er sich einlasse, so dass ihm durch eine umfassende Verwertungsreihenfolge unter Einbeziehung der Gesellschaftssicherheit nicht wirklich ein Nachteil erwachse, überzeugt nicht. Die Praxis ist anders: Häufig werden Sanierungsfinanzierungen hingegeben, für die die Gesellschaft möglicherweise keine hinreichenden Sicherheiten stellen kann. Der Gesellschafter ist zu einem Eigenanteil an der Sanierung seiner Gesellschaft durch Gewährung von liquiden Mitteln nicht willens oder nicht in der Lage. Stattdessen bietet er im Sanierungsinteresse der Gesellschaft Sicherheiten für eben jenen Sanierungskredit an seinem Vermögen an. Ohne diese Sicherheit würde aber die Gesellschaft die Finanzierung im Zweifel nicht erhalten. Völlig offen wären übrigens die tatsächlichen Folgen der gegenteiligen Sicht des § 44a InsO. Auch rechtlich blieben Fragen offen: Sicher ist nur, dass der Insolvenzverwalter Sicherheitenerlöse bis zum Feststehen der Ausfallforderung nicht herausgeben müsste und ihm gegen den Gläubiger, der die Immobiliarvollstreckung aus einem Grundpfandrecht gegen den Schuldner betreibt (§ 49 InsO, ZV), vermutlich die Klage gem. § 767 ZPO zusteht. Dauert die Verwertung der Gesellschaftersicherheit sehr lange (man denke wieder an eine Grundschuld an einem nicht leicht verwertbaren Anwesen), ist dann § 190 InsO analog anwendbar oder gar „doppelt“ heranzuziehen, da der Gläubiger einen Quotenanspruch nur dann erwarten dürfte, wenn und soweit er bei der Realisierung der Gesellschaftersicherheit und danach der Eigensicherheit der Gesellschaft ausgefallen ist?
II. Die Diskussion in der Literatur, das Besprechungsurteil und die Begründung des MoMiG zeigen die handwerklichen Mängel des Gesetzes an dieser Stelle, denn die Folgen der Aufhebung der Rechtsprechungsregeln zu den §§ 30, 31 GmbHG mussten dem Gesetzgeber geläufig sein. Man hat auf der anderen Seite aber auch nicht § 44a InsO so strukturiert, dass dem Gläubiger untersagt werden sollte, die Gesellschaftssicherheit vor derjenigen zu verwerten, die der Gesellschafter bestellt hat. Auch diese Thematik war vor Erlass des MoMiG bekannt. Im Gegenteil, die Gesetzesbegründung betont durchgehend (s.o.), dass man zwar das Eigenkapitalersatzrecht ebenso wie die Rechtsprechungsregeln im Interesse der sog. bilanziellen Betrachtungsweise aufheben wolle (BT-Drs. 16/6140, S. 41, passim). An der bis dahin gefestigten Meinung zu den verschiedenen Problemen des „Eigenkapitalersatzes“ (z.B. zur Frage der gesellschafterähnlichen Person, zu dem einem Darlehen vergleichbaren Leistungen oder Forderungen eines Gesellschafters und eben auch zur Doppelbesicherung) wollte man aber ansonsten im Zusammenhang mit den nunmehr in der Insolvenzordnung angesiedelten Nachrang- und Anfechtungsregelungen nichts ändern, soweit man nicht ausdrücklich anderes bestimmt hat. Hierfür darf auf den Wegfall der „eigenkapitalersetzenden Nutzungsüberlassung“ und die deutlich einschränkende Lösung der entsprechenden Problematik durch § 135 Abs. 3 InsO hingewiesen werden. Den Gesetzgebungsmaterialien ist auch nirgends zu entnehmen, dass man den Gesellschafter, der dem Gläubiger eine Sicherheit gestellt hat, in den Fällen der Doppelbesicherung bevorzugen wollte, wenn nur die Eigensicherheit der Gesellschaft erst nach Verfahrenseröffnung verwertet würde, eine dem Gesetzeszweck völlig konträre Vorstellung. Dieser auch vom Senat angestellten Erwägung muss man uneingeschränkt beipflichten. Die zwingende Folge ist die Annahme eines unbeabsichtigten „handwerklichen“ Fehlers des Gesetzgebers, der eine planwidrige Regelungslücke offenbart, aus welchem Grunde die Möglichkeit der Analogie (hier zu § 143 Abs. 3 InsO) eröffnet ist.
