Nachfolgend ein ebenso interessanter wie lesenswerter Beitrag vom 21.3.2017 von Blasche, jurisPR-BKR 3/2017 Anm. 1

A. Einleitung

Wie bezahlen wir im Jahre 2025? Wer hat sich durchgesetzt: Fintechs, Google und Co oder doch die Banken? Oder bleibt alles in etwa so wie es ist? Evolutionäre statt disruptive Entwicklungen trotz Zukunftstechnologien wie Quantencomputer oder Blockchain? Eine Studie analysiert treibende Faktoren und identifiziert Schlüsselfragen, deren mögliche Antworten zu vier verschiedenen, in sich konsistenten Zukunftsszenarien führen.

B. Zusammenfassung

I. Gegenwärtig treibt eine stetig wachsende Zahl von Marktteilnehmern technische Neuerungen und Service-Innovationen im Zahlungsbereich voran und nicht nur Zahlungsverkehrsexperten fragen sich, wie die Zukunft des Bezahlens aussehen könnte. Um etwas Licht in das Dunkel zu bringen, wird im Folgenden die gleichnamige Studie der SRC Security Research & Consulting GmbH ausgewertet und auszugsweise wiedergegeben, für die zunächst eine umfassende Analyse der Trends und Entwicklungen durchgeführt worden war. Aufbauend darauf wurden verschiedene in sich konsistente Zukunftsszenarien entwickelt, die eine Vorstellung davon bieten, wie das Bezahlen in zehn Jahren aussehen könnte. Auch wenn zur Zeit der Studie (2015/2016) keine eindeutige Tendenz erkennbar war, so ist mit grundlegenden Veränderungen jedoch zu rechnen: auf der Ebene der Zahlungsinstrumente, auf der Ebene der zugrundeliegenden technischen Infrastrukturen und in Bezug auf die Funktionsweise des Gesamt-Ökosystems „Bezahlen“.

II. Drei wesentliche Rahmenbedingungen der zukünftigen Entwicklung, die schon heute als gesetzt angesehen werden können, lassen sich benennen. Instant Payments werden bereits 2017/2018 Realität. Die Digitalisierung des Einkaufsprozesses an sich und die Nutzung von „smarten“ Endgeräten, die mit unterschiedlichsten Sensoren zur Authentifizierung ihrer Nutzer ausgestattet sind, schreiten weiter voran. Eine strikte Regulierung führt schließlich dazu, dass die Ertragsmöglichkeiten von kontoführenden Zahlungsdienstleistern aus Interbankenentgelten weiter zurückgehen und der Zugang zum Konto für sog. Zahlungsauslösedienste sowie Kontoinformationsdienste geöffnet wird.

III. Dabei wird die Zukunft der Zahlungssysteme maßgeblich davon abhängen, wie die Antworten auf folgende Schlüsselfragen ausfallen werden:

01 / Welche Bedeutung werden Fintechs für den Zahlungsverkehr im Jahr 2025 haben?

02 / In welchem Maße werden sich die globalen Internet-Giganten bis 2025 im Zahlungsverkehr engagieren?

03 / Wie entwickelt sich das Kundenverhalten bis 2025 weiter?

04 / Inwieweit sind bis 2025 einfach nutzbare und zugleich hoch sichere Authentifizierungsverfahren verfügbar?

05 / Wie entwickelt sich bis 2025 die Bereitschaft zur Zusammenarbeit innerhalb der Kreditwirtschaft, um Innovationen im Zahlungsverkehr gemeinsam am Markt zu etablieren?

IV. Entlang der möglichen Antworten auf die fünf Schlüsselfragen entwirft die Studie vier mögliche Szenarien für das Jahr 2025:

01 / Vielfalt an der Kundenschnittstelle: Dieses Szenario – das Basisszenario – schreibt die heute am Markt erkennbare Entwicklung weitgehend fort. Die Zahl der Services zum Zugriff auf das Konto sowie zur Abwicklung von Zahlungen nimmt weiter zu, aber es gelingt keiner Innovation, den Markt innerhalb der nächsten zehn Jahre grundlegend zu verändern.

02 / Mehrwerte in der Welt der Digitalbanken: Das zweite Szenario ist wesentlich von Fintechs und reinen Digitalbanken geprägt, die die Kundenschnittstelle neu definieren und auf der Grundlage von Informationen über den Zahlungsverkehr Mehrwerte für ihre Kunden bieten.

03 / Convenience in digitalen Ökosystemen: In diesem Szenario gelingt es den globalen Internet- Giganten, die Schnittstelle zum Kunden zu übernehmen und die Zahlungsabwicklung vollständig in die von ihnen unterstützten Geschäftsprozesse zu integrieren.

04 / Klassische Banken auf Speed: Im vierten Szenario nutzt die Kreditwirtschaft ihre Zahlungsverkehrsinfrastruktur, um selbst der Zahlung vor- bzw. nachgelagerte Geschäftsprozesse in die Zahlungsabwicklung zu integrieren und Serviceinnovationen einzuführen.

C. Trends und Analyse

I. Es fällt auf, dass keines der identifizierten Szenarien einen ausgesprochen disruptiven Charakter – im Sinne einer plötzlichen Veränderung – hat. Alle Szenarien könnten sich im Rahmen einer mehr oder minder schnellen Evolution entwickeln.

Denn eine Analyse der für die Zahlungsabwicklung relevanten Technologien hat gezeigt, dass die überwiegende Mehrzahl der identifizierten Technologietrends die vier Szenarien nahezu gleichermaßen begünstigt. Gleichzeitig ließ sich feststellen, dass die Kreditwirtschaft mit der im Rahmen der SEPA-Migration aufgebauten ISO 20022-Infrastruktur über eine sehr leistungsfähige technische Grundlage zur Integration ganzer Geschäftsprozesse in die Verrechnungsabwicklung verfügt. Die ISO 20022-Infrastruktur erlaubt es, neben den reinen Verrechnungsdaten theoretisch beliebige Informationen Ende-zu-Ende in strukturierter Form zwischen Zahlungsempfänger und Zahlungspflichtigem auszutauschen. Mit der Einführung von SEPA Cards Clearing (SCC) hat die deutsche Kreditwirtschaft dies bereits anhand der Integration von Kartenzahlungsinformationen in den Zahlungsverkehr gezeigt. Prinzipiell verfügt die Kreditwirtschaft mit dieser Infrastruktur und mit dem Online-Banking als Kundenschnittstelle über ein Instrumentarium, das ihr – auf der Grundlage einer kollektiven Entwicklung – die Möglichkeit bietet, Geschäftsprozesse Dritter (z.B. den Versand von Rechnungen) zu digitalisieren und in die Verrechnung zu integrieren.

