Nachfolgend ein Beitrag vom 21.2.2017 von Staab, jurisPR-BKR 2/2017 Anm. 3

Orientierungssätze zur Anmerkung

1. Zur Wirksamkeit einer Widerrufsinformation außerhalb des Vertrauensschutzes nach Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB bedarf es einer Hervorhebung des Belehrungstextes nicht.
2. Entspricht eine Widerrufsinformation wörtlich der Anlage 6 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB, genügt dies den gesetzlichen Anforderungen.
3. Verweist eine Widerrufsinformation auf die Regelung des § 492 BGB und nennt Pflichtangaben lediglich beispielhaft, löst dies die Widerrufsfrist trotzdem aus.

A. Problemstellung

In der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte und der Gerichte erster Instanz ist es umstritten, inwieweit die in der Musterwiderrufsinformation gemäß Anlage 6 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB vorgesehene Formulierung jenseits des Musterschutzes den gesetzlichen Anforderungen entspricht oder nicht. Streitig ist hierbei nicht die Frage, ob eine ausreichend hervorgehobene und deutlich gestaltete Widerrufsinformation unter Verwendung des Mustertextes zur Erlangung des Vertrauensschutzes nach Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB ausreichend ist; dies sieht die Regelung des Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB vor. Es geht vielmehr um die Rechtsfrage, ob die Nutzung des Textes in nicht hervorgehobener Form noch den inhaltlichen Voraussetzungen an Klarheit und Verständlichkeit gemäß Art. 247 § 6 Abs. 1 EGBGB genügt.
Die Musterwiderrufsinformation sieht unter anderem vor, darüber zu informieren, dass die Widerrufsfrist erst beginne, „nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB (z.B. Angabe zur Art des Darlehens, Angabe zum Nettodarlehensbetrag, Angabe zur Vertragslaufzeit) erhalten“ habe. Die Wirksamkeit dieser Formulierung hatte der BGH in der besprochenen Entscheidung vom 25.10.2016 zu beurteilen.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der BGH hatte im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde gegen ein Urteil des OLG Düsseldorf (Urt. v. 17.12.2015 – I-14 U 80/15) über die Deutlichkeit einer Widerrufsinformation und damit die Wirksamkeit des Widerrufes zu entscheiden; das OLG Düsseldorf hatte ein Urteil des LG Wuppertal bestätigt. Dieses wiederum hatte in der erstinstanzlichen Entscheidung zwar die Gestaltung der Widerrufsinformation als undeutlich bemängelt, allerdings den Widerruf am Einwand unzulässiger Rechtsausübung nach § 242 BGB scheitern lassen. Das OLG Düsseldorf folgte dem LG Wuppertal lediglich im Ergebnis insoweit, als es den Widerruf schon deswegen scheitern ließ, weil die Widerrufsinformation doch den gesetzlichen Vorgaben entspreche.
Zur Begründung wurde angeführt, dass der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesmaterialien ganz bewusst die Information zum Widerrufsrecht außerhalb der Verwendung des Musters nur unter die Prämisse der Klarheit und Verständlichkeit nach Art. 247 § 6 Abs. 1 EGBGB gestellt habe. Dies entspreche den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben. Die vertraglichen Informationen zum Widerrufsrecht nach Art. 10 Abs. 2 lit. p der Verbraucherkreditrichtlinie stünden ebenfalls nur unter der für alle vertraglichen Informationen geltenden einleitenden Regelung, dass sie in klarer und prägnanter Form zu erteilen seien. Der Verweis auf § 492 Abs. 2 BGB einerseits und die Angabe lediglich von Beispielen der Pflichtangaben im Darlehensvertrag würden ausreichen, um die genannten gesetzlichen Voraussetzungen zu erfüllen. Der Gesetzgeber habe das Spannungsfeld zwischen möglichst umfassender Belehrung einerseits und der erforderlichen Nachvollziehbarkeit für den Verbraucher andererseits dahingehend aufgelöst, dass er den Verweis auf § 492 Abs. 2 BGB und die beispielhafte Nennung verwendet habe. Selbst wenn sich die Verwender der Musterwiderrufsinformation nicht auf den Vertrauensschutz nach Art. 247 § 6 Abs. 3 Satz 2 EGBGB berufen könnten, ließe sich aus dem Muster entnehmen, welche Angaben der Gesetzgeber im Rahmen einer Widerrufsinformation für erforderlich, aber auch für ausreichend hielt. Dieses Ergebnis stünde auch im Einklang mit der Rechtsprechung des BGH. Komme es für den Beginn einer Frist auf bestimmte Voraussetzungen an, sei es ausreichend, die gesetzlichen Voraussetzungen in kurzer Form anzugeben und auf die entsprechenden Vorschriften zu verweisen (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.12.2015 -14 U 80/15 Rn. 37 f.).
Die auf das Urteil des OLG Düsseldorf eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom BGH nunmehr als unzulässig verworfen. Dies erfolgte deswegen, weil die mit einer Revision geltend gemachte Beschwer den Betrag von 20.000 Euro nicht überstieg und damit die Grenze nach § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO, §§ 544, 97 Abs. 1 ZPO nicht erreicht war.
Trotzdem nutzte der BGH die Entscheidung, um Ausführungen auch zur Begründetheit der Nichtzulassungsbeschwerde zu machen. Nach der Rechtsauffassung des BGH wäre die Nichtzulassungsbeschwerde auch unbegründet gewesen. Die von der Beklagten erteilte Widerrufsinformation entspreche wörtlich der Anlage 6 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB und genüge, ohne dass es auf eine Hervorhebung der Widerrufsinformation ankäme, den gesetzlichen Anforderungen. Auch ohne besondere graphische Hervorhebung sei die verwandte Widerrufsinformation klar und verständlich. Ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Verbraucher könne die für seinen Vertrag maßgeblichen Pflichtangaben ermitteln.

