Nachfolgend ein Beitrag vom 05.08.2016 von Schott, jurisPR-BGHZivilR 13/2016 Anm. 1

Leitsätze

1. Ein auf den Abschluss eines nach § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB beurkundungspflichtigen Vertrags gerichtetes Angebot, das nicht notariell beurkundet und daher nichtig ist, kann, soweit es Allgemeine Geschäftsbedingungen enthält, zusätzlich aufgrund der richterlichen Inhaltskontrolle gemäß § 308 Nr. 1 BGB als unwirksam anzusehen sein; außerdem erlischt es, wenn es nicht fristgerecht angenommen wird.
2. Wird ein bereits erloschenes formnichtiges Angebot auf Abschluss eines nach § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB beurkundungspflichtigen Vertrags angenommen, führen Auflassung und Eintragung in das Grundbuch nicht dazu, dass der Vertrag zustande kommt.

A. Problemstellung

Bei im sogenannten Strukturvertrieb veräußerten Immobilien, vor allem Eigentumswohnungen, werden von den enttäuschten Käufern häufig mehrere „Mängel“ des Erwerbs geltend gemacht, etwa Schadensersatz wegen der Verletzung von Beratungspflichten, sittenwidrig überhöhter Kaufpreis, die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung oder der fehlgeschlagene Vertragsschluss. In der hier besprochenen Entscheidung behandelt der BGH eingehend die Folgen, die sich aus der Formnichtigkeit des Vertrages in Kombination mit einer unwirksamen AGB-Klausel zur Bindungsfrist des Käufers mit der daraus folgenden verspäteten Annahme des Kaufangebots durch den Verkäufer ergeben.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der Kläger entschloss sich auf Vermittlung zum Kauf einer noch zu sanierenden Eigentumswohnung. Während der Verkaufsverhandlungen schloss er mit der Verkäuferin eine sogenannte Eigenprovisionsvereinbarung, nach der dem Kläger von dem zu zahlenden Kaufpreis 13.004,64 Euro zustehen sollten. Danach gab der Kläger am 29.05.2006 ein notariell beurkundetes „Angebot über einen Kauf- und Werkvertrag über eine Eigentumswohnung in einem zu sanierenden Altbau“ zu einem Preis von 81.279 Euro ab. Die Eigenprovisionsabrede wurde darin nicht erwähnt. Der Kläger sollte bis zum 04.07.2006 an das Angebot gebunden sein, das danach aber nicht erlöschen, sondern bis zu einem vom Kläger zu erklärenden Widerruf weitergelten sollte. Am 10.08.2006 nahm die Verkäuferin das nicht widerrufene Angebot an und erklärte – auch in Vollmacht des Klägers – die Auflassung. Der Kläger wurde als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen.
Der BGH hält zunächst fest, dass – ungeachtet der Eigenprovisionsabrede – ein Vertrag nicht zustande gekommen ist, weil die Klausel über die Fortgeltung der Bindung an das Angebot nach Ablauf der Bindungsfrist nach § 308 Nr. 1 BGB unwirksam ist. Er folgt den Feststellungen des Tatrichters, dass es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handelt. Als solche ist sie als Vertragsabschlussklausel i.S.v. § 308 Nr. 1 BGB anzusehen. Nach ständiger Rechtsprechung des V. Zivilsenats ist sie mit dieser Vorschrift aber unvereinbar, selbst wenn das Angebot nach Ablauf der Bindungsfrist frei widerruflich ist. Danach war das Angebot im Zeitpunkt der Annahme erloschen und ein Vertrag nicht zustande gekommen. Eine spätere schlüssige Annahme der als neues Angebot zu wertenden verspäteten Annahmeerklärung der Verkäuferin kommt bei einem beurkundungsbedürftigen Geschäft nicht in Betracht.