Neben einer Vielzahl von Technologietrends, die den evolutionären Charakter der verschiedenen Szenarien unterstützen, wurden auch zwei Technologien identifiziert, die das theoretische Potenzial haben, die Infrastrukturen des Zahlungsverkehrs grundlegend zu verändern, wobei die Nutzbarkeit beider Entwicklungen heute noch nicht klar absehbar ist. Dies betrifft die Verfügbarkeit von Quantencomputern und die Nutzung von Blockchain-Protokollen zur Umsetzung digitaler Transaktionen. Wenn Quantencomputer die Marktreife erreichen, hätte dies tiefgreifende Konsequenzen für die Verschlüsselung von Informationen im Zahlungsverkehr (und darüber hinaus). Die Blockchain stellt im Kern ein neues Paradigma für die Durchführung und Absicherung von Transaktionen dar und könnte zu gänzlich neuen Geschäftsmodellen im Zahlungsbereich führen.

II. Im Folgenden werden die zentralen Merkmale der Wertschöpfungskette des Zahlungsverkehrs beschrieben und der besondere Charakter von Innovationen innerhalb dieser Wertschöpfungskette herausgearbeitet.

Ohne elektronische Zahlungssysteme wäre unsere Ökonomie funktionsunfähig. Zahlungssysteme ermöglichen wirtschaftliche Aktivität, indem sie zuverlässige und sichere Transaktionen gewährleisten. Zur dafür nötigen Infrastruktur gehören Netzwerke, verbindliche Vereinbarungen und technische Standards. Zahlungssysteme stellen zudem einen eigenständigen Bereich der Wirtschaft dar: Sie bilden die Grundlage für das Geschäft einer Vielzahl von Dienstleistern, die die Abwicklung von Zahlungen ermöglichen und unterstützen. Welche Grundcharakteristika weist nun diese Netzwerkindustrie auf?

1. Zunächst geht es in der Wertschöpfungskette des Zahlungsverkehrs immer um die Abwicklung einer Zahlung zwischen einem Zahlungspflichtigen und einem Zahlungsempfänger, vermittelt durch einen Zahlungssystemdienstleister.

Auf der Ebene von Zahlungspflichtigem und Zahlungsempfänger kann nach deren wirtschaftlicher Rolle im Geschäftsprozess, dem jeweils genutzten Endgerät zur Abwicklung einer Zahlung und – häufig eng mit dem jeweiligen Endgerät verbunden – dem technischen Kanal zur Abwicklung einer Zahlung unterschieden werden:

• Wirtschaftliche Rolle im Geschäftsprozess: Privatperson, Firmenkunde oder Kreditinstitut?
• Endgerät: Karte, mobiles Endgerät (Smartphone) oder stationärer PC?
• Technischer Kanal: Geldautomat, POS-Terminal, Internet oder Filiale?

Bei Zahlungssystemdienstleistern handelt es sich entweder um kontoführende Zahlungsdienstleister (Händler- oder Kundenbanken) oder um dazwischengeschaltete Dienstleister für die Abwicklung von Zahlungsverkehrstransaktionen.

Die Novellierung der Zahlungsdiensterichtlinie1 (Zweite EU-Zahlungsdiensterichtlinie – RL 2015/2366 EU – „PSD II“, die derzeit in nationales deutsches Recht umgesetzt wird) hat einen neuen Typus von dazwischengeschalteten Dienstleistern in die Wertschöpfungskette eingebracht: Diese können – über Zahlungsauslösedienste und Kontoinformationsdienste – wesentliche Teile der Schnittstelle zum Kunden übernehmen und dafür die von den kontoführenden Zahlungsdienstleistern etablierten technischen Infrastrukturen nutzen2.

2. Im Rahmen der Wertschöpfungskette des Zahlungsverkehrs lassen sich sieben Teilprozesse differenzieren: Nach der Initiierung und Autorisierung der Zahlung erfolgt die Verrechnung zwischen den kontoführenden Zahlungsdienstleistern von Zahlungsempfänger und Zahlungspflichtigem, gefolgt vom eigentlichen Zahlungsausgleich. Schließlich werden dem Zahlungsempfänger und dem Zahlungspflichtigen Informationen über die durchgeführte Zahlung bereitgestellt und der Gegenwert der Zahlung wird für den Empfänger bereitgestellt. Zuletzt werden gegebenenfalls Reklamationen bearbeitet.

Zahlungssysteme sorgen mit Vereinbarungen und technischen Standards dafür, dass diese Schritte sicher und zuverlässig zwischen allen Teilnehmern eines Zahlungssystems abgewickelt werden können. Diese Prozesse zusammen mit den oben genannten Rollen stellen das Ökosystem des Zahlungsverkehrs dar.

Da Bezahlen kein Selbstzweck ist, ist das Ökosystem eingebettet in eine umfangreichere Wertschöpfungskette, die die Geschäftsprozesse vor und nach einer Zahlung umfasst. Diese beginnt mit der Ansprache des Kunden bzw. seiner Suche nach einem Produkt, dem Vergleich verschiedener Angebote sowie der Auswahl eines einzukaufenden Produkts, geht über die Bestellung, die Auslieferung und die Rechnungsstellung zum Bezahlen und darüber hinaus zum anschließenden Kundenservice sowie eventuellen Reklamationsbearbeitungen. Wichtige Dienstleistungen sind in diesem Zusammenhang die geeignete Information des Kunden über aktuelle Angebote, die Bereitstellung von Informationen über das zurückliegende Verkaufsverhalten des Kunden sowie die Auswertung von Kundeninformationen zur verbesserten Kundenansprache.