C. Kontext der Entscheidung

Mit dieser Entscheidung schließt sich der BGH der wohl überwiegenden Rechtsauffassung in Literatur und Rechtsprechung an und schafft Rechtsklarheit in einem der zentralen Streitpunkte bezüglich der Widerruflichkeit von seit dem 11.06.2010 geschlossenen Darlehensverträgen. Hier hatte zunächst das OLG München in einer viel diskutierten Entscheidung argumentiert, sämtliche Pflichtangaben seien im Text der Widerrufsinformation abschließend aufzuführen. Die beispielhafte Aufzählung einzelner Pflichtangaben könne nicht ausreichen. Welche weiteren Angaben der Darlehensnehmer noch erhalten müsse, sei weder in der Widerrufsinformation und auch sonst nicht beschreiben. Damit sei aber nicht klar, wann die Frist zum Widerruf der Vertragserklärung des Darlehensnehmers beginne und damit die 14-tägige Widerrufsfrist ablaufe (vgl. OLG München, Urt. v. 21.05.2015 – 17 U 334/15 Rn. 34).
Dieser Rechtsauffassung stellten sich verschiedene Oberlandesgerichte entgegen. Es wurde einerseits damit argumentiert, dass – anders als die auf Grundlage von § 14 BGB-InfoV erlassenen Musterwiderrufsbelehrungen – die Musterwiderrufsinformation nach Anlage 6 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB a.F. Gesetzesrang erlangt habe und gesetzlich keineswegs eine vollständige Übernahme der Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 EGBGB vorgesehen sei. Vielmehr reiche ausdrücklich eine nur beispielhafte Aufzählung aus (vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 11.10.2016 – 6 U 78/16 Rn. 31; OLG Köln, Urt. v. 06.07.2016 – 13 U 103/14 Rn. 21).
In der instanzgerichtlichen Rechtsprechung wurde daneben gelegentlich argumentiert, der Maßstab an Klarheit und Verständlichkeit sei nunmehr entgegen der bis zum 10.06.2010 geltenden Rechtslage am Bild eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbrauchers auszurichten (vgl. in Bezug auf die Hervorhebung des Informationstextes OLG Stuttgart, Urt. v. 24.05.2016 – 6 U 222/15 Rn. 38). Diesen Wechsel des Wertungsmaßstabes postulierte zuerst der BGH in einer Entscheidung vom 23.02.2016 (XI ZR 101/15 – BGHZ 209, 86). Sowohl die aus den §§ 5 und 5a UWG resultierenden Informations- und Aufklärungsobliegenheiten gegenüber Verbrauchern als auch die Informationspflichten nach § 495 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 EGBGB seien an einem neuen Verbraucherleitbild zu orientieren, dessen Maßstab nicht mehr der schwächste, sondern der durchschnittlich informierte und durchschnittlich verständige Verbraucher sei, der der Situation die angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringe (vgl. BGH, Urt. v. 23.02.2016 – XI ZR 101/15 Rn. 19 – BGHZ 209, 86).
Dieser Rechtsauffassung ist darüber hinaus zuzustimmen. Erscheint es im ersten Moment als einleuchtend, einem Verbraucher nicht die Verweisungskette aus § 492 Abs. 2 BGB, Art. 247 § 6 ff. EGBGB zumuten zu wollen, würde eine Verpflichtung zur Nennung sämtlicher Pflichtangaben zum einen die Widerrufsinformation überfrachten und damit gerade nicht zur Klarheit und Verständlichkeit führen, und zum anderen würde dies die Fertigung einer richtigen und vollständigen Widerrufsinformation für deren Verwender unmöglich machen.
Es ist letztlich eine Wertungsfrage, ob es dem Verbraucher zuzumuten ist, zur Bestimmung des Fristablaufs den Gesetzestext selbst heranzuziehen und zu lesen. Der deutsche Gesetzgeber hat diese Frage speziell in Bezug auf die Verweisung auf § 492 Abs. 2 BGB dahingehend entschieden, dass dies dem Verbraucher zuzumuten ist. Denn mit der Musterwiderrufsbelehrung nach Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB hat der Gesetzgeber selbst – und nicht etwa ein Verordnungsgeber wie bezüglich der Musterwiderrufsbelehrung nach § 14 BGB-InfoV – eine rein exemplarische Aufzählung der Pflichtangaben und einen Verweis auf § 492 Abs. Abs. 2 BGB in der Widerrufsinformation als ausreichend erachtet. Auch aus Sinn und Zweck des Widerrufsrechts kann nicht abgeleitet werden, dass einem normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbraucher nicht zugemutet werden könnte, die notwendigen Pflichtangaben im Darlehensvertrag auch dann zu ermitteln, wenn diese nicht in § 492 Abs. 2 BGB aufgezählt sind, sondern diese Norm wiederum auf die Regelungen des Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB verweist.
Einen solchen Maßstab wird man aber ansetzen müssen. Der BGH hatte schon in Bezug auf die Frage, ob eine Widerrufsinformation, in der es nach der nach dem 10.06.2016 geltenden Rechtslage grundsätzlich einer Hervorhebung bedarf, erkannt, dass an einen Verbraucher seit der Änderung der gesetzlichen Regelungen höhere Anforderungen gestellt werden dürfen als zuvor. Zu den Pflichten eines Verbrauchers bei Abschluss des Darlehensvertrages gehört es somit nicht nur, Widerrufsinformationen zu erkennen und durchzulesen, sondern auch darin genannte Normzuweisungen nachzuvollziehen und nachzulesen.
Keine Rechtsklarheit bringt die Besprechungsentscheidung in Bezug auf die Frage, inwieweit bei fehlerhafter Aufführung von Pflichtangaben im Text der Widerrufsinformation diese noch als ordnungsgemäß angesehen werden kann. Konkret wurden bei verschiedenen Kreditinstituten nach Änderung der Rechtslage zum 10.06.2010 Widerrufsinformationen bei Immobiliardarlehensverträgen genutzt, die Pflichtangaben benannten, die nach der Rechtslage gar keine Pflichtangaben waren. Hier wurde beispielsweise die Nennung der für die Darlehensgeber zuständigen Aufsichtsbehörde als Pflichtangabe bezeichnet, ohne dass diese Nennung im Immobiliardarlehen Pflichtangabe war. Bei diesen frühen Widerrufsinformationen ging die bisher herrschende Rechtsauffassung davon aus, dass diese den gesetzlichen Anforderungen nicht entsprachen. Allerdings hat der BGH in einer Entscheidung vom 22.11.2016 (XI ZR 434/15) angedeutet, dass auch solche Widerrufsinformationen richtig sein könnten, wenn die fälschlich als Pflichtangaben bezeichneten Informationen dem Verbraucher auch tatsächlich bei Abschluss des Vertrages mitgeteilt worden seien.
Diese Entscheidung steht zur Veröffentlichung an.