Der BGH erörtert sodann die Rechtsfragen, die sich aus der nicht beurkundeten Eigenprovisionsvereinbarung im Zusammenhang mit der unwirksamen Bindung an das Angebot ergeben. Im Hinblick darauf, dass die notariell beurkundeten Willenserklärungen als Scheingeschäft nichtig waren und das verdeckt Erklärte gilt, gelangt er zu dem Ergebnis, dass die verdeckten Willenserklärungen – abgesehen vom Kaufpreis und der Eigenprovisionsabrede – mit demselben Inhalt abgegeben wurden wie die beurkundeten Erklärungen, und zwar zeitgleich mit diesen. Das bedeutet, dass die unwirksame Klausel über die Fortgeltung der Bindung an das Angebot über die Angebotsfrist hinaus auch für das verdeckte Geschäft gelten sollte, also ebenfalls als Allgemeine Geschäftsbedingung zu werten und nach § 308 Nr. 1 BGB unwirksam ist.
Der BGH wendet sich daher der Problematik zu, ob ein beurkundungspflichtiges Angebot, das nicht (vollständig) notariell beurkundet und nichtig ist, auch aufgrund der richterlichen Inhaltskontrolle von darin enthaltenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen als unwirksam anzusehen sein kann und daher auch ein nichtiges Angebot erlischt, wenn es nicht fristgerecht angenommen wird. Er sieht keine logischen Gründe, die es verbieten würden, Klauseln eines nichtigen Angebots auch aufgrund richterlicher Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen als unwirksam zu beurteilen und von dem Erlöschen eines nichtigen Angebots auszugehen. Er legt dar, dass bei einem normativen Verständnis derselbe Sachverhalt mehreren rechtlichen Bewertungen unterliegen kann, indem etwa mehrere Nichtigkeitsgründe zusammentreffen, was der Vorstellung von sogenannten Doppelwirkungen im Recht entspricht, etwa bei einer Anfechtung einer nichtigen Willenserklärung. Es kann allerdings sein, dass sich mehrere Unwirksamkeitsgründe gegenseitig ausschließen, was aufgrund einer wertenden Auslegung der jeweils maßgeblichen Normen zu entscheiden ist. Er verneint einen solchen Ausschluss, wenn Formnichtigkeit und AGB-rechtliche Unwirksamkeit zusammentreffen. Beide Unwirksamkeitsgründe erfüllen vielmehr nebeneinander jeweils spezifische Funktionen. Das Erlöschen eines Angebots schützt die Dispositionsfreiheit des Antragenden, während die Beurkundungspflicht den Veräußerer und den Erwerber vor übereilten Verträgen bewahren soll, sie auf die Wichtigkeit des Geschäfts hinweist und ihnen die Möglichkeit rechtskundiger Belehrung und Beratung eröffnet. Die sodann nach § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB eintretende Heilungswirkung eines formnichtigen Vertrages berührt nicht den Tatbestand, dass ein Vertrag mangels rechtzeitiger Annahme des Angebots überhaupt nicht zustande gekommen ist. Die für die Heilungswirkung erforderliche Willensübereinstimmung, die im Zeitpunkt der Auflassung fortbestehen muss, fehlt, wenn es von vornherein nicht zu einem (unwirksamen) Vertragsschluss gekommen ist.