III. Innovation wird häufig als unmittelbare Folge intensiven Wettbewerbs verstanden. Dieses Verständnis trifft im Bereich der Zahlungssysteme jedoch nur bedingt den Kern der Sache.

1. Alleine im Wettbewerb umsetzbare Innovationen betreffen im Bereich der Zahlungssysteme in der Regel Innovationen an der Kundenschnittstelle, die die zugrundeliegenden Infrastrukturen unverändert belassen und auf den etablierten Infrastrukturen, Prozessen und Systemen aufsetzen, auch Overlay-Services genannt. Dementsprechend ist der wahrgenommene Wandel im Zahlungsverkehr aktuell maßgeblich von Innovationen an der Kundenschnittstelle bestimmt – also z.B. einer kundengerechteren Darstellung von Kontoinformationen oder einer einfacheren Integration von Zahlungen in umfassendere elektronische Geschäftsprozesse

2. Diesen mehr oder weniger innovativen Overlay-Services stehen echte Infrastruktur-Innovationen gegenüber – etwa, wenn es darum geht, neue Funktionen in Zahlungssysteme zu integrieren oder neue Verfahren zur Zahlungsabwicklung zu definieren. Innovationen dieser Art setzen immer eine gemeinsame Anstrengung aller Systemteilnehmer voraus. Die Basis für echte Funktionserweiterungen oder Verbesserungen der Basisinfrastruktur ist also Kooperation.

Die Einführung der ISO 20022-Verrechnungsinfrastruktur im Rahmen der SEPA-Migration ist dafür ein gutes Beispiel. Mit ihr wurde eine wichtige Infrastrukturvoraussetzung geschaffen, um künftig neben der Abwicklung von Überweisungen und Lastschriften neue Services einzuführen, die die Möglichkeiten dieser Infrastruktur zum Transport von Daten zwischen Zahlungspflichtigem und Zahlungsempfänger nutzen. Für solche Services ist es unabdingbar, dass die Zahlungsdienstleister aller an einem Zahlungssystem teilnehmenden Zahlungspflichtigen und Zahlungsempfänger sie unterstützen. Solche Funktionserweiterungen lassen sich also nur in einem kooperativen Innovationsprozess realisieren.

D. Randbedingungen und Schlüsselfragen

I. Die anfangs genannten wesentlichen Rahmenbedingungen (Digitalisierung, Instant Payment, Authentisierung und Regulierung) werden folgend erneut aufgegriffen und Aspekte der fünf Schlüsselfragen (Fintechs, Internetgiganten, Authentisierungsverfahren, Kooperationsbereitschaft der Kreditwirtschaft) beleuchtet.

1. Da Zahlungen immer integraler Bestandteil umfassenderer Geschäftsprozesse sind, führt die zunehmende Digitalisierung von Geschäftsprozessen dazu, dass sich auch die Zahlungssysteme weiterentwickeln müssen. Denn nur so ist es möglich, die neuen Formen der Abwicklung von Geschäften in einer zunehmend vernetzten Welt effizient zu unterstützen. Regulatorische Maßnahmen intensivieren zusätzlich noch den Wettbewerb und stimulieren dadurch den Innovationsdruck. Dies gilt ganz besonders für die Kundenschnittstelle, an der Banken in Zukunft aufgrund der Einführung von Kontoinformationsdiensten und Zahlungsauslösediensten mit verstärktem Wettbewerb zu rechnen haben.

2. Aber auch im Bereich der Infrastrukturen ergeben sich mit der Einführung von sog. Instant Payments, die aller Voraussicht nach bereits Ende 2017/Anfang 2018 Realität werden, neue Rahmenbedingungen, die sich auf die Ausgestaltung von Zahlungssystemen auswirken werden. Instant Payments sind Transaktionen im Massenzahlungsverkehr zwischen Kundenkonten in nahezu Echtzeit, d.h. etwa 10 Sekunden. Prominentestes Beispiel ist eine Transaktion, initiiert von einer App auf dem Smartphone einer Privatperson, welche adressiert wird über die E-Mail-Adresse des Empfängers. Dieser kann den Empfang Sekunden später in seiner App auf dem Smartphone sehen und dann auch über den Betrag verfügen. Die europäische Kreditwirtschaft hat sich darauf verständigt, dass eine zugrundeliegende Überweisung in nahezu Echtzeit, genannt SEPA Instant Credit Transfer (SCT Inst), ab Ende 2017 erfolgen kann und Abwicklungsdienstleister, sog. Automated Clearing Houses (ACH), haben den Start ihres Angebotes angekündigt. Aus heutiger Sicht ist sogar davon auszugehen, dass die Einführung von Instant Payments mit einer Verrechnung in Echtzeit über Zentralbankkonten, sog. Real Time Settlement, verbunden sein wird.

3. Eine Reihe sich ergänzender Technologietrends wird dazu beitragen, dass die Digitalisierung des Einkaufens weiter voranschreitet. Dies betrifft insbesondere auch die Nutzung von „smarten“ Endgeräten, die mit unterschiedlichsten Sensoren zur Authentifizierung ihrer Nutzer ausgestattet sind. Eine strikte Regulierung führt zeitgleich dazu, dass die Ertragsmöglichkeiten von Zahlungsinstituten aus Interbankenentgelten weiter zurückgehen und dass der Zugang zum Konto für sog. Zahlungsauslösedienste sowie Kontoinformationsdienste geöffnet wird.

II. Diesen weitgehend gesicherten Entwicklungen steht eine Reihe von kritischen Unsicherheiten gegenüber, unter anderem die Frage der zukünftigen Bedeutung der Fintechs.

1. Die Digitalisierung der Gesellschaft hat – ähnlich wie dies zuvor schon in der Musikindustrie und in der Medienwirtschaft zu beobachten war – auch im Bereich der Finanzdienstleistungen den Markteintritt für neue Wettbewerber deutlich vereinfacht.