D. Auswirkungen für die Praxis

Die Entscheidung erfolgt in einer Situation, in der sich Sparkassen und Banken in erheblichem Umfang mit Widerrufen von Verbraucherdarlehensverträgen auseinandersetzen müssen. Dies hatte in den letzten Jahren Ausmaße angenommen, die sich gerade für kleinere Institute als bedrohlich entwickelten.
Nachdem der BGH in einigen Rechtsfragen zu bis zum 10.06.2010 abgeschlossenen Darlehensverträgen Rechtsklarheit geschaffen hatte und solche „Altverträge“ aufgrund der Übergangsvorschrift des Art. 229 § 38 EGBGB lediglich bis zum 21.06.2016 widerrufbar waren, verlagerte sich in den letzten Monaten der Schwerpunkt der Auseinandersetzungen auf jüngere Darlehensverträge. Hier wurde zunächst argumentiert, dass auch die neuere Rechtslage grundsätzlich die einzigartige Hervorhebung der Widerrufsinformation erfordere. Diesem Argument stellte sich der BGH schon in der genannten Entscheidung vom 23.02.2016 (XI ZR 101/15 – BGHZ 209, 86) entgegen. Danach konzentrierte sich die Argumentation auf die Unwirksamkeit der Information über das Widerrufsrecht aufgrund der als unzulässig angesehenen Verweisung auf § 492 Abs. 2 BGB. Auch dieses Argument ist nunmehr entfallen. Die Auswirkungen auf die Praxis dürften daher erheblich sein.