Nachfolgend ein Beitrag vom 14.8.2018 von Jahreis, jurisPR-FamR 16/2018 Anm. 2
Orientierungssatz
Hatte ein Erblasser seine beiden Kinder zu Miterben eingesetzt und einem hiervon zugleich eine transmortale Vollmacht erteilt, darf die kontoführende Bank, der nach dem Tod des Erblassers der Widerruf der Vollmacht durch den anderen Miterben mitgeteilt worden war, keine Verfügungen des ehemals bevollmächtigten Miterben mehr ausführen. Überweisungsaufträge zulasten des Erblasserkontos bedürfen dann der Zustimmung beider Miterben. Werden ohne diese Zustimmung gleichwohl Beträge ausgezahlt, hat die Bank diese zu erstatten.
A. Problemstellung
1. Wann ist ein Zahlungsvorgang gegenüber einem Zahler wirksam?
2. Was besagt die Einrede der unzulässigen Rechtsausübung?
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Klägerin, die gegenüber der beklagten Bank Rückzahlungsansprüche geltend macht, ist am 04.08.2014 Miterbin Ihres verstorbenen Vaters geworden. Dieser setzte seine beiden Kinder, die Klägerin und den Streithelfer zu 4), durch ein am 21.11.2011 verfasstes notarielles Testament jeweils zur Hälfte zu seinen Erben ein. Im gleichen Schreiben erteilte er dem Streithelfer zu 4) eine Versorgungsvollmacht, die über seinen Tod hinaus wirksam sein sollte. Der Erblasser führte bei der Beklagten ein Konto. Mit Schreiben vom 09.12.2014 erklärte die Klägerin den Widerruf der Versorgungsvollmacht, wovon auch die Beklagte in Kenntnis gesetzt wurde. Ein Mitarbeiter der Beklagten führte in seiner E-Mail vom 23.01.2015 dazu aus, dass ihm die „ausschließlich gemeinsame Verfügungsberechtigung“ bekannt sei.
Im 4. Quartal des Jahres 2015 wurden von dem betreffenden Konto ohne Kenntnis der Klägerin rund 53.000 Euro abgebucht. Durch eine daraufhin von der Klägerin erwirkte einstweilige Verfügung wurde der Beklagten untersagt, weitere Auszahlungen ohne die Zustimmung der Klägerin vorzunehmen.
Mit Schreiben vom 16.02.2016 forderte die Klägerin die Beklagte auf, die abgebuchten Beträge zu erstatten. Die Beklagte erklärte daraufhin, keine Rückführung des Geldes vorzunehmen. Mit der am 04.05.2016 zugestellten Klage hat die Klägerin zunächst im Wege der Stufenklage Auskunft und Rechnungslegung bezüglich des betreffenden Kontos zu erteilen verlangt. Bezüglich einzelner durch die Beklagte vorgenommener Auszahlungen i.H.v. insgesamt 10.224,58 Euro hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 01.06.2017 ihre Genehmigung erklärt.
Die Klägerin hat nunmehr beantragt, die Beklagte zu verurteilen, 42.832,58 Euro auf das bei der Beklagten geführte Konto zu erstatten.
Das LG Aachen hat der Klage stattgegeben.
Es bestehe ein Anspruch nach § 675u Satz 2 BGB. Danach habe der Zahlungsdienstleister dem Zahler den Zahlungsbetrag unverzüglich zu erstatten und, sofern der Betrag einem Zahlungskonto belastet worden sei, dieses Zahlungskonto wieder auf den Stand zu bringen, auf dem es sich ohne die Belastung durch den nicht autorisierten Zahlungsvorgang befunden hätte.
Der ursprünglich Zahler sei der Erblasser gewesen. Durch dessen Tod sei die Erbengemeinschaft in das Rechtsverhältnis eingetreten.
Durch die Abbuchung des Betrages von dem betreffenden Konto liege ein nicht autorisierter Zahlungsvorgang vor, worunter die Bereitstellung, Übermittlung oder Abhebung von Buch- oder Bargeld, mithin auch die hier vorgenommenen Überweisungen durch die Beklagten zu rechnen seien, da ein Zahlungsvorgang nach § 675j Abs. 1 Satz 1 BGB gegenüber dem Zahler, also auch der Klägerin, nur wirksam sei, wenn er diesem zugestimmt habe (Autorisierung). Eine solche Autorisierung seitens der Klägerin sei nicht gegeben.