Die sog. Fintechs nutzen neuartige Geschäftsmodelle, die häufig auf der Verwertung von im Geschäftsprozess anfallenden Daten beruhen und es ihnen erlauben, neue Ertragsquellen zu erschließen. Dadurch sind sie in der Lage, ihre Leistungen im Vergleich zu etablierten Anbietern wettbewerbsfähig anzubieten. Auch regulatorische Eingriffe öffnen den Markt für Fintechs. Maßgeblich sind in diesen Zusammenhang die Anforderungen des Regulierers zur Öffnung des Zugangs zu den Zahlungsverkehrsinfrastrukturen und die Etablierung von im Vergleich zu einer Banklizenz niedrigeren regulatorischen Anforderungen für sog. E-Money-Institute. Beides erleichtert den Markteintritt für neue Anbieter.

In vielen Finanzmetropolen weltweit haben sich sog. Accelerator- bzw. Inkubator- Programme etabliert. Auch diese Entwicklung begünstigt das Entstehen von Internet-Services, die das Bezahlen schneller, einfacher und kostengünstiger machen sollen. Die weltweiten Investitionen in Fintech-Unternehmen haben sich allein von 2013 auf 2014 auf insgesamt 12,2 Mrd. US-Dollar verdreifacht.

Die Strategien der Fintechs beruhen in aller Regel auf einer sog. „fail quickly“-Strategie: Die Entwicklungsgeschwindigkeit ist hoch, Produkte werden häufig sehr früh und zum Teil noch unvollständig am Markt eingeführt. Auf Grundlage von Markt-Feedback werden sie in einem agilen Prozess permanent verbessert. Diese Strategie steht im Gegensatz zu einem klassischen Ansatz, der darauf beruht, dass nur im Funktionsumfang ausgereifte und umfassend getestete Produkte am Markt eingeführt werden. Die Umsetzung von „fail quickly“-Projekten in gesonderten Unternehmen reduziert Risiken für den Anbieter und erlaubt es ihm, abhängig vom Markterfolg sehr flexibel über die weitere Entwicklung eines Projekts zu entscheiden.

Raconteur, ein britisches Verlagshaus, hat im Mai 2015 eine Reihe von Fintechs (bzw. ehemaligen Fintechs) als „the hottest payment companies“ identifiziert. Hierzu gehören hauptsächlich Unternehmen, die Händlern die Akzeptanz von Online-Zahlungen erleichtern (z.B. Adyen, Stripe, Razorpay) bzw. zusätzliche Möglichkeiten für die Abwicklung von Online-Zahlungen eröffnen (z.B. Gocardless – elektronische Direct Debits, Venmo – P2P-Transfers vom Konto, Klarna – Zahlung auf Rechnung, Transferwise – Auslandsüberweisungen), oder Unternehmen, die sich selbst als Zahlungsaggregatoren verstehen (z.B. PayPal oder Apple Pay für In-App-Payments). Mit Square und Poynt befinden sich auch zwei Unternehmen in der Liste, die sich mit Face to Face-Payments befassen, wobei die Vermarktung vereinfachter bzw. smarter Terminals im Fokus dieser Unternehmen steht. Allein für den deutschen Markt wurden im November 2014 im Rahmen einer Untersuchung insgesamt 36 neue Wettbewerber im Bereich „Payment“ identifiziert.

Auch wenn es nur den wenigsten Fintech-Projekten gelingt, sich erfolgreich und nachhaltig am Markt zu etablieren, so können von den neuen Wettbewerbern dennoch deutliche Auswirkungen für die etablierten Geschäftsmodelle von Kreditinstituten ausgehen. Etablierte Kreditinstitute haben allerdings auch die Möglichkeit, eigene Strategien auf Grundlage ihrer eigenen Stärken zu entwickeln. So können Banken das Vertrauensverhältnis zu ihren Kunden vertiefen, indem sie hohe Sicherheits- und Datenschutzstandards anwenden3. Darüber hinaus können sie ihren Kunden benutzerfreundliche bankspezifische Applikationen, Analyse- und Informationstools zur Verfügung stellen, bei denen der Kundenvorteil im Fokus steht. Auch eigene Digitalisierungsstrategien, in deren Mittelpunkt nicht nur die Schnittstelle zum Kunden steht, sondern vor allem auch die Datenqualität und die Fähigkeiten der Hintergrundsysteme zur Bereitstellung der erforderlichen Daten, stellen einen wichtigen Hebel für Gegenstrategien der Banken dar.

2. Eine weitere oft diskutierte Frage ist die Rolle der globalen Internet-Giganten in der zukünftigen Zahlungsverkehrslandschaft.

Digitale Mobilität mit internetfähigen Endgeräten ist der nächste logische Schritt in der Entwicklung des World Wide Webs. Smartphones und Tablets haben den Markt erobert und werden mehr und mehr nicht nur zum Einkaufen, sondern auch zum Bezahlen benutzt. Allianzen mit globalen Kartenzahlungssystemen ermöglichen es Telekommunikationsanbietern und globalen Internet-Giganten, selbst in den Zahlungsverkehrsmarkt einzutreten. Mit Apple-Pay und AndroidPay wurden 2014 und 2015 auf globaler Ebene erste Systemlösungen im Markt eingeführt. Das sich verändernde Konsumentenverhalten mit einem deutlichen Trend hin zum E-Commerce begünstigt die Marktakzeptanz von Smartphone-basierten Lösungen.

Der Vertriebskanal über mobile Endgeräte wird von Telekommunikationsanbietern, Endgeräteherstellern (z.B. Apple und Samsung) und Betriebssystemherstellern (z.B. Google) maßgeblich bestimmt. Die globalen Internet-Giganten sind darauf spezialisiert, ihr Leistungsangebot auf den Bedarf der Internet-Nutzer auszurichten und ihr Service-Portfolio kontinuierlich auszuweiten. Ihre finanzielle Ausstattung erlaubt es ihnen, in unterschiedliche Serviceinnovationen zu investieren und diese am Markt zu testen. Dies führt zu einer extrem agilen Innovationspolitik und drängt klassische Marktteilnehmer schnell in eine vergleichsweise passive Rolle. Die Dominanz über die Endgeräte – und damit über ein wichtiges Ende der Wertschöpfungskette – zusammen mit der Finanzkraft zur Investition in Serviceinnovationen macht die Internet-Giganten zu einem ernstzunehmenden Wettbewerber auch für klassische Banken – zumindest, wenn es um das Bezahlen aus Anwendungen über Smartphones geht.