III. Ebenso wie die Eigenkapitalersatzregelungen, so richten sich die seit dem 01.11.2008 geltenden Bestimmungen in den §§ 39, 135, 143 InsO ausschließlich gegen den Gesellschafter, nicht den Gläubiger. Der Senatsentscheidung ist daher auch deswegen zuzustimmen. Im Interesse der Masse hat der BGH zutreffend eine auch praxisgerechte Lösung gefunden, die den Interessen der Beteiligten Rechnung trägt und die durch die Bestellung der Sicherheit durch den Gesellschafter übernommene Finanzierungsverantwortung bestätigt. Ähnlich dem Insolvenzrechtssenat des BGH hat ein anderer Senat des OLG Hamm das gleiche Resultat, die Erstattungspflicht des Gesellschafters in den hier zu beurteilenden Fällen, auf die analoge Anwendung des § 135 Abs. 2 InsO gestützt und die Rechtsfolge der Rückgewähr konsequent aus § 143 Abs. 3 InsO gefolgert (OLG Hamm, Urt. v. 07.04.2011 – I-27 U 94/10 – ZIP 2011, 1226 Rn. 14, 22, m.w.N.; vgl. auch jurisPR-HaGesR 7/2011 Anm. 1, Cranshaw, zu BGH, Urt. v. 12.04.2011 – II ZR 17/10, zur Ablösung eines gesellschafterverbürgten Darlehens aus Kapitalerhöhungsmitteln). Der praktische Unterschied zwischen dem Urteil des OLG Hamm vom 07.04.2011 und dem Besprechungsurteil des BGH dürfte ohne Bedeutung sein.
D. Auswirkungen für die Praxis
Die Folgen des Urteils für die Praxis sind eindeutig, die Rechtslage ist geklärt. Die Gläubiger haben weiterhin das Wahlrecht, die Sicherheit der Gesellschaft zu verwerten, ohne zunächst den Gesellschafter in Anspruch nehmen zu müssen. Die Gesellschafter wiederum können keine Regelungslücke zu ihren Gunsten ausnutzen. Sie können vor allem auch nicht etwa von dem Gläubiger fordern, er möge in ihrem Interesse zunächst seine Forderungen aus dem zur Besicherung zur Verfügung gestellten Vermögen der Gesellschaft befriedigen. Aufgrund des Besprechungsurteils hätten sie von einem solchen Prozedere ökonomisch nichts. Der Gläubiger kann vielmehr nach wirtschaftlich vernünftigen Gesichtspunkten vorgehen. Evident ist das bei den oben bereits erwähnten variablen Sicherheiten im wechselnden Bestand, die der Insolvenzverwalter zügig verwertet, wenn auf der anderen Seite eine in der Praxis deutlich schwerer verwertbare Grundschuld eines Gesellschafters steht. Der Insolvenzverwalter kann die an den Gläubiger aus der Sicherheitenverwertung gezahlten Beträge von dem Gesellschafter bis zu dem wirtschaftlichen Wert seiner Sachsicherheit, die frei geworden ist, verlangen. Bei Personalsicherheiten begrenzt deren Betrag ebenso wie der an den Gläubiger bezahlte Betrag den „Rückgewähranspruch“ der Masse nach § 143 Abs. 3 InsO. Offen bleiben, da nicht Streitgegenstand, weitere Fragen zu § 44a InsO, insbesondere diejenige, ob der Gläubiger seine volle schuldrechtliche Forderung gegen den Insolvenzschuldner anmelden kann (§ 174 InsO), obwohl die Gesellschaftersicherheit noch nicht verwertet wurde oder ob er nur den erwarteten Ausfallbetrag anmelden kann (für die Anmeldung nur der Ausfallforderung Thiessen in: Bork/Schäfer, GmbHG, Anhang zu § 30 Rn. 72; Hirte, in: Uhlenbruck/Hirte/Vallender, InsO, 13. Aufl. 2010, § 44a Rn. 5, unter Hinweis auf das Ausfallprinzip des § 52 InsO; anders aber Brinkmann in: Uhlenbruck/Hirte/Vallender, InsO, § 52 Rn. 5, der die Ausfallhaftung im Hinblick auf den Absonderungsberechtigten auf das Verteilungsverfahren verlagert; wie Brinkmann auch Sinz in: Uhlenbruck/Hirte/Vallender, InsO, § 174 Rn. 2; ebenso Neußner, in: Graf-Schlicker, InsO, 2. Aufl. 2010, § 44a Rn. 8, m.w.N.). Behandelt man § 44a InsO als Ausnahme zu § 43 InsO und als § 52 InsO analoge Bestimmung, so ist es zutreffend, die volle Forderung anzumelden und die Thematik der Verwertung der Gesellschaftersicherheit erst im Verteilungsverfahren gem. § 190 InsO zu berücksichtigen (der Verf. vertritt daher in: Cranshaw/Paulus/Michel, Bankenkommentar zum Insolvenzrecht, 2010, § 44a InsO Rn. 13, ebenfalls die Lösung der Verlagerung der Thematik in das Verteilungsverfahren, wobei postuliert wird, in die Anmeldung einen Hinweis auf die bestehende Gesellschaftersicherheit aufzunehmen).