Da die Miterben über einen Nachlassgegenstand nur gemeinsam verfügen können (§ 2040 Abs. 1 BGB) und die Versorgungsvollmacht des Streithelfers zu 4), ohne Zustimmung der Miterben wirksam Rechtsgeschäfte über Nachlassgegenstände vorzunehmen, am 09.12.2014 durch die Klägerin wirksam widerrufen wurde, § 168 Satz 2 BGB, liege ein nicht autorisierter Zahlungsvorgang vor. Der Widerruf der Vollmacht durch die Klägerin sei der Beklagten auch bekannt gewesen, wie sich aus der E-Mail eines Mitarbeiters der Beklagten vom 23.01.2015 ergebe. Da eine gemeinschaftliche Autorisierung zum Zeitpunkt der Verfügungen nicht bestanden habe, seien Verfügungen über das Konto nur mit Zustimmung der Klägerin wirksam gewesen.
Die Geltendmachung der Rückerstattung sei auch nicht rechtsmissbräuchlich nach § 242 BGB, wie von der Beklagten vorgetragen. Die Einrede der unzulässigen Rechtsausübung, die besage, dass niemand eine Leistung einklagen könne, die er sogleich nach Erhalt wieder zurückgeben müsste, weil dem Schuldner ein entsprechender Gegenanspruch zustehe, stehe der Durchsetzbarkeit des Anspruchs der Klägerin nicht entgegen.
Auf eine etwaige Zahlungsverpflichtung nach § 2038 Abs. 1 Satz 2 BGB, wonach jeder Miterbe den anderen gegenüber verpflichtet sei, zu Maßregeln mitzuwirken, die zur ordnungsmäßigen Verwaltung erforderlich seien, könne sich die Beklagte nicht berufen, da diese Mitwirkungspflicht nur von den Miterben untereinander durchgesetzt werden und ein Dritter die Mitwirkung zu einer ordnungsgemäßen Verwaltungshandlung nicht verlangen könne (Löhring in: Staudinger, BGB, § 2038 Rn. 11).
Da die Beklagte die auf das Nachlasskonto zurückgezahlten Beträge nicht direkt wieder von der Klägerin herausfordern könne, sei eine Berufung auf die Einrede der unzulässigen Rechtsausübung nicht möglich.
C. Kontext der Entscheidung
Das Urteil des LG Aachen steht im Zusammenhang mit einem Urteil des BGH aus dem Jahre 2015. Der BGH hatte entschieden, dass im Anwendungsbereich des § 675u BGB ein Zahlungsdienstleister (Bank) im Falle eines vom Zahler nicht autorisierten Zahlungsvorgangs den Zahlungsbetrag im Wege der Nichtleistungskondiktion (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB) vom Zahlungsempfänger herausverlangen kann, auch wenn diesem das Fehlen der Autorisierung nicht bekannt ist.
D. Auswirkungen für die Praxis
Kreditinstitute haben bei positiver Kenntnis über eine nicht autorisierte Überweisung den Zahlungsbetrag wieder auf das entsprechende Zahlungskonto zurück zu überweisen. Sie können sich dabei nicht auf Einreden bezüglich einer etwaigen Zahlungsverpflichtung unter Miterben im Rahmen einer ordnungsmäßigen Verwaltung des Nachlasses nach § 2038 Abs. 1 Satz 2 BGB berufen, da ein Dritter die Mitwirkung zu einer ordnungsgemäßen Verwaltungshandlung nicht verlangen kann.
E. Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung
Ebenfalls in der Entscheidung angesprochen hat das Landgericht die Frage, ob die Geltendmachung des Rückzahlungsanspruchs der Klägerin im Widerspruch zu ihrem früheren Verhalten stünde, da die Klägerin gegenüber dem Streithelfer zu 4) mit Schreiben vom 27.02.2015 erklärte, dass betreffend aller fälligen Rechnungen, die berechtigt seien, eine Mitwirkung dahingehend bestehe, diese vom betreffenden Konto zu begleichen.
Nach Ansicht des Landgerichts führen interne Absprachen zwischen der Klägerin und dem Streithelfer zu 4) im Verhältnis zwischen Klägerin und Bank nicht zu widersprüchlichem Verhalten seitens der Klägerin. Vielmehr habe die Klägerin gerade keine Zustimmung bezüglich der Überweisungen gegenüber der Bank abgegeben und ihr ausdrücklich den Widerruf der Vollmacht erklärt, so dass die Bank nicht von einer Zustimmung ausgehen durfte.
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