Trotz rückläufiger Erträge stellt der Zahlungsverkehr gerade für die Internet-Giganten ein interessantes Geschäftsfeld dar. Ihre Geschäftsmodelle beruhen wesentlich darauf, möglichst breite Lebensbereiche ihrer Kunden mit ihren Serviceleistungen abzudecken. Die Integration von Zahlungen in ihr Serviceangebot ist vor diesem Hintergrund nur logische Konsequenz, erlaubt sie es doch, Kunden nicht nur bei der Auswahl von Waren und Diensten zu unterstützen, sondern den gesamten Kaufprozess abzubilden.

Speziell sog. Person to Person-Payments stellen aus Sicht der Internet-Giganten ein interessantes Einfallstor in die Welt des Zahlungsverkehrs dar. Im Mittelpunkt steht hier der Transfer eines – in der Regel kleineren – Geldbetrags zwischen Privatpersonen. Dieses Geschäftsfeld verspricht zwar keine direkten Erträge, hat aber das Potenzial, hohen Kundenkontakt zu generieren und die Etablierung einer neuen Zahlungsverkehrsschnittstelle zu begünstigen.

Im Mittelpunkt steht bei den Internet-Giganten immer die Zielsetzung, Zahlungen möglichst eng in ihr eigenes Ökosystem zu integrieren. Ihre Strategie stellt häufig darauf ab, die im Zusammenhang mit Zahlungsflüssen anfallenden Daten für eine zielgruppenorientierte Ansprache ihrer Kunden zu nutzen und dadurch die Kundenbindung zu erhöhen. Anbieter von Waren und Dienstleistungen – unter anderem auch von Finanzdienstleistungen – erhalten dann gegen Entgelt Zugang zum Ökosystem des Internet-Giganten, und damit zu dessen Kunden.

Banken haben gegenüber diesen neuen Wettbewerbern den Vorteil größerer Erfahrung in der Absicherung von Transaktionen und im Schutz personenbezogener Daten. Zudem wird ihnen generell ein höheres Vertrauen entgegengebracht. Maßgeblich aus Sicht der Kunden ist allerdings häufig die Bequemlichkeit der Zahlungsabwicklung. Wenn es gelingt, eine bequeme Abwicklung mit hoher Sicherheit zu verbinden, dürfte dies entscheidend für den Erfolg in den neu entstehenden Zahlungsverkehrsmärkten sein, die auf der Nutzung mobiler Endgeräte beruhen.

E. Authentifizierungsverfahren im Spannungsfeld von Sicherheit und Convenience

Wesentliche Auswirkungen auf die Zukunft der Transaktionsabwicklung hat die Weiterentwicklung der Authentifizierungsverfahren, wobei die Marktanforderungen an Authentifizierungsverfahren durch zwei Trends bestimmt werden: Sicherheit und Convenience.

I. Sicherheit

Zahlungsdienstleistungen sind nur dann wirtschaftlich, wenn sie ein hohes Maß an technischer Sicherheit aufweisen. Auch aus Kundensicht sind hohe Sicherheitsstandards wünschenswert. Ein offensiv kommunizierter und öffentlich anerkannter hoher Sicherheitsstandard kann sogar zu einem marktwirksamen Differenzierungsfaktor werden, der die Akzeptanz eines Authentifizierungsverfahrens im Markt fördert.

Sowohl von regulatorischer Seite als auch von den Verbrauchern wird deshalb die Nutzung von Verfahren mit hoher Sicherheit angemahnt. Mit Rundschreiben vom 05.05.20154 hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) über die Mindestanforderungen an die Sicherheit von Internetzahlungen (MaSI) informiert, die seit 05.11.2015 von allen Kreditinstituten umzusetzen sind. Neben der Einhaltung einer Reihe formaler Vorgaben zum Risikomanagement ergibt sich aus dem Rundschreiben das Erfordernis, alle Kunden für den Online-Zugriff auf ihr Konto mit einer sog. „starken Kundenauthentifizierung“ auszustatten. Es ist zwar möglich, risikobasiert bei bestimmten Transaktionen auf die Anwendung der starken Authentifizierung zu verzichten, aber alle Kunden sind zunächst hiermit auszustatten.

II. Convenience

Am Markt durchsetzen können sich Authentifizierungsverfahren erst dann, wenn sie von den Kunden akzeptiert und genutzt werden. Hier spielt aus Kundensicht die Bequemlichkeit, auch Convenience genannt, eine entscheidende Rolle.

Die Convenience eines bestimmten Verfahrens stellt jedoch keine objektiv messbare Größe dar. Ob ein Authentifizierungsmechanismus als bequem empfunden wird oder nicht, hängt wesentlich davon ab, ob der Kunde mit dem Authentifizierungsmechanismus vertraut ist oder nicht. Auch eine Vereinheitlichung der Authentifizierungsverfahren für unterschiedliche Anwendungen kann deshalb bereits zu einer deutlichen Akzeptanzsteigerung beitragen.

Kreditinstitute sind mit ihren Verfahren, die eine häufige Authentifizierung des Kunden erforderlich machen (kartengestützte Zahlungssysteme, Online-Banking-Systeme) und dem hohen Vertrauen, das Kunden ihren Kreditinstituten entgegenbringen, grundsätzlich gut positioniert, um Authentifizierungsverfahren am Markt erfolgreich zu etablieren.

Mit der Markteinführung von Apple Pay hat sich als zusätzlicher Aspekt für die weitere Entwicklung von Authentifizierungsverfahren die offensichtlich hohe Marktakzeptanz biometrischer Verfahren ergeben – jedenfalls wenn es gelingt, den Convenience-Faktor zu bedienen, d.h. die Authentifizierung möglichst einfach in die Transaktionsabwicklung zu integrieren.