C. Kontext der Entscheidung

Nach der ständigen und gefestigten Rechtsprechung des V. Zivilsenats des BGH sind Formularklauseln unwirksam, nach denen das Angebot des anderen Teils nach Ablauf der Bindungsfrist unbefristet fortbesteht und daher von dem Verwender jederzeit angenommen werden kann, und zwar auch dann, wenn sich der andere Teil durch einen Widerruf von seinem Angebot lösen kann (zuletzt wohl BGH, Urt. v. 09.05.2014 – V ZR 266/12 – Wohnungseigentümer 2014, 118 Rn. 11). Dabei geht der BGH davon aus, dass nach § 147 Abs. 2 BGB eine Frist für den Eingang der Annahmeerklärung von vier Wochen angemessen ist, sei es bei Kaufverträgen (BGH, Urt. v. 11.06.2010 – V ZR 85/09 – NJW 2010, 2873 Rn. 12), sei es bei finanzierten und beurkundungsbedürftigen Bauträgerverträgen (BGH, Urt. v. 27.09.2013 – V ZR 52/12 – NJW 2014, 854 Rn. 12). Ein Finanzierungsvorbehalt ist insoweit unerheblich (BGH, Urt. v. 17.01.2014 – V ZR 108/13 – Wohnungseigentümer 2014, 113 Rn. 13). Auch die Vereinbarung, dass das Angebot unter der aufschiebenden Bedingung der Finanzierung stehen soll, ist als Formularklausel unwirksam (BGH, Urt. v. 26.02.2016 – V ZR 208/14 – NJW 2016, 2173 Rn. 24 ff.). Eine längere Bindungsfrist kann nur dann angemessen sein, wenn der Verwender hierfür ein schutzwürdiges Interesse geltend machen kann, hinter welchem das Interesse des Kunden an dem baldigen Wegfall seiner Bindung zurückstehen muss (BGH, Urt. v. 11.06.2010 – V ZR 85/09 Rn. 8). Daran ändert eine sogenannte Fortgeltungsklausel nichts, da auch diese an § 308 Nr. 1 BGB zu messen ist (BGH, Urt. v. 07.06.2013 – V ZR 10/12 – NJW 2013, 3434 Rn. 18 ff.). Eine solche Klausel bestimmt das Gegenteil von dem, was sich aus dem Gesetz ergibt (§§ 146, 147 Abs. 2 BGB; BGH, Urt. v. 07.06.2013 – V ZR 10/12 Rn. 22). Sie führt darüber hinaus zu einer erheblichen Einschränkung der Dispositionsfreiheit des Anbietenden, der für lange Zeit nicht weiß, ob der Vertrag zustande kommt oder nicht und der auch noch nach Monaten oder Jahren von der Annahme des Angebotes überrascht werden kann (BGH, Urt. v. 07.06.2013 – V ZR 10/12 Rn. 24).
Der hier besprochene Fall wies die Besonderheit auf, dass das tatsächlich beurkundete Angebot ein Scheingeschäft betraf, während das verdeckte Angebot mangels Beurkundung formnichtig war. Der BGH hatte daher zunächst zu entscheiden, ob die Fortgeltungsklausel nur Bestandteil des tatsächlich beurkundeten (Schein-)Angebots war oder auch des verdeckten Angebots. Er bejahte dies, wobei er auch darauf abstellt, dass nach Sachlage das (Schein-)Angebot und die verdeckte Willenserklärung zum selben Zeitpunkt abgegeben worden waren. Es war daher weiter erheblich, ob die Auflassung und Eintragung des Eigentumswechsels im Grundbuch zu einer Heilung des Formmangels des Scheingeschäfts geführt haben, was der BGH verneint. Er stützt dies darauf, dass wegen der unwirksamen Fortgeltungsklausel und des Ablaufs der Annahmefrist auch das Scheingeschäft nicht zustande gekommen war.
Bei einer derartigen Sachlage stellen sich die unter dem Begriff „Doppelwirkungen im Recht“ diskutierten Rechtsfragen, die lange umstritten waren (vgl. Herbert, JZ 2011, 503, 505 f.) und mit denen sich der BGH eingehend befasst. Diese Rechtsfigur geht zurück auf eine Abhandlung von Kipp (Festschrift v. Martitz, 1911, S. 211 ff.), auf die sich der BGH auch beruft. Sie spielt etwa eine Rolle bei der Anfechtung einer nichtigen Willenserklärung oder bei dem Widerruf eines nichtigen Vertrages (BGH, Urt. v. 02.10.2009 – V ZR 235/08 – BGHZ 182, 307 Rn. 23, und BGH, Urt. v. 25.11.2009 – VIII ZR 318/08 – BGHZ 183, 235 Rn. 18). Auch außerhalb der Rechtsgeschäftslehre kann dem Bedeutung zukommen (Herbert, JZ 2011, 503, 507 ff.). Ob dies stets möglich ist, ist nach Ansicht des BGH im Anschluss an Kipp aufgrund einer rechtlichen Wertung der jeweils maßgeblichen Normen zu entscheiden. Hierbei gelangt er dann zu dem Ergebnis, dass die richterliche Inhaltskontrolle nach § 308 Nr. 1 BGB auch bei formnichtigen Allgemeinen Geschäftsbedingungen geboten ist, weil die Vorschrift dem Schutz des Vertragspartners des Verwenders dient, der auch bei formnichtigen Erklärungen eingreifen muss.

D. Auswirkungen für die Praxis

Der besprochene Fall zeigt, dass die Doppelwirkungen im Recht durchaus praktische Bedeutung haben. Insoweit dürfte die Entscheidung auch Klarheit bringen. Prozesstaktischen Überlegungen, aus dem Vorliegen mehrerer Gründe für die Nichtigkeit eines Vertrages oder dessen Fehlschlagen Nutzen zu ziehen, schiebt sie einen Riegel vor. Freilich betont der BGH die Notwendigkeit, die jeweils in Betracht kommenden Normen auszulegen und zu prüfen, ob die ihnen zugrunde liegende Wertung es ausschließt, mehrere Nichtigkeitsgründe zu bejahen. Ferner wird zu bedenken sein, ob sich aus den verschiedenen Gründen unterschiedliche Rechtsfolgen ergeben können, denen der Prozessvortrag Rechnung tragen muss.