F. Infrastruktur-Innovationen durch Kooperation der Kreditwirtschaft

Wie oben ausgeführt sind echte Infrastruktur-Innovationen in einer Netzwerkindustrie wie dem Zahlungsverkehr nur möglich, wenn die Infrastrukturbetreiber, die Kreditwirtschaft, in ausreichendem Maße kooperieren. Mit einer zielgerichteten Weiterentwicklung ihrer Zahlungsverkehrsinfrastrukturen durch ein effektives Plattform-Management kann die Kreditwirtschaft also selbst weitreichenden Einfluss auf das Entstehen von Zahlungsverkehrsinnovationen nehmen.

I. So hat beispielsweise die schwedische Kreditwirtschaft mit Bankgirot ein Near Real Time-Settlement-System für den Massenzahlungsverkehr etabliert. Aufbauend darauf wurden neue Services wie z.B. Swish für Person to Person-Zahlungen eingeführt. Insgesamt zeigen die bisherigen Erfahrungen in Europa, dass Initiativen dieser Art immer nur dann erfolgreich umgesetzt werden können, wenn sie von der gesamten Kreditwirtschaft eines Landes mitgetragen werden. Einzelinitiativen mit vergleichbaren Inhalten, die innerhalb eines Landes nicht interoperabel sind, erfahren demgegenüber eine deutlich geringere Marktakzeptanz.

II. Die wichtigsten Infrastrukturplattformen innerhalb der deutschen Kreditwirtschaft sind einmal die im Rahmen der SEPA-Migration geschaffene ISO 20022-Infrastruktur, die es erlaubt, theoretisch beliebige Daten in strukturierter Form zwischen Zahler und Zahlungsempfänger auszutauschen. Das 2015/2016 eingeführte SEPA Cards Clearing (SCC) ist ein erstes Beispiel für eine entsprechende Infrastrukturerweiterung, die es ermöglicht, auf Grundlage der ISO 20022-Infrastruktur auch Kartenzahlungen zu verrechnen.

III. Eine weitere wichtige Infrastrukturplattform der Kreditwirtschaft sind die von der Kreditwirtschaft ausgegebenen Chipkarten, die ein leistungsfähiges Instrument zur Identifizierung von Kunden und zur Absicherung von Transaktionsdaten darstellen. Mit der aktuell laufenden Erweiterung der Chipkarten um eine kontaktlose Schnittstelle erhalten die von den Kreditinstituten ausgegebenen „Secure Elements“ zusätzliche Kommunikationsmöglichkeiten, die sie unabhängiger von konventionellen Kartenlesern machen.

G. Zukunftsszenarien

Eindeutige Antworten auf entscheidende Zukunftsfragen sind aus Sicht des Jahres 2017 nicht möglich. Die Studie nähert sich deshalb den verschiedenen möglichen Antworten in Form von vier alternativen, in sich schlüssigen und klar voneinander abgegrenzten Szenarien.

I. Das als (überraschungsfreies) Basisszenario anzusehende erste Szenario schreibt die bereits heute erkennbare Entwicklung hin zu mehr Vielfalt an der Kundenschnittstelle weitgehend fort. In den weiteren drei Szenarien gelingt es jeweils einer wichtigen Akteursgruppe, sich eine dominante Stellung im Zahlungsgeschäft zu sichern: den Fintechs, die sich zu Digitalbanken weiterentwickeln, den digitalen Ökosystemen der globalen Internet-Giganten oder den klassischen Kreditinstituten, die sich mit einer Innovationsoffensive gegen neue Wettbewerber behaupten.

II Folgend wird das letzte Szenario, in der Studie „Klassische Banken auf Speed“ genannt, aus der Sicht des Jahres 2025 beschrieben.

In diesem Szenario sehen die klassischen Banken den Zahlungsverkehr als wesentlichen Kundenkontaktpunkt und bauen diesen aus. Sie nutzen die Steilvorlage Instant Payment als „Innovationsturbo“ und entwickeln moderne Zahlungs- und Kontoführungsdienste; gegenüber neuen Anbietern im Zahlungsbereich können sie von einem Vertrauensvorschuss von Kundenseite profitieren. So gelingt es den Banken, ihre Dominanz im Zahlungsmarkt zu festigen.

Die Entwicklungen seit 2015/2016 zeigen, dass der Veränderungsdruck auf die klassischen Banken durch zunehmend wechselbereite Kunden, steigende Sicherheitsanforderungen bei Finanzdienstleistungen und die Einführung von Instant Payments wächst. Die Kreditwirtschaft zündet den „Innovationsturbo“. Kundenzentrierte und sicherheitsorientierte Innovationen sind der Hebel, mit dem sie ihr Geschäft revolutioniert und Zahlungs- und Kontoführungsdienste neu erfindet. Bis 2025 wird es den klassischen Banken gelingen, ihre Marktposition zu konsolidieren.

Die klassischen Banken werden in der neuen Welt des Bezahlens nicht nur noch als Infrastrukturanbieter fungieren. Das Motto der umfassenden, von allen Kreditinstituten getragene Innovationsoffensive lautet: „Das Bankgeschäft neu denken“. Hierzu gehört die Entwicklung kundenfreundlicher Zahlungsverkehrsinnovationen durch die Kreditwirtschaft auf Basis von Instant Payment und ihrer ISO 20022-Verrechnungsinfrastruktur. Die Nutzung der Verrechnungsinfrastruktur als „Messaging”-Kanal für werthaltige Transaktionen wird Intermediäre überflüssig machen und die Attraktivität des Bankkontos aus Kundensicht steigern.

Um 2025 wird deutlich werden: Die Banken haben ihre Position im Zahlungsgeschäft behauptet. Mit ihrer kundenzentrierten Innovationsoffensive ist es ihnen gelungen, an der Kundenschnittstelle präsent zu bleiben. Ihre leistungsfähigen, zeitgemäßen und nutzerfreundlichen Kontoführungs- und Bezahldienste werden durch anwendungsübergreifende Authentifizierungsverfahren unterstützt. Mit „Electronic Bill Presentment and Payment“ (EBPP) erschließen die kreditwirtschaftlichen Zahlungssysteme neue Marktsegmente. Die Instant-Abwicklung von Zahlungen wird die Einschaltung von Intermediären überflüssig machen. Die Kunden legen großen Wert auf Sicherheit und Datenschutz. Sie profitieren von den zeitgemäßen und sicheren Kontoführungs- und Bezahlservices der Banken. Der Handel profitiert von einheitlichen Schnittstellen. Die Investitionssicherheit im Bereich der Zahlungssysteme ist hoch. Zugleich bleiben die Implementierungskosten überschaubar. Am Point of Sale dominieren Karten (oder deren Emulation) zumindest als Authentifizierungsmechanismus. Im E-Commerce werden vor allem auf Instant Payments bzw. Electronic Bill Presentment beruhende Zahlverfahren genutzt.

Weiterhin rege wird die Fintech-Szene sein. Die klassischen Banken werden die Startup-Szene genau beobachten, erfolgversprechende Ideen selbst aufgreifen oder ihr Portfolio durch Akquisitionen erweitern. Die Fintechs des Jahres 2025 werden Ideenlieferanten der Banken sein, welche regelmäßig die besten Innovationen absorbieren.

H. Anwendungsbeispiele im Szenario „Banken auf Speed“

I. Anwendungsbeispiel: Instant Person to Person-Payment

Maxi, 17 Jahre, Abiturientin, möchte im Peek & Cloppenburg-Ladenlokal noch schnell ein Kleid für den Abiball am Abend kaufen. Leider hat Maxi nicht genug Geld. Ihr Schüler-Basiskonto erlaubt auch keine Überziehung. Die Lösung heißt: Papa und Mama! Spesen für den Abiball übernehmen sie selbstverständlich. Maxi sendet beiden eine kurze Videobotschaft, die sie im neuen Kleid vor der Umkleidekabine zeigt.

Maxis Papa sendet mit der App seiner Bank 150 Euro. Dazu muss er seine girocard an sein Smartphone halten – Folge der Sicherheitseinstellungen, die er auf hoch gesetzt hat. Seine App informiert ihn, dass das Geld auf Maxis Konto gelandet ist. Maxis Mama weiß sofort, dass Papa überwiesen hat – obwohl ihr Konto bei einer anderen Bank ist, informiert sie die App ihrer Bank über Kontobewegungen auf dem Konto ihres Mannes. So haben beide stets Überblick über ihre liquiden Mittel. Maxi erhält per Push-Nachricht eine Notiz über den Geldeingang und zahlt an der Ladenkasse mit Hilfe von NFC.

Das Anwendungsbeispiel schließt folgende technologischen Aspekte ein:

• Sicheres mobile Banking mit einem von der Bank herausgegebenen Instrument als Token. Dieses kann auch für den Zugang zu anderen Online-Diensten genutzt werden.
• Die Überweisung erfolgt mittels Instant Payment.
• Individuell konfigurierbare Kontoinformationsdienste.
• Klassisches Bezahlen mit Karte oder Mobiltelefon am Point of Sale.

II. Anwendungsbeispiel: Elektronische Rechnung mit Adressierungsservice

Renate, 46 Jahre, Mental Coach, bestellt für ihr Studio noch schnell Blumen, einen Korb frisches Obst und einen Reboot-Drink. Schließlich empfängt sie in einer Stunde ihren besten Kunden, da muss alles perfekt sein – und sie selbst topfit. Dazu nutzt sie den neuen Online-Shop, den ihr eine gute Freundin empfohlen hat. Sie diktiert ihrem Smartphone ihre Wünsche und prüft dann auf dem voll aufgefalteten Bildschirm nochmal die Bestellung, bevor sie sie abschickt.

Unmittelbar nach Renates Bestellung stellt die Händlerbank über den Adressierungsservice der Kreditwirtschaft anhand der Mobilfunknummer fest, von wem die Bestellung kam. Die Händlerbank kommuniziert daraufhin die Bezahl- und Rechnungsdaten an Renates Hausbank. Renates Banking-App präsentiert ihr nun nebeneinander die vom Händler ausgestellte Rechnung und die vorausgefüllte Überweisung. Renate muss nun nur noch per Fingerabdruck die Zahlung autorisieren. Seit ihrer Bestellung sind gerade einmal zehn Sekunden vergangen.

Das Anwendungsbeispiel schließt folgende technologischen Aspekte ein:

• Verknüpfung beliebiger Alias mit der IBAN, in diesem Fall die Mobilfunknummer.
• Autorisierung mittels Fingerabdruck.
• Electronic Bill Presentment and Payment ermöglicht die Übertragung von Rechnungsinformationen im Rahmen der Zahlungsverkehrsnachrichten. Das Online-Banking stellt alle eingehenden Rechnungen übersichtlich dar und erlaubt eine bequeme Zahlung.

I. Quantencomputer und Blockchain

Die in der Studie entwickelten Szenarien haben einen eher evolutionären als disruptiven Charakter: Sie können sich in einer mehr oder minder raschen Entwicklung, ohne einen ausgesprochenen Bruch, realisieren. Darüber hinaus basiert keines der Szenarien auf einem technologischen „Game Changer”. Eine im Rahmen des Projekts „Bezahlen 2025“ durchgeführte Analyse hat jedoch ergeben, dass zwei Technologien durchaus das Potenzial haben, die Welt der Zahlungssysteme in ihren Grundfesten zu erschüttern: Quantencomputer und die Blockchain.

II. Quantencomputer

Quantencomputer nutzen quantenphysikalische Phänomene für die Informationsverarbeitung. Im Vergleich zur klassischen Physik befinden sich in der Quantenphysik Systeme nicht in einem scharf definierten Zustand, sondern existieren in Form einer Überlagerung (Superposition) von mehreren unterschiedlichen Zuständen gleichzeitig. Die klassischen Bits der Informationsverarbeitung können so zu Quantenbits (Qubits) verallgemeinert werden, bei denen Überlagerungen der Zustände „0“ und „1“ erlaubt sind. Quantencomputer bieten die Möglichkeit, diese verschiedenen Zustände einer Superposition gleichzeitig zu verarbeiten. Da die Anzahl der möglichen Zustände einer quantenmechanischen Superposition exponentiell mit der Anzahl der Qubits zunimmt, ist die Informationsverarbeitung erheblich leistungsfähiger als bei einem klassischen Parallelrechner.

Die Sicherheit eines weit verbreiteten asymmetrischen Verschlüsselungsverfahrens beruht auf der Tatsache, dass die Zerlegung einer großen Zahl in ihre Primfaktoren mit der Rechenleistung aktueller Computer nicht praktikabel ist. Bereits im Jahr 1994 wurde von P. Shor ein Algorithmus veröffentlicht, der dieses sog. Faktorisierungsproblem mit Hilfe eines Quantencomputers lösen könnte. Quantencomputer befinden sich zurzeit noch in einem verhältnismäßig frühen Forschungsstadium. Die am weitesten fortgeschrittenen experimentellen Prototypen verfügen bisher lediglich über bis zu ca. zehn Qubits. Allerdings bietet die kanadische Firma D-Wave bereits ein kommerzielles System an. Dieses ist jedoch für die Lösung von Optimierungsproblemen ausgelegt und damit nicht für eine Implementierung des oben erwähnten Shor-Algorithmus geeignet. In den letzten Jahren wurden einige wichtige Fortschritte (z.B. im Bereich der Fehlererkennung) erzielt, die dazu geführt haben, dass zusätzliche Investitionsprogramme für Quantencomputer gestartet wurden. Dies könnte die Entwicklungsdynamik in den kommenden Jahren weiter erhöhen.

III. Blockchain

Eine Blockchain ist eine öffentlich verteilte und einsehbare Datenbank, die zur Verhinderung von Manipulation und Veränderung eine kryptographisch verkettete, kontinuierliche wachsende Liste von Transaktionsdatensätzen unterhält und aufbaut. Bei jeder Transaktion zwischen Computern werden diese der Blockchain hinzugefügt und allen Teilnehmern bekannt gegeben. Zur Manipulation der Blockchain müsste ein Angreifer die komplette Blockchain neu berechnen, was im Vergleich zur Prüfung der Korrektheit extrem rechenintensiv ist, während zeitgleich die Blockchain immer weiter wächst. Zur Wahrung der Integrität des Systems validiert jeder Netzwerkknoten jeweils Teile der Blockchain (einzelne Blocks) und die gesamte Blockchain. Dabei sind alle Transaktionen öffentlich nachvollziehbar, die User hingegen sind pseudonymisiert. Selbst Betreiber von Blockchains oder von sog. Datenspeicherknotenpunkten der Blockchain können die Blockchain nicht verändern. So entsteht eine für alle Seiten absolut neutrale, vertrauenswürdige Datenbank.

Die Blockchain ist prinzipiell geeignet, um Transaktionen, ob nun informatorischer oder monetärer Art, direkt zwischen Sender/Zahlendem und Empfänger durchzuführen, zu dokumentieren und fälschungssicher und für alle Akteure nachvollziehbar abzuspeichern. Auf einer solchen neutralen, für alle Akteure transparenten und kaum manipulierbaren Infrastruktur ließen sich sogenannte „Smart Contracts“ als neues Geschäftsmodell aufbauen.5 Weitere mögliche digitale Geschäftsmodelle sind z.B. Treuhandkonten und das sichere Ausstellen und der Transfer von Aktien. Die Blockchain ist somit in allen sicherheits- und innovationsfokussierten Szenarien von Bedeutung. Als disruptiv wäre diese Technologie für den Zahlungsverkehr vor allem dann einzuschätzen, wenn z.B. die Zentralbanken beschließen sollten, diese Technologie selbst zu nutzen.

Aktuell mangelt es vor allem noch an sinnvollen Geschäftsmodellinnovationen zur Nutzung der Blockchain-Technologie im Zahlungsverkehr. Viele der weltgrößten Banken beschäftigen sich aber zurzeit mit dem Thema Blockchain und dessen Nutzbarmachung im Markt. Die theoretischen Möglichkeiten der Blockchain werden aktuell von immer mehr Akteuren erkannt und die Entwicklungsdynamik ist hoch. Die meisten Projekte sind aber noch in einem frühen Umsetzungsstadium. Auch Börsen denken über die Potenziale der Blockchain nach.

J. Literaturempfehlungen

Djazayeri, Rechtliche Herausforderungen durch Smart Contracts, jurisPR-BKR 12/2016 Anm. 1.

Seiler, Neue Datenschutzregelungen in der PSD II unter BDSG und DSGVO, jurisPR-BKR 11/2016 Anm. 1.

Terlau, SEPA Instant Payment – POS- und eCommerce-Abwicklung über Zahlungsauslösedienste und technische Dienstleister nach der PSD II, jurisPR-BKR 2/2016 Anm. 1.

Werner, Zumutbarkeit der Zahlungsveranlassung über Zahlungsdienst, jurisPR-BKR 3/2017 Anm. 3.
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Fußnoten ausblendenFußnoten

1) Richtlinie (EU) 2015/2366 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.11.2015 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinien 2002/65/EG, 2009/110/EG und 2013/36/EU und der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 sowie zur Aufhebung der Richtlinie 2007/64/EG – ABl. L 337, 35.

2) Hierzu auch Terlau, jurisPR-BKR 2/2016 Anm. 1; Werner, jurisPR-BKR 3/2017 Anm. 3.

3) Hierzu auch Seiler, jurisPR-BKR 11/2016 Anm. 1.

4) Vgl. https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Rundschreiben/2015/rs_1504_ba_MA_Internetzahlungen.html, zuletzt abgerufen am 17.03.2017.

5) Hierzu auch Djazayeri, jurisPR-BKR 12/2016 Anm. 1.